HirnTumor-Forum

Autor Thema: Meine Mum; ihr Kampf und ihr Leiden  (Gelesen 4827 mal)

bine1990

  • Gast
Meine Mum; ihr Kampf und ihr Leiden
« am: 02. November 2006, 22:24:08 »
Es ist ein komischer Zeitpunkt. Schon oft dachte ich darüber nach hier, nach einer gewissen Zeit, die Geschichte meiner Mum nieder zu schreiben. Meine Tochter ist heute 19 geworden, das war im letzten Jahr einer der letzten Geburtstage, die meine Mutter noch fit und klar miterleben durfte. Da nun die Gäste fort sind und nur noch meine Tochter mit ihren Freunden zusammensitzt, es noch zu früh fürs Bett ist und ich gerade sowieso mal wieder etwas den moralischen habe, dachte ich mir, greif die Gelegenheit beim Schopfe und schreibe, vielleicht hilft das auch mir ein bißchen.

Zum Anfang, meine Eltern kamen im Mai 2005 von einem Urlaub vorzeitig zurück, da sie über starke Kopfschmerzen klagte. Meine Mutter hatte früher schon sehr starke Migränephasen, deshalb machten sie sich am Anfang keine zu großen Gedanken. Da es am zweiten Tag aber nicht besser wurde, fuhren sie also heim. Daheim angekommen konnte sich meine Ma nur noch ins Bett legen. Mein Pa hat den Doktor angerufen und als der dann kam, hat sie vor seinen Augen erbrechen müssen. Der Doc hat Gott sei Dank gar nicht lange gefackelt, sondern sie gleich nach Bietigheim-Bissingen ins Krankenhaus geschickt. Dort wurden sie gleich weiter nach Ludwigsburg geschickt, da sie dort ein CT haben. Sie kam am gleichen Tag noch ins CT und dann hieß es, da ist was im Gehirn! "Schock"! Der erste Gedanke, es wird schon nicht so schlimm sein....! Klare Aussage der Ärtze, erst nach einer OP kann man genau sagen um was es sich handelt! :-[ Angst und gleichzeitig Hoffnung, dass das Ganze doch hoffentlich nichts schlimmes ist!?
Dann zwei Tage später wurde operiert, sie kam morgens um 7.30 Uhr in den OP und wir riefen dann ab nachmittags im Krankenhaus an. Uns wurde gesagt, die Schwestern in der Intensivstation bekommen 1/2 Stunde vorher Bescheid, wenn die Patentin aus dem OP kommt. Um 16.00 Uhr hieße es dann, sie hätten gerade Bescheid bekommen. Mein Pa und ich sind nach LB gefahren. Als wir kamen, lag sie auf der Intensivstation und schlief noch. Der Kopf mit einem "Turban" verbunden aber sonst sah sie ganz gut aus. Wir warteten, wir hatten eine sehr nette Intensivschwester die uns erst mal die Apparate erklärte und auch wie das mit dem Aufwachen funktioniert. Sie fing dann auch an sich gegen den Tubus zu wehren, was ein Zeichen des "aufwachens" ist. Es sah nicht sehr nett aus und wir haben sie immer wieder beruhigt und an den Armen gestreichelt. Dann eine Weile später meinte die Schwester, jetzt wäre sie soweit, dass sie wieder selbständig Atmen würde und wir  sollten kurz aus dem Raum, es sei nicht schön es mitanzusehen, wenn der Tubus rauskommt. Keine 5 Minuten später konnten wir wieder rein. Sie bekam zwar schier die Augen nicht auf, konnte aber schon reden, die Schwester meinte ein kleiner Wasserfall. Sie wusste ganz klar, dass sie heute morgen in den OP gekommen ist und das der nächste Tag ein Feiertag ist. Nur meinte sie, sie sei gerade erst eingeschlafen...! Sie hätte Durst, die Schwester meinte, sie könne noch nicht trinken, aber sie hat so lange gequasselt, dass die Schwester meinte, so wie sie reden könnte, könnte sie auch einen Schluck trinken. Kein Mensch kann erahnen, welche Last von uns gefallen ist. Eine OP am Kopf und jemand wacht so klar auf, dass ist doch ein kleiner Sieg!

