HirnTumor-Forum

Autor Thema: Glioblastom mit 26  (Gelesen 10212 mal)

Offline gbra

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Glioblastom mit 26
« am: 18. November 2013, 01:48:31 »
Hallo an alle Betroffenen und Angehörigen
ich möchte gern hier die Geschichte meines Partners erzählen und manch einem vielleicht etwas Mut schenken

Mein Freund ist ein junger Mann (damals 26 Jahre alt gewesen), der mitten im Leben stand. Das  absolut erste Symptom war das Gefühl, dass die Fähigkeit, Einzuatmen immer öfter für einige Sekunden "ausgesetzt" hat. 2 Pulmologen konnten nichts finden und der Hausarzt empfahl einen Psychologen, da es sich seiner Meinung nach um den eindeutigen Versuch handelte "blau zu machen". Den Kopfschmerzen und der Wesensveränderung haben wir selbst keine Bedeutung beigemessen, man wird ja älter und verändert sich, plus der viele Stress im Job...am 27.Juli 2012 hatte er unglaubliche Kopfschmerzen. Der mittlerweile neue Hausarzt war im Urlaub, seine Sekretärin sagte, dass das eine Sache für einen Neurologen sei. Als ich mit ihm vor die Tür ging, konnte er nicht geradeaus laufen, es zog ihn wahrlich nach rechts. Der Neurologe hatte uns ohne Überweisung oder Termin glücklicherweise dennoch angenommen und zum Ausschluss einer Meningitis in die Klinik geschickt. Dort dann die erste Diagnose: 5x4 cm Hirntumor. Wunderbar mittig im Thalamus! Operativ schwer zugänglich, darum erstmal Biopsie eingeplant. Die ist auch problemlos gelaufen, bis auf das histologische Ergebnis: Glioblastoma multiforme, WHO IV!
Ohne Behandlung wären wohl noch wenige Wochen zu leben. Da er ja noch jung ist, haben sich die Ärzte doch getraut, zu operieren. Dann aber mit Neuronavigation und anderthalb Wochen Vorbereitung! Ergebnis der OP: 40% entfernt, neurologisch bis auf zittrige Hände und mieses Kurzzeitgedächnis alles gut. Da 40% wenig war und er die OP wunderbar überstanden hat, wurde 2 Tage später durch den selben Zugang nochmal operiert. Die zweite OP hat leider ein Gesamtergebnis von 50% des Ursprungstumors gebracht.
Ab dem 15 September 2012 wurde Bestrahlung begleitet von 100mg Temodal jeden Werktag für 30 Tage eingeleitet. Hat nichts geholfen, am 16 November hab ich ihn wieder in der Notaufnahme mit schrecklichen Kopfschmerzen, die wir mit Novaminsulfon und Ibuprofen nicht in den Griff bekommen konnten, eingeliefert. Ein MRT ergab: Rezidiv mit neuen Abmessungen von 5x5 cm! Der Tumor hat den Abfluss des Nervenwassers abgedrückt, sodass dieses sich gestaut hat: NotOP zur Entlastung. Knapp 2 Wochen wurde dann überlegt und er musste mit einem aus dem Kopf ragenden Schlauch leben, aus dem 3-5 Mal am Tag Nervenwasser abgelassen wurde. Die Wahl stand zwischen einer Leitung des Nervenwassers in den Bauchraum (kurz und mehr oder weniger ungefährlich) und dem Versuch, den Tumor ganz zu entfernen (extrem gefährlich). Die Entscheidung meines Freundes lautete "Ich will leben! Machen Sie die große OP!"
Nun nach 12 Stunden OP, die an sich komplikationslos verlief (vielen Dank an dieser Stelle an Prof. Ulrich aus dem Klinikum Offenbach!!!) wachte er auf und war rechtsseitig vollständig gelähmt. Zur Hemiplägie kam eine schwere Aphasie. Kommunikation war absolut nicht möglich, weder durch Zwinkern, noch durch die funktionierende linke Seite. Es war, als würde man mit einer Wand reden, es erfolgte keine Reaktion. Nur hab ich ihm 2h nach OP einen aktuellen Ausdruck seines MRT-Bildes gezeigt, auf dem keine Raumforderung mehr zu sehen war!!! und als ich ihm die zeigte und sagte, dass der Tumor, soweit momentan sichtbar, entfernt wurde, kullerten Tränen! Nach Wundheilungsstörungen und fast verzweifelten Versuchen, mental aufzumuntern kam die Reha, die nach 2,5 Monaten die Fortbewegung für wenige Meter mit einem Gehstock und primitive sprachliche Kommunikation möglich gemacht hatte kamen die nächsten Temodal-Zyklen. An sich typisch für die Hämiparese starke Spastiken in der rechten Körperhälfte, jedoch etwas Kontrolle über die rechte Gesichtshälfte, sodass zumindest das Wasser beim Trinken nicht mehr seitlich rausgelaufen ist und Schlucken wieder problemlos funktioniert hat
April 2013 nachts ein Grand Mal und damit mein persönliches schlimmstes Erlebnis, weil es mitten in der Nacht war und für mich völlig neu. Im Krankenhaus wurde eine subdurale Hirnblutung festgestellt. 2h später direkt die Not-OP. Zum Glück hat diese Blutung, obwohl sie den Fortschritt etwas zurückentwickelt hat, keine neuen neurologisches Schäden hervorgerufen.
Heute Mitte November 2013 ist der MRT-Befund stabil. Das Hämatom, das nach der Hirnblutung noch übrig war, ist fast nicht mehr sichtbar. Das rechte Bein funktioniert halbwegs, sodass auf ebenem Ungergrund (z.B. zu Hause) kein Gehstock notwenig ist, auf unebenem die Fortbewegung mit Gehstock auch klappt. Die Sprache ist zurück und der Wortschatz wächst von Tag zu Tag. Es fällt nur auf, dass er sehr langsam spricht. Er hat nun wieder von Neu an das Schreiben und lesen erlernt, hilft wo er kann im Haushalt und repariert mit einer Hand was immer ich Tollpatsch wieder kaputt mache. Der rechte Arm ist leider kaum besser geworden, aber eine Tüte mit max halbem Kilo Gewicht kann er damit bereits tragen und das Ellbogengelenk bedienen.
Er will wieder soweit kommen, um wieder Fahrrad fahren zu können, will wieder arbeiten können und eine Fortbildung machen. Wir wollen endlich eigene Kinder bekommen können  ::)
Ich bewundere ihn: Nach der großen OP wurde uns empfohlen, einen Pflegeberechtigten zu finden und uns auf einen bettlägigen Komplettpflegefall einzustellen, aber ich habe einen Mann an meiner Seite, der mit mir gemeinsam den Haushalt schmeißt. Er putzt, er saugt Staub, er bringt mir Blumen, die er mit den Zähnen festhält, weil er in den 3 Stock laufen muss und sich am Geländer halten muss, und nimmt einen Rucksack mit, damit ich nicht allein die schweren Taschen mit Einkäufen hoch tragen muss, er denkt an Geburtstage von Familie und Freunden und wir lachen täglich soooo viel gemeinsam. Er ist so felsenfest überzeugt, dass alles gut wird und genießt das Leben mehr, als er es vor der Erkrankung je getan hat. Unglaublich, doch er sagt, dass es gut so war, weil er jetzt viel glücklicher ist, da er gelernt hat, wie man glücklich sein kann und wie schön es ist, einfach mal Freunde und Familie zu haben und den nächsten Sonnenaufgang erleben zu können.
Ich habe natürlich Angst um die Zukunft, aber ich will nicht die Angst ausleben, ich will das genießen, was wir jetzt haben! UNS!
Als er damals krank wurde habe ich dieses Forum entdeckt und nach Geschichten gesucht, die gut ausgehen, ich wollte Hoffnung. Die gibt es! Wer immer das liest, wenn ihr selbst betroffen seid, oder Angehörige seid, gebt nicht auf, bitte! Das Leben ist es wert zu kämpfen und für uns alle viel zu kurz für Angst und Selbstmitleid!
« Letzte Änderung: 18. November 2013, 08:49:07 von gbra »

