HirnTumor-Forum

Autor Thema: Der Versuch loszulassen (GBM IV)  (Gelesen 20629 mal)

Sabin

  • Gast
Der Versuch loszulassen (GBM IV)
« am: 28. Februar 2006, 01:41:52 »
Guten Abend, nach längerer Unsicherheit werde ich mich jetzt doch vorstellen und mich in die Liste der verzweifelten Angehörigen einreihen.
Zu unserer Geschichte:
Mein jüngerer Bruder kam im juli 2005 ins krankenhaus nachdem er mehrere fokale anfälle in seinem rechten arm hatte. Zwei wochen später, in denen ich mit seiner freundin bei ihm im krankenhaus war, wurde das, was ich als ehemalige krankenschwester auf den bildern und anhand der gespräche der ärzte gedeutet habe, wahr und  dann stand die diagnose fest: tumore, und  nach op  auch das böse wort glioblastom grad IV. der erste arzt auf der neurologischen station war unglaublich toll, die darauffolgenden *nur* distanziert professionell. bei der mitteilung der diagnsoe war uns dreien extrem übel, extreme anspannung und die erde schien still zu stehen.
Er ist 28, hat mehrmals die woche sport getrieben, lebte gesund, kein alkohol, keine zigaretten, toller job ( selbständig mit seinem wunschberuf) und ne klasse frau an seiner seite.
Die therapie so wie hier oft geschrieben, bestrahlung, temodal.
Es ist ein drahtseilakt einem kranken, der von allen seiten infos, Tipps und tricks erhält, beim filtern zu helfen und ihn auf das wesentliche hinzuweisen ohne seine belastungsgrenze zu überschreiten. Er könnte sicherlich noch *mehr* tun, aber der eigene wunsch, dass er noch mehr kämpft und tut, ist egoistisch, und alles vermeintlich wichtige muss dosiert an ihn herangetragen werden. seine einstellung und seine kraft ist bewundernswert. Er tut viel für sich, lässt es sich, wenn er kann gut gehen, lässt sich massagen geben und lernt zu meditieren und zu visualisieren. Leider kam Freitag mitten beim umzug in seiner heimatstadt dann der dritte befund, vom letzten mrt und die tumore sind innerhalb von etwas über 10 wochen unbeeindruckt von chemo und co auf die vierfache fläche weiter gewachsen. Er leidet sehr unter der temodaltherapie, kann ab dem 3. tag im zyklus dann nichts mehr essen.
Es fällt so schwer loszulassen , es anzunehmen, dass er gehen wird, die eigenen erwartungen zu begrenzen. Es ist unglaublich was an emotionen frei wird, wie die menschen um ihn herum reagieren und agieren. Ich habe oft das gefühl jeden moment zusammenzubrechen, und weiß doch, dass nicht ich es bin die gehen muss und schäme mich dann sehr.
Ich habe oft gelesen was hier alle geleistet haben, fragte mich oft wie man es durchhalten kann. Es  wird bei uns zwar geredet, nichts totgeschwiegen, dennoch scheint jeder sich ein stück weit in sich zurückgezogen zu haben und überall spürt man die unsicherheit wenn man reden möchte, da jeder an einem anderen punkt steht. Jeder will stark sein, und eigentlich ist es in wirklichkeit nur mein bruder.
Ich bin froh, dass es dieses forum gibt, in erster linie in bezug auf das zwischenmenschliche. Es hilft mir meine trauer und inzwischen auch hin wieder etwas wut rauszulassen zu können, einfach beim lesen eurer geschichten.
DANKE
S.
« Letzte Änderung: 18. August 2006, 20:19:26 von Ulrich »

Anmari

  • Gast
Re:Der Versuch loszulassen
« Antwort #1 am: 28. Februar 2006, 09:06:15 »
Liebe Sabin,

dein Bericht hat mich sehr berührt. Es ist immer besonders traurig, wenn ein so junger Mensch, der mitten im Leben steht und eigentlich noch so viel vor sich haben sollte, von dieser schrecklichen Krankheit getroffen wird.