Zwei Tage später kam dann aber das böse erwachen mit dem Arztgespräch. Meine Mutter hat es schon vorher erfahren, sie sagte zum Arzt, sie wolle die volle Wahrheit. Die bekam sie dann auch. Der Arzt gab die Diagnose ab "Glio IV multiforme". Sie rief uns an, dass wir reinkommen sollten und der Arzt mit uns sprechen wolle, sie weinte am Telefon, da wussten wir schon, irgendwas ist doch nicht so gut. Es war ein junger Arzt und erklärte uns das Ausmaß der Krankheit.....! Wir waren geschockt!! Er sagte uns klar und deutlich, das der Krebs nie ganz entfernt werden könnte, 1. da man im Gehirn nicht so schneiden kann wie man will, und 2. da es Krebszellen gibt, die man beim OP nicht sieht, weil sie gerade erst in der "Umwandlung" sind. Er sagte auch, jeder der uns einen genauen Zeitpunkt sagen würde, der würde lügen.. es könnte noch 3 Tage, 3 Monate, Wochen oder Jahre gehen....! Wir waren total down. Dies war der Zeitpunkt, wo ich im Internet, durch das stöbern nach der Krankheit, Gott sei Dank auf dieses Forum gestoßen bin!
Gott sei Dank waren meine Eltern ein halbes Jahr vorher in meinen Nachbarort gezogen! Meine Ma bekam ihren Plan aufgeschrieben, Bestrahlungen und Temodal. Sie erholte sich nach der OP so schnell, das war phänomenal, wir dachten schon, dass kann gar nicht sein. Nach 10 Tagen fragte sie den Doc, wie lange sie noch im Krankenhaus bleiben müsse. Der meinte, wenn sie sich daheim auch schonen, dann können sie auch heim, denn ob sie hier im Bett liegen oder daheim....! Also kam sie zwei Tage später heim, sie machte noch ihren ersten Termin für die Bestrahlung/Maske aus und hatte noch das Gespräch mit der Neurologin wegen dem Temodal. Dann kam sie Ende Mai 2005 wieder heim. Sie war soweit fit, etwas langsamer zu Fuß, aber ansonsten echt fit. Sie ging in Krankenhaus, die Maske wurde gefertigt und sie nahm ihr Temodal, 370 mg/Tag an 7 Tagen dann 21 Tage Pause. Sie vertrug alles hervorragend. Die erste Zeit waren wir skeptisch, aber ihr ging es echt hervorragend. Wir unternahmen viel, gingen spazieren und sie genossen ihren Garten....Die Bestrahlungen waren zu Ende es wurde dann ein CT gemacht, es sah gut aus. Wir waren überglücklich. ;D
Wir genossen die Zeit und sie nahm ihr Temodal, ohne jede Nebenwirkungen. Dann wurde im November 2005 wieder ein Kontroll CT gemacht, die Ärzte waren sich nicht einig, so entschloss man sich zu einem PET in Ulm. Meine Eltern bekamen über das Krankenhaus innerhalb von 3 Tagen einen Termin. Die Bilder wurden auch sofort ausgewertet und meine Eltern mussten wieder nach LB ins Krankenhaus.