Offline HeikeD

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Re:Glioblastom mit 26
« Antwort #1 am: 18. November 2013, 09:26:21 »
Eure Geschichte hat mich berührt, was man alles durchmachen muss!

Ich wünsche euch stets gute Befunde und weiterhin die Kraft zu kämpfen!

LG
Von Zeit zu Zeit musst du lernen zu fliegen, wie Piloten im Nebel. Vertraue blind der Führung eines anderen. Hab Geduld, hab viel Geduld auch mit dir selbst.
Phil Bosmans

Offline Paujo

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Re:Glioblastom mit 26
« Antwort #2 am: 18. November 2013, 10:00:44 »
Hallo und herzlich willkommen.

Das sind infos die Mut machen.
Lebenswille ungebrochen.....das freut mich sehr.
Macht weiter so. Genießt euer Leben und jeden Tag.

Danke das du uns an eurer Geschichte teilhaben lässt.
 Alles Liebe für euch :) :) :)
LG
Paujo
Hinter dem Horizont geht s weiter.....

Offline frauypsilon

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Re:Glioblastom mit 26
« Antwort #3 am: 18. November 2013, 10:24:52 »
Herzlich willkommen im Forum,

Eure Geschichte ist eine Mutmach-Geschichte und hat mich sehr berührt.
Ich kann mich Paujo nur anschließen und danke sagen, dass ihr uns teilhaben lasst.

Ich wünsche euch weiterhin so viel Mut und Kraft und Lebensfreude!