Ich glaube, dir geht es wie vielen von uns: man möchte so gern helfen, alles für den Angehörigen tun und steht letztlich doch so hilf- und machtlos da. Wir meinen, es nicht zu verkraften, sind verzweifelt und schaffen es irgendwie doch. Bei der Pflege und Betreuung wird oft Unglaubliches geleistet, weil jeder seine letzten Kräfte mobilisiert. Ganz neue Themen, die man bisher so weit weg vermutete oder die einfach tabu waren, sind plötzlich aktuell. Oft denke ich aber, die Allerstärksten in unserem Kreise sind die Kranken selbst.

Ich wünsche dir und deinen Lieben alles Gute und deinem Bruder einen so erträglichen Weg wie möglich.

Anmari

RR

  • Gast
Re:Der Versuch loszulassen
« Antwort #2 am: 18. April 2006, 00:01:26 »
Liebe Anmari, liebe Sabin und liebe andere Betroffene,

ich musste mich eine Weile orientieren, um herauszufinden, unter welcher Übeschrift meine derzeitigen Ängste und Sorgen am besten einzukategorisieren sind - ich glaube hier sind sie richtig. Vielleicht will ich mir im Moment auch nur die Angst von der Seele schreiben ohne mit jemandem sprechen zu müssen.

Ich habe so Angst, daß wir bald den Kampf gegen diese ungemeine Krankheit Glio IV verlieren.

Mein Mann wurde im Nov 05 diagnostiziert (siehe meine Einträge)...
Nun musste er seinen ersten Temodal Zyklus nach drei Tagen abbrechen, da hohes Fieber folgte (einschließlich mal wieder einer Harnwegsinfektion). Keine 4 Tage später folgte gestern wieder ein Krampfanfall und erneut hohes Fieber in der Nacht. Da ich meinen Mann zu Hause pflege bin ich nun komplett hin- und hergerissen von den Notdienst habenden Ärzten, wenn sie mir sagen "das ist nur Fieber, machen sie mal Wadenwickel und geben sie Paracetamol". Mein Mann scheint keinerlei Abwehrkräfte mehr zu haben, jeder Luftzug haut in im Sinne des Wortes einfach um!

Ist es denn wirklich "nur" ein Infekt (mir kommt es manchmal vor, als ob er Antibiotikum für den Hunger isst)?? Hat jemand ähnliches erlebt?

Ich habe so Angst, er schläft beinahe den ganzen Tag im Stuhl vor sich hin, wenn er wach ist, dann ist er sehr aggressiv und aufbrausend oder dann auch wieder hilflos und einfach nur müde. Keine normale Unterhaltung ist im Moment mehr möglich, da er sehr verwirrt und müde ist. Keinerlei Konzentration.

 Ich habe so Angst, unsere ganze Beziehung beschränkt sich nur noch auf das elementar Wichtige. Es ist so schrecklich so hilflos daneben zu stehen und mit aller Hilfe nicht wirklich helfen zu können.

Ich hoffe, ich werde jetzt nicht mit vielen Fragen durchlöchtert, vielleicht möchte ich einfach nur wissen, ob jemand mit mir fühlen kann. Ob jemand etwas ähnliches erlebt oder erlebt hat? Es ist so schlimm, wir sind noch so eine junge Familie, aber das Schicksal fragt einfach nicht, ob jung oder alt oder arm oder reich.

Mein Mann ist so verschlossen, redet nicht mit mir, will nur in Ruhe gelassen werden, redet nicht über die Krankheit. Verdrängt alles komplett. Es nimmt einem irgendwie die Kraft um positiv zu denken. Wo es doch zwischendurch auch mal wieder Höhen gab....

Bergziege

Anmari

  • Gast
Re:Der Versuch loszulassen
« Antwort #3 am: 18. April 2006, 12:49:33 »
Liebe Bergziege,

ich kann gerade im Moment sehr gut nachvollziehen, wie du dich fühlst. Meiner Mutter geht es leider auch sehr schlecht  - OP, Bestrahlungen, Temodal haben nichts gebracht, das Rezidiv wächst und sie ist inzwischen rechtsseitig gelähmt und kann sich nicht mehr verständlich machen. Eine richtige Unterhaltung ist auch mit ihr nicht mehr möglich und das finde ich bisher das Allerschlimmste an dieser Krankheit. Sie möchte sich mitteilen und es geht nicht. Ich möchte mich mit ihr austauschen, um ihr ihre letzten Wünsche zu erfüllen oder ihren Bedürfnissen gerecht zu werden, aber es ist nicht möglich.