Dann die klare Aussage, da ist doch wieder etwas gewachsen... wir wussten es ja eigentlich, aber da ihr Verlauf so hervorragend war, dachten wir, es würde länger dauern, bis sich da wieder was melden würde..! Klare Aussage, wieder OP. Meine Mutter meinte damals nach der 1. OP und dem Verlauf, obwohl er wie gesagt hervorragend war, sie würde sich kein zweites Mal operieren lassen. Aber bei dem Gespräch müssen sie die Ärzte wohl doch überzeugt haben. Sie hat sie dazu bereiterklärt nochmal operiert zu werden. Am 1.12.2005 sollte es soweit sein, mein Pa brachte sie rein und ich kam abends nach der Arbeit noch vorbei, Gott sei Dank. In der Zeit waren sehr viele Notfälle in LB und die Ärtze und OP's waren total überlastet, der Arzt meinte sie käme morgen mit Sicherheit nicht dran und übermorgen wohl auch nicht. Also wir alles zusammengepackt und wieder heim. Am 4.12. solle sie wieder kommen und dann wäre sie am 5.12. morgens dran... So kam es dann auch, leider. Ich weiß, so eine OP ist in gewisser Weise auch immer eine Lebensverlängerung, bei meiner Ma wurde es allerdings zur Lebensqual.... Sie kam nach der OP schon gar nicht mehr so zu sich..., sie schlief sehr fiel und als sie dann 3 Tage später wieder auf dem Zimmer war und ich sie wieder besuchte, verstand ich sie fast nicht. Es war als ob sie besoffen wäre, sie lallte...? Da schaute ich mal genau auf ihren Mund und fragte den Arzt ob er das eigentlich schon gesehen hätte oder wer eigentlich mal meine Mutter genau angeschaut hätte, ihre Zunge war doppel so dick wie normal, klar das man sie nicht verstehen konnte. Der Hirndruck war zu hoch, als ich am nächsten Tag kam, hatte sie einen Stunt im Kopf. Es sah beim ersten Mal furchtbar aus, aber es wurde trotzdem nicht merklich besser. Die Zunge wurde zwar dünner und sie konnte besser sprechen, aber sie konnte nicht essen, zwei Löffel rein und fünf hat sie gespuckt! Die Schwestern haben ja auch keine Zeit im Krankenhaus, also war es so, dass wir mit Hühnerbrühe, Reissuppe und Nudelsuppe ins Krankenhaus fuhren und sie gefüttert haben, ansonsten wäre sie wahrscheinlich irgendwann mal künstlich ernährt worden! Es war grausam. Dann kam das Gespräch mit dem Arzt, der uns mal so kurz vor den Kopf schlug, "sie bekommen einen Pflegefall nach Hause!" Danke für's Gespräch, das Ganze noch in einer Arroganz, das ich mich beherrschen musste und er glaube ich merkte, ein weiteres Wort und ich hätte ihm eine gelangt! Weihnachten stand vor der Türe, solange der Stunt im Kopf war und die Wunde nicht ausgeheilt, würde sie im Krankenhaus bleiben, dann würde sie heimkommen...! Wir nach unten zur AOK, Gott sei Dank ist im Krankenhaus so eine Außenstelle. Bett, Mattratze und Nachtstuhl bestellt und Antrag auf Pflegestufe gestellt!

Es folgte eine Zeit, in der ich oft dachte, wie schaffst du das nur alles, 8 Stunden Arbeit, Haushalt, Mann und zwei Kinder (allerdings Gott sei Dank schon größer 16 und 18 ), Haushalt meiner Eltern und Krankenhaus, aber es ging immer.... irgendwie! Es war ein trauriges Weihnachtsfest und am 30.12. wurde meine Mutter entlassen. Mit dem Krankenwagen wurde sie nach Hause gebracht. Hier stellte ich dann auch zum ersten Mal fest, dass sie nicht mehr wusste wie krank sie ist! Sie meinte, warum sie im Wohnzimmer im Bett schlafen sollte. Sie konnte nicht mal alleine aufstehen, so schwach war sie, geschweige denn zwei Schritte ohne beachtliche Hilfe laufen!! Sie konnte aber vom Bett aus in den Garten und auf die Terrasse schauen und wir sagten ihr, dass es so für den Anfang doch leichter für alle sei. Morgens kam der Sozialdienst zum waschen und zwischendrin baden oder duschen, alles andere machte mein Vater. Das Mittagessen habe ich teilweise vorgekocht, sie konnte ja immernoch fast nur Suppe essen. Gott sei Dank hat unser Hausarzt dann die Behandlung in die Hände genommen. Er hat das Cortison hochgeschraubt, und nach ca. 3 Wochen konnte meine Mutter endlich wieder einigermaßen normal essen. Aber immer noch nur mit erheblicher Hilfe laufen. Als sie dann wieder einigermaßen gegessen hat, konnte der Doc auch das Cortison langsam wieder runterfahren. Sie lag überwiegend im Bett oder gegen später, saß sie dann zum essen am Tisch. Es fing aber dann an, dass sie dann doch Sachen sagte, die sie später nicht mehr wussste. Z.B. sagte sie, sie wolle ein Leberwurstbrot, mein Pa sprang natürlich auf und machte es, als er ihr es dann gab, mauzte sie ihn an, sie wolle doch nichts essen. Das war für meinen Vater sehr schwer, diese Dinge häuften sich in der Art und Weise, dass man die Spannung spürte, wenn man ins Haus kam. Der Hausarzt kam auch ein bis zweimal die Woche ins Haus und ich sprach ihn darauf an. Er meinte, er müsse klar sagen, entweder wir finden eine Lösung oder ich könnte mich bald um zwei "bettlägrige" kümmern, mein Pa nahm in der Zeit von Januar bis März 12 kg ab, obwohl er gut aß!!

