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Autor Thema: Vorstellung-paula2001 (Freundin eines Betroffenen)  (Gelesen 8058 mal)

Offline paula2001

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Vorstellung-paula2001 (Freundin eines Betroffenen)
« am: 07. Januar 2012, 23:22:06 »
guten abend zusammen,

ich weiß gar nicht, ob ich hier überhaupt schreiben darf. ich bin keine ehefrau, keine tochter, kein sohn.

mein sehr guter freund ist krank. im mai/juni 2011 hatte er erstmals zwei leichte bis mittlere epileptische anfälle. dann im september einen schweren, mit 5 tagen intensivstation, wobei er sich erst wieder an die beiden letzten tage dort erinnern kann. die zeit von kurz vor dem anfall bis zu diesen beiden letzten tagen ist wie ausgelöscht. bei den zahlreichen untersuchungen kam dann nach 14 tagen der befund, dass sich an seiner linken seite oberhalb des ohres ein tumor befinde, der nach einer woche operativ entfernt wurde. er erholte sich sich von der op relativ gut, die wundheilung verlief ohne komplikationen und nach zwei wochen schloß sich die bestrahlung und die chemotherapie an. ich weiß nicht welche er bekam. es waren tabletten.

die letzte bestrahlung bekam er vor weihnachten. während all dieser zeit wurde er zunehmends vergeßlicher, durch die bestrahlung auch schlapp, das lesen klappte nicht mehr und einige wörter fehlen immer mal wieder.

die schlappheit ist nunmehr etwas weniger geworden, körperlich ist er eigentlich ganz fit. dass gedächtnis spielt nicht immer so mit, aber es ist auf einem stand, mit dem man durchaus leben kann.

in der kommenden woche geht er nun für 3 wochen zur reha und daran anschließend wird eine chemotherapie begonnen - wieder in tablettenform allerdings mit 3facher dosis.

bei euch lese ich nun, wie liebevoll ihr mit euren partnern umgeht und wie ihr versucht, den weg gemeinsam zu gehen. da liegt nun mein problem.

mein freund ist 53 jahre, ist seit über zwanzig jahren verheiratet und hat 2 junge erwachsene söhne und eine jüngere tochter. und es knallt dort ständig. ein miteinanderleben ist kaum möglich. gespräche überhaupt nicht. er ist daheim sehr aggressiv und zeigt dort ein ganz anderes verhalten als zb mir, seiner schwester oder anderen freunden gegenüber. er weiß das auch selbst, spürt eine ungeheure aggressivität gegen seine frau und fühlt sich von ihr allein gelassen und nicht ernst genommen. mit anderen ist er sehr freundlich, spricht ruhig über seine krankheit, seine ängste, seine probleme damit - auch wie unverstanden er sich daheim fühlt.

habt ihr diese aggressionen zu den nächsten angehörigen auch kennengelernt? ist das ein teil des krankheitsbildes? es macht mich so traurig, dass zu dem ganzen leid, das diese krankheit schon beinhaltet auch noch der kummer mit der familie so unglücklich macht. ich muss dazu sagen, dass es schon vor der diagnose diese probleme innerhalb der familie gab. nun habe ich angst, dass er dabei noch mehr kraft lassen muss, die er doch so dringend für seine krankheit braucht.

viele liebe grüße an euch und ich bewundere, wie ihr mit euren lieben umgeht - obwohl es auch euch zerreissen muss.
« Letzte Änderung: 07. Januar 2012, 23:31:13 von paula2001 »

Offline BumbleBee

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Re:Vorstellung-paula2001 (Freundin eines Betroffenen)
« Antwort #1 am: 08. Januar 2012, 13:09:59 »
Liebe Paula!

Natürlich bist Du hier richtig - es geht nicht darum, ob Du die Frau, der Mann, der Sohn oder die Tochter bist - Du bist hier auch als Freundin richtig! Ich denke, ich spreche hier für alle Forenmitglieder (wenn nicht, raus damit ;-) )

Bei mir ist es meine Mama, die betroffen ist (sie ist 59 Jahre alt). Und Gott sei Dank ist sie nicht aggressiv. Aber ich kenne es aus meinen früheren Jobs in Kliniken und Praxen, dass es auch kranke Menschen gibt, die so ihren Familien gegenüber reagieren. Das war für mich als Außenstehende auch immer sehr schwierig mit anzusehen und ich kann nur annähernd nachvollziehen, was das für Dich bzw. die Familie Deines Freundes bedeutet.