Das ist schon sehr schlimm und hart zu ertragen, wenn es sich um die Mutter handelt - beim Lebenspartner ist es wohl noch viel schlimmer. Hinzu kommt deine Unsicherheit, ob du alles richtig machst, weil du ihn zu Hause pflegst.  

Ich weiss nicht, was ich dir raten kann, weil ich mit den Symptomen, die dein Mann hat, keine Erfahrung habe. Ich denke aber, dass es wohl notwendig wäre, nicht nur die Notdienst-Ärzte zu befragen, sondern auch euren Neurologen hinzuziehen. Vielleicht gibt es Wege, das Immunsystem deines Mannes wieder zu stärken oder überhaupt die Symptome zu lindern, durch Cortison oder was auch immer. Bei der Krankheit und dem geschwächten Allgemeinzustand ist es sicher mit Wadenwickeln und Paracetamol nicht getan. Vielleicht würde es dir persönlich auch helfen, psychologischen Beistand zu suchen, damit nicht eure Familie so sehr darunter leiden muss und du dir deine Sorgen von der Seele reden kannst.

Ich denk an dich und wünsch dir viel viel Kraft und starke Nerven!

Alles Liebe
Anmari

Offline Bea

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Re:Der Versuch loszulassen
« Antwort #4 am: 18. April 2006, 16:01:16 »
Hallo Sabin,
hallo Bergziege!

Es ist schwer die richtigen Worte zu finden. Es ist auch sehr sehr schwer diesen Weg mitzugehen - keine Frage!

Am Wochenende habe ich in einigen Bänden der Deutschen Krebshilfe gelesen und war sehr positiv überrascht was die Betreuung der Angehörigen angeht. Das ist derzeit auch hier bei uns ein Thema.

Wenn auch die Praxis immer anders ist als das, was man raten kann so denke ich doch, dass ihr alle auch Zeit für euch selbst benötigt.
Die Stärke der Betroffenen richtig einzuordnen ist sicher auch nicht so ganz leicht.

Reden ist auch für uns hier sehr sehr schwer.
Als Betroffene habe ich auch erstmal das Problem meine Gedanken zu ordnen, meine Gefühle zu deuten um dann damit umzugehen.
Es dauert, bevor man Worte angemessen aussprechen kann.

Nicht zu vergessen: In einer solchen Situation lernen wir Betroffene uns auch selbst von einer ganz anderen Seite kennen.
Auch wir haben Verlustängste.
Und auch die schönen Dinge, die die Umwelt als etwas Positives ansieht, können schmerzen. Weil mann sie so stark fühlt und weil man nicht weiß wie oft man sie noch empfinden kann.

Alles erdenklich Gute und enorm viel Kraft wünscht
Bea

Schnipsi

  • Gast
Re:Der Versuch loszulassen
« Antwort #5 am: 18. April 2006, 20:41:23 »
Hallo meine Lieben,

auch ich wünsche allen hier Kraft und Ausdauer , diese Zeit durchzustehen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ich bin bei Euch, so wie ich bei meinen Papa bin.

Alles Liebe
Doris

RR

  • Gast
Re:Der Versuch loszulassen
« Antwort #6 am: 18. April 2006, 23:02:44 »
Hallo Sabin, Anmari, Bea und Schnipsi,

nachdem es heute wieder er Horrortag schlechthin für uns war, hat sich die Lage heute Abend insofern beruhigt, daß er zumindest etwas essen und getrunken hat. Immerhin etwas. Und einen kleinen Spaziergang haben wir auch noch gemacht - auf die Gefahr hin, daß er heute Nacht wieder fiebert etc.

Vielen Dank für Eure Beiträge, es tut einfach so gut zu lesen, daß hier Leute im Forum sind, die wissen, um was es geht und die einem auch einfach die Kraft geben, weiterzumachen dort wo man gerade ist.