Meine Tante erzählte mir dann vom Hospiz in Bietigheim-Bissingen. Ich fuhr mit ihr dorthin und wir schauten uns das ganze an, ich war überwältigt von der Wärme und Geborgenheit, die mir in diesem Haus entgegenkam. Es sind im ganzen 8 Zimmer und ein wunderschöner Garten. Wir meldeten sie dort an, vorab würde aber jemand vom Hospiz kommen und Ma anschauen und mit ihr sprechen. Wieder blieb es an mir hängen, meiner Mutter die Nachricht zu überbringen. Meine Pa und ich saßen mit ihr am Bett und ich sagte ihr das dann, sie schaute mich groß an, sie wusste nicht mehr wie krank sie war, sie sprach immer davon, dass sie wieder laufen müsse und ihre Sachen machen.... ich saß am Bett und heulte und sagte ihr wie krank sie ist ..... sie schaute mich mit großen Augen an und weinte.... wir saßen alle da und weinten.... Zwei Tage später kam die Schwester und schaute sich alles so an und sprach auch mit Ma. Die meinte dann, ja sie würde sich das ganze mal anschauen.... Ich habe ihr dann versprochen, wenn sie sich dort nicht wohlfühlt, hole ich sie dann wieder heim! Eine Woche später wurde ein Platz frei und wir brachten sie im Krankenwagen ins Hospiz. Als wir dann abends heimgingen, hatten wir alle Tränen in den Augen. Aber es war, auch im nachhinein betrachtet, die schönste und beste Lösung für uns alle. Ma lebte am Anfang richtig auf. Sie wurde angezogen und in den Rollstuhl gesetzt, sie fuhr zum Frühstück, Mittagessen und auch oft zum Abendbrot ins Wohnzimmer zum gemeinsamen Essen. Es ging ihr gut! Es war eine liebevolle und absolut umsorgende Atmosphäre im Haus, es wurde einem fast jeder Wunsch von den Augen abgelesen, sowohl den "Patienten" wie auch den Angehörigen. Die erste Frage, wenn man kam war, "Essen sie auch mit, wollen sie einen Kaffe, etwas zu trinken..." Bald wurde es für mich zum "zweiten Zuhause". Auch meine Mum fühlte sich nach kurzer Zeit sehr wohl und merkte auch, dass das ganze doch besser läuft wie zuhause. Mein Pa und sie schnautzen sich nicht mehr an, sondern gingen wieder freundlich und liebevoll miteinander um. Beinah dachten wir, uns wird doch noch eine schöne Zeit geschenkt....