Alles Liebe auch von mir,
frauypsilon
"Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende..." (Oscar Wilde)

Offline leonidas

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Re:Glioblastom mit 26
« Antwort #4 am: 18. November 2013, 10:42:52 »
Willkommen im Forum,

das ist genau das, was wir hier brauchen.

Mutmach-Gesichten!
Auch wenn es euch sehr schwer getroffen hat, habt ihr nicht aufgegeben!
Meinen größten Respekt.

Ich wünsche euch weiterhin immer gute Befunde und viel Kraft zum weiterkämpfen!

VG
Leonidas

Offline Eva

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Re:Glioblastom mit 26
« Antwort #5 am: 18. November 2013, 11:42:43 »
Auch von mir ein Willkommen. Ihr seid beide sehr stark und ich wünsche euch von ganzem Herzen,  dass ihr es mir nachmacht. Ich lebe seit 06/2004 mit einem Glioblastom und es geht mir gut. Sollte euch mein Erfahrungsbericht interessieren, schaut auf die Seite www.der-gesunde-kranke.de.

LG Eva
Der Gesunde weiß nicht, wie reich er ist.

Vergiss die Frage, was das Morgen bringen wird, und zähle jeden Tag, den das Schicksal dir gönnt, zu deinem Gewinn dazu.                                                                Horaz

Mein Erfahrungsbericht: http://www.langzeitueberlebende-glioblastom.de

Offline jannopeter

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Re:Glioblastom mit 26
« Antwort #6 am: 18. November 2013, 15:24:03 »
Hallo Ihr zwei Tapferen!
schade, dass man sich hier kennen lernen muss. Eure Geschichte hat mich sehr bewegt. Da dein Freund bereits ein Rezidiv hat könnte er evt. in die Studie von Prof. van Gool in Leuven aufgenommen werden. Da wird mithilfe von dentritischen Zellen am Tumor gearbeitet - ums mal kurz zu fassen. Das konnte meinen Sohn zwar nicht heilen, hat aber den Tumor zunächst schrumpfen lassen und uns so einen schönen letzten Sommer beschwert!

LG
Jannopeter

Offline enie_ledam

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Re:Glioblastom mit 26
« Antwort #7 am: 18. November 2013, 17:07:23 »
Boah krass!!

Ich weiß wie es ist, ich habe meinen Tumor auch mit 26 entdeckt bekommen aber was ihr habt ist natürlich nochmal ne Ladung härter!

Dein Freund hat riesigen Lebenswillen, ich hätte auch den Weg genommem mit OP und auch jetzt würde ich lieber Querrschnittsgelähmt sein als Tod durch Tumor.

Und ich denke dein Freund ist sooooooooo stolz auf dich, dass du zu ihm hälst! Ich hoffe das ihr beiden noch ganz viel Zeit miteinander habt und das sich euer Kinderwunsch erfüllt! Ich hoffe auch das es an Scheiße reicht die ihr im Leben bewältigen müsst!

Mir macht radfahren auch ganz viel Spaß :)

Das mit Prof. van Gool würde ich euch auch empfehlen!

Man kann nicht alles mit seinen Willen erreichen, aber man sollte wollen was man erreichen kann.

Offline Romy

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Re:Glioblastom mit 26
« Antwort #8 am: 18. November 2013, 22:37:43 »
Ihr Lieben,
Danke für den tollen Bericht. Er wird viele sehr nachdenklich machen und steckt doch voller Lebensfreude und Glück.
Mein Bruder lebt nun seit bald 5 Jahren sehr gut mit der gleichen Diagnose und es soll so auch immer weitergehen...
Ich wünsche Euch alles erdenklich Gute, haltet zusammen und bleibt gesund!
Herzliche Grüße von
Romy

Offline Lara

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Re:Glioblastom mit 26
« Antwort #9 am: 19. November 2013, 18:51:09 »
Hallo Gbra,

Sehr schön. Das was ihr zwei habt ist unbezahlbar. Schön, dass ihr zwei so zusammenhaltet. Man kann das Glück beim lesen fühlen.
Mein Mann 42 Jahre Glio lV 01/09 kämpft auch schon fast 5 Jahre erfolgreich. Wir hätten zwar gerne auf den Tumor verzichtet, aber das kann man sich nicht aussuchen.
Wir leben jetzt bewusster und genießen jede Minute unserer Zeit. Wir sind seit 20 Jahren verheiratet und seit 25 Jahren zusammen und immer noch glücklich.
Macht immer weiter so. Ich wünsche euch nur noch gute Befunde.

LG

Lara
 

Offline gbra

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Re:Glioblastom mit 26
« Antwort #10 am: 10. Dezember 2013, 22:03:19 »
Danke für die tolle Rückmeldung! Wir haben das gemeinsam gelesen und uns sehr über die lieben Worte gefreut.

 



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