Ich habe mit dem Neurologen in der Klinik Kontakt aufgenommen. Morgen früh werden die aktuellen Blutwerte vorliegen und dann werden wir weitersehen, woran es im Moment liegt. Ob es sich wirklich um Infekte handelt oder ob es nicht doch Teil dieser Krankheit ist, dass er leider immer wieder erhöhte Temperatur zeigt und nichts isst und trinkt...

Schön, dass es Euch gibt. Es tut so gut, nicht alleingelassen zu sein mit all seinen Sorgen.

Bergziege

Sabin

  • Gast
Re:Der Versuch loszulassen
« Antwort #7 am: 18. April 2006, 23:38:48 »
ja, ja und nochmals ja, es tut gut zu wissen, dass es menschen gibt, die diese ängste, diese anstrengungen und leistungen nachvollziehen können. auch wenn ich wirklich tolle freunde habe, ist es hier eine andere ebene, obwohl ich euch ja nicht einmal persönlich kenne.

mein bruder liegt grad auf tahiti in einem krankenhaus, sein letzter wunsch 6 wochen dort  im hotel und am strand zu verbringen ist nach 1,5 wochen gescheitert und er kann auf einmal nicht mehr laufen. immerhin konnte ich heute mit seiner frau telephonieren, er ist abgeschirmt wegen infektionsgefahr, nach einem neuen chemoversuch, nachdem temodal nicht gewirkt hat -sind seine werte verzögert so schlecht geworden. wir hoffen alle, dass er bald reisefähig ist, fliegen darf und die versicherung ihnen keinen strich durch die rechnung macht.
ich bin so dankbar, dass es das telephon gibt und ich 10 minuten mit ihr sprechen konnte, einen eindruck gewinnen konnte, was die beiden aus der situation machen und zu versuchen ihre stimmung zu stärken.
mittags noch am heulen, abends nach dem gespräch so dankbar. gefühlswellen ohne ende.
danke auch an bea, für deine ehrliche und offene art. es bleibt bei uns wenig raum und zeit über die gefühle und gedanken von meinem bruder zu sprechen und so tut es gut von dir zu lesen. mein bruder will stark sein und sein humor ist unglaublich, dass es fast schmerzt. ich denke aber, dass es sein weg ist und er ihn auch so gehen muss.

bergziege, dir wünsche ich noch ein paar appetitreiche und sonnige tage, kleinigkeiten die einem enorm gut tun, wie ein kurze telephonat eben ;-).
 liebe grüße sabin


Offline sonnenlicht

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Re:Der Versuch loszulassen
« Antwort #8 am: 19. April 2006, 10:31:37 »
Guten Abend, nach längerer Unsicherheit werde ich mich jetzt doch vorstellen und mich in die Liste der verzweifelten Angehörigen einreihen.
Zu unserer Geschichte:
Mein jüngerer Bruder kam im juli 2005 ins krankenhaus nachdem er mehrere fokale anfälle in seinem rechten arm hatte. Zwei wochen später, in denen ich mit seiner freundin bei ihm im krankenhaus war, wurde das, was ich als ehemalige krankenschwester auf den bildern und anhand der gespräche der ärzte gedeutet habe, wahr und  dann stand die diagnose fest: tumore, und  nach op  auch das böse wort glioblastom grad IV. der erste arzt auf der neurologischen station war unglaublich toll, die darauffolgenden *nur* distanziert professionell. bei der mitteilung der diagnsoe war uns dreien extrem übel, extreme anspannung und die erde schien still zu stehen.
Er ist 28, hat mehrmals die woche sport getrieben, lebte gesund, kein alkohol, keine zigaretten, toller job ( selbständig mit seinem wunschberuf) und ne klasse frau an seiner seite.
Die therapie so wie hier oft geschrieben, bestrahlung, temodal.
Es ist ein drahtseilakt einem kranken, der von allen seiten infos, Tipps und tricks erhält, beim filtern zu helfen und ihn auf das wesentliche hinzuweisen ohne seine belastungsgrenze zu überschreiten. Er könnte sicherlich noch *mehr* tun, aber der eigene wunsch, dass er noch mehr kämpft und tut, ist egoistisch, und alles vermeintlich wichtige muss dosiert an ihn herangetragen werden. seine einstellung und seine kraft ist bewundernswert. Er tut viel für sich, lässt es sich, wenn er kann gut gehen, lässt sich massagen geben und lernt zu meditieren und zu visualisieren. Leider kam Freitag mitten beim umzug in seiner heimatstadt dann der dritte befund, vom letzten mrt und die tumore sind innerhalb von etwas über 10 wochen unbeeindruckt von chemo und co auf die vierfache fläche weiter gewachsen. Er leidet sehr unter der temodaltherapie, kann ab dem 3. tag im zyklus dann nichts mehr essen.
Es fällt so schwer loszulassen , es anzunehmen, dass er gehen wird, die eigenen erwartungen zu begrenzen. Es ist unglaublich was an emotionen frei wird, wie die menschen um ihn herum reagieren und agieren. Ich habe oft das gefühl jeden moment zusammenzubrechen, und weiß doch, dass nicht ich es bin die gehen muss und schäme mich dann sehr.
Ich habe oft gelesen was hier alle geleistet haben, fragte mich oft wie man es durchhalten kann. Es  wird bei uns zwar geredet, nichts totgeschwiegen, dennoch scheint jeder sich ein stück weit in sich zurückgezogen zu haben und überall spürt man die unsicherheit wenn man reden möchte, da jeder an einem anderen punkt steht. Jeder will stark sein, und eigentlich ist es in wirklichkeit nur mein bruder.
Ich bin froh, dass es dieses forum gibt, in erster linie in bezug auf das zwischenmenschliche. Es hilft mir meine trauer und inzwischen auch hin wieder etwas wut rauszulassen zu können, einfach beim lesen eurer geschichten.
DANKE
S.