Das war es eigentlich auch. Der Sommer kam und Ma fuhr mit dem Rollstuhl in den Garten in die Sonne, manchmal musste man sie auch etwas austricksen, dass sie ins Freie ging, aber die Schwestern hatten da immer wieder eine Idee. Wir brachten mittags immer ein Eis mit, den Eis liebte Ma. Wir verbrachten Stunden zusammen. Die Motorik, die sich langsam wieder aufgebaut hat, das laufen ging immer nur mit Hilfe aber auch mal mit leichter Hilfe, wurde zunehmends wieder schlechter, auch das sehen, das nach der zweiten OP ja fast ganz weg war, merkte man immer deutlicher. Im Juni fing sie dann am, längere Phasen zu schlafen und sie wurde wieder "verwirrter". Sprach die Leute oftmals mit falschem Namen an, wechselte im Satz von einem Thema ins andere, vergaß was sie sagen wollte usw. Mitte Juni stand sie dann auch fast nicht mehr auf, außer auf den Bettstuhl, aber auch das hörte dann bald auf, sie konnte gar nicht mehr aufstehen bzw. nur mit großer Hilfe. Sie bekam dann auch schon wieder sehr hoch Cortison und dann auch Morphium als Tropfen. Im Juni war es dann auch die erste Nacht die ich im Hospitz bei ihr verbrachte, da es ihr nicht gut ging. Am 01.07. feierten wir im Hospiz ihren 65. Geburstag. Es war ein wunderschöner Tag, ich brachte Kuchen und Kaffee rein und für abends hatte ich den Schwestern mitgeteilt, dass wir Brot, Salat und einen Hals im Backofen machen. Es war ein wunderschöner warmer Tag und abends saßen alle, die konnten, um den großen Tisch und wir haben alle zusammen gegessen und gelacht! Es hört sich krass an, aber es war eine gelöste Stimmung obwohl "Totgeweihte" am Tisch saßen... Es war unsagbar schön, aber auch mit einer der letzten Tage wo Ma noch einigermaßen reagierte und auch sprach. Am nächsten Tag hatte ich Geburtstag, trotzdem war morgens mein erster Weg zu ihr, ich habe mit ihr gefrühstückt, gesprochen hat sie ja nicht mehr viel, aber ich erzählte ihr viel. Einige Tage später war es mit dem sprechen dann ganz weg, ab und zu drückte sie dann noch die Hand, wenn man ihre drückte. Auch das essen wurde weniger und sie schlief sehr viel. Am 15.07. sagte mir die Schwester, dass sie nicht mehr schlucken könne.... da dachte ich dann wirklich, lieber Gott nimm sie zu dir, lass es jetzt  nicht noch zur Qual werden! Wir haben ihren Mund immer ausgeprüht , sie wurde gewaschen und gelagert, gewickelt und gestreichelt und wir haben immer ihre CD's spielen lassen.. Manchmal bedankte sie sich mit einem kleinen lächeln....

Am Donnerstag, den 20.7. rief mich die Schwester an und meinte die Atmung hätte sich verändert. Ich war gerade auf dem Heimweg vom Geschäft und fuhr direkt ins Hospiz. Sie atmete rasselig, heißt die Atemwege füllten sich mit Schleim. Ich ging zum Arzt der mich krankschrieb, fuhr kurz heim und dann wieder ins Hospitz und schlief dort. Am nächsten Tag rief ich meinem Pa an und er kam dann morgens gleich rein. Ich bin dann heim und nachmittags wieder rein. Mein Pa meinte dann er könnte nicht heim, er könne sowieso nicht schlafen. Also meinte ich dann solle er drinnen bleiben und ich würde dann am Samstagmorgen kommen und ihn ablösen. So machten wir es dann auch. Am nächsten Morgen kam ich gegen 9.30 Uhr ins Hospiz, die Atmung war nicht mehr so rasselig, dafür atmete sie nun "hechelnd". Ich wollte meinen Pa heimschicken, aber er meinte er könne nicht heim, da haben wir ihm im "Raum der Stille" das Bett aufgeschlagen und gesagt, dann solle er wenigstens etwas schlafen. Ich blieb bei meiner Mutter. Dann kamen die Schwestern und meinten ich solle doch so lange ins "Wohnzimmer" gehen, sie würden sie wickeln und waschen und im Wohnzimmer würde ein "Neuer" ganz alleine sitzen. Da ging ich also ins Wohnzimmer und unterhielt mich mit dem älteren (93 Jahre) Mann und trank noch einen Kaffee. Eine Weile später kam eine Schwester und meinte ich solle kommen, die Atmung hatte sich wieder verändert, sie machte nun längere Atempausen... Ich blieb bei ihr am Bett und die Schwestern schauten immer wieder rein. Dann gab es Mittagessen und die Schwester meinte ich solle was essen gehen, sie bliebe so lange bei meiner Mutter. Ich ging kurz und aß eine Suppe und ging wieder zurück. Die Atmung wurde immer flacher, da wollte ich gerade meinen Vater holen, als er in der Türe stand. Ich holte ihm kurz etwas Suppe und er aß sie im Zimmer am Tisch. Dann saß er links und ich rechts am Bett und wir hielten ihre Hände.... Dann gegen 13.00 Uhr machte sie eine Atempause, ich dachte nun ist es vorbei, aber sie holte nochmal Luft um 13.10 machte sie nocheinmal kurz die Augen auf, schaute mich an und atmete ganz ruhig und tief aus......... wir warteten aber diesmal kam nichts mehr, sie war von uns gegangen..... Trotz dieser langen Vorbereitungszeit und allem wie es da so schön heißt, man hat Zeit Abschied zu nehmen, es tut unendlich weh!!