Ich habe gelesen, dass er jetzt für 3 Wochen in Reha geht. Ich denke und hoffe, dass er dort psychologische Mitbetreuung bekommt und es danach für die Familie einfacher wird. Ich kann nur mutmaßen, was in ihm vorgeht, kann mir aber nicht vorstellen, dass die Aggression direkt vom Gehirn kommt (da er ja wie Du sagst zu Freunden ganz anders ist). Ich denke, dass er einfach Angst hat und eine große Verantwortung gegenüber seiner Familie sieht, die er seiner Meinung nach als Erkrankter nicht einhalten kann.

Auch wenn es als Angehöriger weh tut, man muss Verständnis zeigen und es immer und immer wieder versuchen. Auch Du - aber ich würde an Deiner Stelle ganz vorsichtig sein, nicht, dass er dann auch noch quasi "seinen letzten Halt" bezüglich seiner Aggression verliert und sich auch seinen Freunden gegenüber verschließt.

Es ist schwer zu erklären für mich, tut mir leid :-( Aber ich drücke Dich und wünsche nur das Allerbeste!!!!

Sabine

Offline Hase

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Re:Vorstellung-paula2001 (Freundin eines Betroffenen)
« Antwort #2 am: 09. Januar 2012, 21:13:35 »
Liebe Paula 2001,

auch ich möchte Dich hier Willkommen heißen.

Mein Mann hatte sich auch sehr sehr durch diesen Tumor verändert. Ich habe mir Hilfe bei einer Therapeutin gesucht. Ich habe gelernt, dass mein Mann nicht mich sondern seine ganze Wut gegen den Tumor richtet. Ich war diejenige die ihn nie verlassen hätte und deshalb war er mir gegenüber oft so häßlich. Meinem Mann hat das aber sehr sehr leid getan, dass hat er mir als er das Rezidiv bekam gesagt. Er hat geweint, weil es ihm so unendlich leid getan hat.

Irgendwo muss doch jeder mit der Trauer und der Wut und der Hilflosigkeit hin und der oder diejenige die am nächsten ist, muss das dann aushalten. Ich hab es gern ausgehalten, weil ich weiß das mein Mann ohne dieses Monster niemals so mit mir gesprochen hätte.

Versucht ihm den Raum für seine Trauer, Wut und Hilflosigkeit zu geben und nehmt es nicht persönlich. Er kann einfahc nichts dafür.

LG Hase


Offline paula2001

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Re:Vorstellung-paula2001 (Freundin eines Betroffenen)
« Antwort #3 am: 10. Januar 2012, 14:02:34 »

vielen lieben dank für eure antworten.

mein freund hat heute seine reha begonnen und ich hoffe, dass er dort eine entspanntere zeit verbringen kann und wirklich mit hilfe der psychologischen betreuung ein wenig ruhiger wird.


liebe häsin, was du schreibst kann ich sehr gut nachvollziehen und verstehen. da ich natürlich nicht so nah und so viel zeit mit ihm verbringe wie seine ehefrau bzw kinder, fällt mir das "rücksichtnehmen" wahrscheinlich auch sehr viel leichter. er spricht mit mir viel über seine krankheit und auch er weint hin und wieder leise. ich höre zu und versuche einfach, für ihn da zu sein. und dinge zu unternehmen, die er gerne macht. die er genießen kann und ihn freuen.

ich versuche auch bei seiner frau genau dafür verständnis zu erwecken, dass sie darüber hinweg sieht, sein verhalten entschuldigt und versteht. aber leider bisher völlig erfolglos. ich weiß nicht, ob ihr die kraft fehlt, ob sie selbst diese situation und die perspektive überhaupt aushalten kann. sicher steht auch sie vor einem für sie unüberwindbaren berg und sie hat ungeheure angst vor der zukunft. hadert mit der vergangenheit und jedem tag des streites.  leider ist es unendlich schwer an sie heranzukommen. es ist als ob sie überall feindseligkeit erwartet. zwischen den beiden gibt es kaum bis keine normalen gespräche. nur angiftereien. und beide leiden sehr darunter.

und ich selbst fühle mich manchmal von ihr als spielball zwischen den fronten benutzt. und habe auch ein wenig angst davor, dass sie den kontakt irgendwann unterbinden wird, wenn mein freund vielleicht eines tages nicht mehr selbst bestimmen kann, was er machen möchte

all diese gedanken sind in meinem kopf und es gibt keine lösung. und ich bin unendlich traurig dass ich ihn verlieren werde.

Offline Gitte1711

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Re:Vorstellung-paula2001 (Freundin eines Betroffenen)
« Antwort #4 am: 14. Januar 2012, 00:59:41 »
Liebe Paula 2001,

erstmal Willkommen hier im Forum.
Als ich Deinen Beitrag gelesen habe schoss mir gleich in den Kopf, die brauchen beide Hilfe.
Vielleicht kannst Du ja über die Kidis an die beiden rankommen.

Ich drücke Dir jedenfalls ganz fest die Daumen.

G L G Gitte 1711

 



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