Hallo Sabin, ich habe eben Tränen bekommen als ich die Geschichte (Leidensweg) deines Bruders las! So Traurig und Kraftvoll zugleich rührt es in mir wenn ich die Geschichte inne nehme..

Ja er ist Jung und das macht es mir noch schwerer immer wieder aufs neue Begreiffen zu müssen das auch junge Menschen es treffen  kann, da frag ich mich wo Das Schicksal gerecht ist??
Es ist nicht gerecht das ein Mensch wie dein Bruder der nicht Raucht, der keinen Alkohol zu sich nimmt, Sport macht und doch Leiden muss am verdammten Krebs und dann noch in der übelsten form?!
Ich werds niemals Raffen!

Und werde Wütend bei dem Gedanken das es immer die falschen trifft!


Ich wünsche deinem Bruder Glück aber was ist für ihn schon Glück?
Nein, ich wünsche Ihm viel viel Kraft!

Alles Liebe und gute!

Anmari

  • Gast
Re:Der Versuch loszulassen
« Antwort #9 am: 20. April 2006, 12:15:37 »
Liebe Bea,
es ist gut, die Dinge von dir auch einmal aus der Sicht eines Betroffenen zu lesen. Die meisten Forumsmitglieder hier sind ja Angehörige von Kranken, und von "unseren" Patienten hören wir leider - aus Rücksichtnahme oder auch, wie du schreibst, weil natürlich die Betroffenen selbst am allermeisten lernen müssen, mit der Diagnose umzugehen oder schliesslich, wie jetzt bei meiner Mutter, weil sie sich nicht mehr artikulieren können  - viel zu wenig darüber, wie sie sich fühlen und welche Ängste sie plagen.

Was du über die Bände der Krebshilfe schreibst, würde mich interessieren. Welche Bände sind das? Von Betreuung der Angehörigen habe ich nämlich noch nicht viel gelesen oder gar gespürt.

