Liebe Shirley,
es geht mir wieder so, dass ich mit schlechtem Gefühl in die Zahl der Beiträge eindringe, die dir ihr Beileid und Trost aussprechen.
Ich weiß aber sonst nicht, wohin mit meiner Frage.
Ich hoffe, alle, die dir Trost zusprechen möchten, lassen sich darin nicht unterbrechen, wenn ich von etwas ganz anderem schreibe.
Persönlichkeitsveränderung oder endlich mal gesunde Reaktion?
Ich zweifle seit gestern an mir, frage mich, wie ich so heftig reagieren konnte.
Es geht um folgendes:
Eine gute alte Bekannte, die ich in unregelmäßigen Abständen treffe, voll informiert über meine Krankheit und den bei einem Glio IV meist üblichen Verlauf. Ihre Reaktion darauf ärgert mich schon lange. Einerseits fragt sie viel, was ich grundsätzlich mag, bei ihr allerdings habe ich immer eher das Gefühl von bloßer Neugierde bis hin zu einer gewissen Sensationslust. Nie ein mitfühlendes Wort, geschweige denn ein Angebort zur Hilfe.
Tendenz ihrer Worte: warum ich mir bloß Sorgen mache. Es muss doch nicht so kommen, wie der Verlauf es üblicherweise vorhersagt. Sie würde ganz locker damit umgehen und sich keine Sorgen machen.
Gestern hatte ich sie erstmals seit meiner letzten MRT am Telefon und erzählte auf ihre Frage, wie es mir ginge, daß ich wohl nächste Woche wieder operiert werde, weil ich ein Rezidiv habe, und dass es mir deshalb nicht so gut geht.
Ihre Reaktion: Wenn ich doch noch gar nicht weiß, ob ich operiert werde, warum ich mir denn darüber Gedanken mache. Sie habe ja immer gesagt, mit dieser Einstellung mache ich mir doch bloß das Leben schwer. Sie würde ganz anders damit umgehen, locker. So, wie ich es mache, habe ich ja selbst Schuld, wenn ich die Sorgen herbeirede. Sie kenne so viele, die Krebs haben und geheilt wurden. Und bla bla bla
Ich bin explodiert.
Ich habe sie dermaßen angebrüllt, dass Ihr es eigentlich hättet hören müssen, egal, wo Ihr wohnt.
Habe Ihr all das durch den Telefonhörer gebrüllt, was mich bei ihr und manchen nervt und was schmerzt: Dieses Nichtigmachen, um sich der Verantwortung zu entziehen, mal Hilfe zu leisten, sei es tatkräftig oder auch nur durch Zuhören und sich einfühlen.
Ich habe SO laut geschrien und sie runtergemacht, wie ich es noch nie in meinem Leben mit irgendeinem Menschen getan habe. Ich kenne mich so gar nicht.
Nun denke ich immer darüber nach, ob das endlich mal eine gesunde Reaktion war auf all das ignorante Verhalten vieler Menschen, und sie hat nun leider meinen aufgestauten und gesammelten Frust abbekommen.
Oder ist es eine der im Verlauf der Hirntumorerkrankung bekanntn auftretenden Persönlichkeitsveränderungen, die mich so hat ausrasten lassen??
Ich glaube, Ihr könnt mir die Antwort auch nicht wirklich geben. Es hat mir gut getan, es mal aufzuschreiben, euch zu erzählen. Damit hat es ja auch schon einen Sinn erfüllt