Man ist auf der einen Seite glücklich und froh, dass der geliebte Mensch sich nicht mehr quälen muss, aber auf der anderen Seite weiß man, dass man den geliebten Menschen nun gehen lassen muss! :'( :'( :'(
Da es zu der Zeit noch sehr heiß war, wurde am gleichen Abend um 18.00 Uhr eine Trauerfeier (die immer stattfindet) im Hospiz gemacht. Wir fuhren heim und riefen die nächsten Verwandten und Bekannten an und ich musste die Sache mit dem Beerdigungsinstitut klären. Meine Eltern hatten Jahre vorher schon entschieden, dass sie verbrannt werden. Die Trauerfeier war unsagbar schön, auch wenn das nun wirklich blöd klingt. Aber es war ein kurzes Revue passieren der Zeit im Hospitz, sie war ja doch über 3 Monate dort und man hatte sich doch recht gut kennengelernt. Ein Gebet und private Worte, es war wirklich ganz toll gemacht.

Vor ca. 3 Wochen bekam ich von einer Schwester Bilder zugeschickt, sie hatte diese am Geburtstag gemacht und ich hatte sie gebeten, dass ich davon Abzüge bekomme, ich habe den Brief geöffnet und geheult wie ein Schlosshund. Auch jetzt, wenn ich hier sitze und das schreibe, laufen mir die Tränen herunter, oftmals tagsüber wenn es irgendeine Situation gibt, sitze ich da und heule .... oder wie heute, wenn Momente, Tage oder Anlässe komme, wo ich sage, letztes Jahr war sie noch unter uns, zwar krank aber doch noch in der "guten" Phase ihrer Krankheit... Diese Anlässe hören nun dann so langsam auf, noch der Geburtstag meines Vaters und der Geburtstag meines Schwagers am Anfang Dezember, dann ist es damit vorbei... Weihnachten ist dann schon die Zeit, als meine Ma zwar bei uns war, aber schon im ".... Teil ihrer Krankheit" ich weiß nicht wie ich es nennen soll, schlechten, fiesen, bösen.... ich weiß es nicht.
Sie fehlt mir und sie wird mir immer fehlen, aber ich trage sie für immer in meinem Herzen und auf diese Weise ist sie auch für immer ein Teil von mir und bei mir!

Über die ganze Zeit der Krankheit war mir dieses Forum ein... Freund, Begleiter, Rettungsanker.... Menschen, die das gleiche Schicksal hatten wie ich, Fragen die man stellen konnte und gute und vor allen Dingen verständliche Erklärungen, Hoffnungen und doch auch immer wieder die brutale Realität.... All den Mitwirkenden, Nutzern  und Betroffenen möchte ich hier nochmals meinen Dank ausdrücken, dieses Forum war so ein bißchen das Licht am Ende des Tunnels, wenn man manchmal gar nicht mehr weiter wusste! Danke ;)

Anmari

  • Gast
Re:Meine Mum; ihr Kampf und ihr Leiden
« Antwort #1 am: 03. November 2006, 10:55:09 »
Hallo Bine,

ich finde es schön, dass du die Geschichte deiner Mutter noch einmal aufgeschrieben hast. Vieles davon erinnert mich an meine eigenen Erlebnisse mit meiner Mutter. Sie fehlt mir auch sehr, aber sie ist immer bei mir. In den letzten Tagen, zu Allerheiligen, kamen all die traurigen Erinnerungen noch mal besonders hoch.