Euch allen alles Liebe!
Anmari

tintschi

  • Gast
Re:Der Versuch loszulassen
« Antwort #10 am: 24. April 2006, 17:45:25 »
Hallo,

ich bin ganz neu bei Euch im Forum und wollte Euch allen nur sagen, dass ich Euch bewundere, wie Ihr mit dieser furchtbaren Krankheit umgeht.
Mein "Schwiegervater" gerade 60 geworden wurde zu Weihnachten zum ersten Mal operiert und es stellte sich nach der ersten harmlosen Diagnose als Glioblastom IV heraus. Die Ärzte haben uns komplett alleine gelassen und uns ungefähr so informiert: "naja sie müssen ich damit abfinden dass ihr Vater in absehbarer Zeit von Ihnen gehen wird, man kann da halt nicht viel machen" und so haben sie ihn auch behandelt. Und auch uns, wir haben nur spärliche Infos erhalten etc. Was vielleicht auch daran liegt, dass wir in einer anderen Stadt leben. Aber das kann es doch auch nicht sein - oder?
Jetzt hat er die Strahlentherapie und die zweite Phase Temodal hinter sich. Den zweiten Run von Temodal hat er dann leider bekommen, als er eine leichte Grippe hatte und daher liegt er jetzt mit Lungenentzündung im Krankenhaus, wo er nur sehr schwer Luft bekommt und jetzt so glaube ich realisiert, was mit ihm passiert. Zuvor hat er immer gehofft, dass es von alleine besser werden wird.
Mir fällt es zunehmend schwerer meinen Freund zu motivieren und ihm gut zuzureden. Er ist so verzweifelt, da er auch vor 13 Jahren seine Mutter an Krebs verloren hat und das noch immer nicht richtig verarbeitet hat. Jetzt kommt das alles nochmals hoch und er tut mir halt so unendlich leid, dass er bald keine Eltern mehr haben wird (er hat dann nur noch seine Schwester) und ich habe alle noch. Unser Leben dreht sich nur noch um diese Krankheit. Wir fahren seit Weihnachten alle zwei Wochen 330 km nach Hause, um bei ihm zu sein und langsam geht uns die Luft aus. Aber das Schlimmste ist, dass mein Freund mit allem und vor allem dem Leben im allgemeinen hadert. Er wird immer zynischer und aggressiver und sieht keinen Sinn mehr im Leben. Das macht mir wirklich Angst und ich möchte ihn nun zu einer Therapie raten, denn er hat schon einiges an Gewicht verloren und kann ohne Phsychopharma nicht mehr schlafen. Vielleicht ist es jemanden von Euch auch so ergangen und er kann mir einen Rat geben. Langsam weiß auch ich keinen Rat mehr.

Danke für Eure Hilfe

Anmari

  • Gast
Re:Der Versuch loszulassen
« Antwort #11 am: 25. April 2006, 11:58:49 »
Liebe Tintschi,
willkommen bei uns im Forum - auch wenn leider der Anlass, sich hier zu "treffen" immer ein trauriger ist. Es tut mir leid, dass auch ihr mit all den Problemen zu kämpfen habt, die die Diagnose Glioblastom mit sich bringt.

Die Erfahrungen, die ihr mit den Ärzten macht, sind wohl leider kein Einzelfall. Ich kann dir nur raten, selbst immer aktiv zu werden, um Gesprächstermine zu bitten, telefonische oder persönliche, und dich vor allem mittels Internet genau zu informieren, so dass du gezielte Fragen stellen kannst. Meistens sind die Ärzte etwas zugänglicher und kommunikativer, wenn sie merken, dass sie es mit einem informierten Menschen zu tun haben. Und: ruhig penetrant und notfalls auch ungemütlich und deutlich werden.

Mit dieser Krankheit fertig zu werden, ist wirklich schwer und es ist eine sehr schwierige Zeit, die man auch als Angehöriger durchmacht. Dass dein Freund sehr darunter leidet, kann ich verstehen, zumal es für euch auch aufgrund der Distanz eine besondere Belastung ist. Trotzdem gehören Krankheit und Sterben auch zum Leben dazu, und damit muss man irgendwie umzugehen lernen.  Ich glaube, es wäre wirklich gut, wenn du deinen Freund davon überzeugen könntest, sich professionelle Hilfe zu holen.

Alles Gute für euch alle und viel Kraft!
Anmari

Offline Bea

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Re:Der Versuch loszulassen
« Antwort #12 am: 25. April 2006, 16:29:44 »
Hallo zusammen!

Tintschi, willkommen hier im Forum!
Kann mich Anmari nur anschließen, fachliche Hilfen sind manchmal unumgänglich.