Auch für mich war dieses Forum in der schweren Zeit eine grosse Stütze und Hilfe. Ohne die Schreiber/innen hier und all die Informationen und moralische Unterstützung wäre es noch 1000x schlimmer gewesen. Daher auch von meiner Seite an alle ein grosses und herzliches DANKESCHÖN!

Anmari

bine1990

  • Gast
Re:Meine Mum; ihr Kampf und ihr Leiden
« Antwort #2 am: 03. Januar 2007, 14:08:31 »
Hallo alle zusammen,
ich hoffe ihr konntet ein einigermaßen schönes und friedvolles Weihnachtsfest feiern, sowie einen "guten" Rutsch ins Neue machen. Die Frage bei vielen von Euch ist, was bringt uns das Neue Jahr? Neue Hoffnung, Verzweiflung, Kampf und leider sehr oft den endgültigen Abschied.
Meine Ma wurde am 22.07.06 von ihrem Leiden erlöst. Momentan durchlebe ich dieses letzte Jahr der Krankheit nochmal. Im November 05 wurde das Rezidiv festgestellt und im Dezember dann die 2. OP die, man muss es leider sagen, ein absoluter Fehlschlag war. Danach war es nur ein noch Kampf und Leiden für Sie. Am 30.12.05 dann als Pflegefall aus der Klinik entlassen und dann in liebevoller und aufopfernder Art, zusammen mit unserem hervorragenden Hausarzt, das "aupäppeln" von ihr. Sie hat ja nur gespuckt, erst durch die kontinuierliche Hochdosierung von Cortision, hatten wir sie Ende Januar soweit, dass sie nicht mehr spucken musste, oder nur noch ganz selten! Das war für alle eine kleine"Hoffnung". Aber auch das laufen, war absolut schlecht, klar es fehlte ja vorrangig auch die Kraft. Aber trotz Massage und Training, kam das nicht wieder, einzelne Schritte nur mit tatkräftiger Unterstützung, war alles was wir wieder erreichten.
Ich bin immer noch bestängig "stiller" Leser hier im Forum, man kann das ganze einfach nicht so schnell abschalten. Auch war ich vor Weihnachten wieder im Hospitz und habe dort die Schwestern wieder besucht, es war sehr nett, sie haben sich alle gefreut mich zu sehen, immerhin war Ma ja über 3 Monate dort!
Manchmal wenn ich die Berichte lese, wie man Hoffnung in etwas setzt und der Angehörige dies und jenes machen soll, will oder muss, denke ich für mich manchmal, wenn man die Erfahrung hat dann würde man vieles anders machen. Meine Mutter meinte damals nach der 1. OP sie würde sich nicht noch einmal operieren lassen (sie wusste genau wie krank sie war und der Arzt sagte ihr auch klipp und klar, dass es keine Heilung dieses Tumors gibt!). Vielleicht weil das 1/2 Jahr danach so gut verlief bei ihr oder warum auch immer, ließ sie sich doch nochmal operieren, leider. Als sie nach der 2. OP das erste mal so richtig ansprechbar war, sagte sie etwas, was mir immer noch im Kopf sitz "Warum, warum habe ich das getan?" Die zweite OP war für meine Mutter keine Lebensverlängerung sonderen eine Qual. Auch wenn sie vielleicht ohne diese 2. OP nur noch 3 Monate gehabt hätte, die wären jedoch bedeutend "schöner" abgelaufen, da sie bis zur OP keinerlei Schwierigkeiten hatte! Es war ihre Entscheidung aber ich denke, dass die Ärzte hier nur "probieren" wollten und dieses probieren ging irgendwie in die Hose.
Ich bin frustriert und unendlich traurig, da es immer noch keine Hilfe bzw. wirkliche Heilung von diesem "Scheißding" gibt. Heilung in der Art und Weise, dass die Betroffenen ohne langes probieren und testen ein einigermaßen "normales" Leben führen können und es sich wirklich um eine gute Lebensverlängerung und nicht um eine "qualvolle" Lebensverlängerung handelt. Dies wünsche ich von Herzen allen Betroffenen und Angehörigen.
Meine Mutter fehlt mir unendlich, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an sie denke, oftmals an die schönen Zeiten aber auch noch sehr, sehr oft an die schweren Zeiten zum Ende hin  :'(

 



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