Das merke ich derzeit selbst leider auch. Deshalb war ich auch einige Zeit nicht hier.
Mir wird momentan schnell alles zuviel und mein Körper zeigt dann entsprechende Reaktionen.
Zynisch wurde ich auch. Das hat sich ein wenig gelegt. Meine Aggressionen fast komplett.
Es ist eine Art mit der Situation umzugehen. Für die Angehörigen ist es aber eine sehr schlimme Art, wie ich finde.

@Anmari: Sorry, beantworte leider erst jetzt deine Frage zu den Bänden. Es sind "Die blauen Ratgeber". Band 30 heißt "Hilfen für Angehörige. Herausgeber: Deutsche Krebshilfe e.V, 53111 Bonn.
Bei der Krebshilfe in Köln habe ich am Donnerstag einen Termin.
Im telefonat wurde mir schnell klar, dass man mir dort viele Fragen zur weitern "Behandlung" bzw. zum Umgang mit dieser Krankheit geben kann.

LG & alles Liebe,
Bea

Schnipsi

  • Gast
Re:Der Versuch loszulassen
« Antwort #13 am: 25. April 2006, 19:22:05 »
Hallo Tintschi,

es mag kein Trost sein, aber meinem Vater ist auch in der Zeit nicht geholfen worden, im Gegenteil, es ist als ob sich niemand dafür interessieren würde.
Auch ich wohne nicht in der Nähe von meinen Eltern und bin bis vor kurzem noch jedes WE nach Hause gefahren, was mich aber seelisch fertig machte.
Man kann viel Kraft im Lesen dieser Beiträge hier sammeln, einfach, dass es nichts anderes gibt, was besser sein könnte oder was man zusätzlich machen kann. Leider bekommst Du von hochprofessionellen Kliniken oder Professoren keine Antwort und keine Hilfe (auch unser Neurologe ist nicht sehr hilfreich und interessiert sich nur für die Fakten). Ich finde diese Forum bereitet einen vor, was noch alles kommen kann.
Ich habe auch ein Buch gelesen "The Journey...Der Highway zur Seele" und habe einfach noch nicht den Glauben und die Hoffnung auf Rettung aufgegeben. Ich versuche mich nur von solchen Büchern zu "ernähren", auch Dr. Joseph Murphys "Macht des Unterbewußtseins" ....es ist schwierig, ja, aber ich finde da ist was dran.
Und dann denke ich, wenn ich so voll geladen bin mit positiven Denken, kann ich gut meinem Papa gegenübertreten und ihm von der Energie abgeben.

Alles Gute für Euch und viel positive Energie.
Doris










Anmari

  • Gast
Re:Der Versuch loszulassen
« Antwort #14 am: 26. April 2006, 09:37:40 »
Guten Morgen an alle,

Bea, danke für die Info über die Krebshilfe-Bände. Es ist bestimmt eine gute Idee, wenn du dort ein Gespräch führst. Lässt du uns anschliessend wissen, wie's war?

Schnipsi, ich bin ganz deiner Meinung. Wir können unseren Angehörigen nicht helfen, wenn wir selbst verzweifeln und schlecht drauf sind. Sie brauchen unsere Kraft und unseren Optimismus. Tintschi, vielleicht sprichst du mit deinem Freund auch mal darüber, dass er seinen Vater am besten unterstützen kann, wenn er selbst seinen Lebensmut behält und seine Energie für seinen Papa mit nutzt.

Von einem gelegentlichen Zynismus kann ich mich leider auch nicht freisprechen, Bea. Vor allem gegenüber anderen, die irgendwelche "blöden" Bemerkungen machen, kommt von mir auch schon mal der eine oder andere Kommentar, den ich dann anschliessend bereue. Sie machen es ja nicht absichtlich, sondern aus Unwissenheit oder Hilflosigkeit.

Auch mir hat dieses Forum im letzten Jahr sehr geholfen. Hätte ich euch nicht, wäre ich überhaupt nicht auf die Krankheit vorbereitet gewesen und es stimmt auch, was Schnipsi sagt, man hat ein beruhigenderes Gefühl, wenn man weiss, dass man alles getan hat, was möglich ist und dass es nichts anderes mehr gibt.  

Liebe Grüße an euch alle
Anmari

 



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