HirnTumor Diskussionsforum

Sonstiges zum Thema Hirntumor => Kummerecke => Thema gestartet von: evlat am 20. Dezember 2010, 13:09:30

Titel: Das Glück der anderen
Beitrag von: evlat am 20. Dezember 2010, 13:09:30
Seit drei Monaten wissen wir, dass meine Mama (50) ein GBM IV hat. Mittlerweile kommt mir alles nicht mehr real vor. Mein Lachen ist gestellt, das Lachen der anderen kommt mir vor wie der blanke Hohn. Mich zerfrisst es, dass ich weiß, wie es weitergeht. Dass sie gelähmt sein wird, verwirrt, nicht mehr sprechen kann, dann nur noch schläft...

Wie soll man damit umgehen? Wie soll ich mit meinen 29 Jahren noch an irgendein Glück glauben? Sie hat sich so sehr gewünscht Enkel zu haben; jetzt aber hat sie keine Haare mehr und hat nur noch Angst vor dem verdammten Rezidiv. Mir gefriert jedes mal, wenn ich daran denke das Blut in den Adern. Manchmal fühlt es sich an, als ob mir jemand ein Messer in die Rippen stößt.

Ich verstehe nichts mehr. Alles erscheint sinnlos. Wie soll man Leben ohne eine Mutter?
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: Bea am 20. Dezember 2010, 13:25:38
Liebe evlat,

das Lachen der anderen Menschen ist deren Freude. Und das ist gut so.Dass wir diese in unserem eigenen Leid nicht teilen können ist ganz normal.

Deine Schilderung wie es weiter gehen wird ist die Prognose, wenn ich es richtig verstehe. Aber so muss es nicht sein oder es kann  noch dauern. Leg den Fokus nicht schon jetzt auf genau diese trüben Zeiten. Heute ist deine Mutter da, heute ist Weihnachten und heute ist die Zeit die ihr gemeinsam habt und die nicht wieder kommt - auch für gesunde Menschen nicht!

Man lebt ohne Mutter weiter - das kenne ich seit 25 Jhren. Damals war ich 15, meine Mama 44 Jahre. Es ist verd... schwer - keine Frage. Man leidet, man schreit, man weint und man sieht auch manchmal den Sinn nicht. Aber man trägt sie dort wo sie sicher ist, tief in der eigenen Seele. Als das größte Glück welches man in dieser Beziehung erfahren durfte.

Von ganzem Herzen kann ich dir nur wünschen die Zeit so intensiv wie möglich zu nutzen. Fragen zu stellen, Geschichten zu erzählen und alles aufzusauegen was du heute mental bekommen kannst.

Lacht gemeinsam - die Trauer kommt früh genug. Das ist das, was ich heute mit meinem Papa mache... Und wir erzählen viel von ihr, selbst nach so vielen Jahren. Menschen, die wir lieben gehen uns voraus. Wohin sagt jedem der eigene Glauben.

Viel Kraft und alles erdenklich Liebe wünscht dir,
Bea
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: KaSy am 20. Dezember 2010, 14:04:20
Liebe evlat,
ich kann Deine Sorge um Deine Mutter sehr gut verstehen, auch dass Du Dir nicht vorstellen kannst, ohne sie zu leben.
Ich selbst habe andersherum Sorge, meine Eltern mit meiner Krankheit zu belasten. Und deshalb nutze ich möglichst viele Gelegenheiten, bei ihnen aufzutauchen, wenn es mir gut geht, wenn ich lachen kann.
Für Dich ist das wegen der großen Entfernung schwerer, aber Du arbeitest einigen Kummer ab, indem Du für Deine Mutter Sachen für ihre unmittelbare Zukunft regelst. Das hilft Dir und ihr.

Ich könnte mir vorstellen, dass das Lachen, das Du bei anderen (verständlicherweise) nicht verkraftest, mit Deiner Mutter gemeinsam wunderschön sein kann. Es gibt so viele Dinge in Eurem Leben, an das man sich gern erinnert. Und es gibt vielleicht auch Worte, die man sich noch nicht gesagt hat, weil man glaubte, es sei doch noch viel zu früh dafür. Nutze viel Zeit für und mit Deiner Mutter. Wenn es wegen der Entfernung nicht persönlich sein kann, so könnt Ihr bestimmt per Telefon oder auch E-Mail möglichst locker miteinander schwatzen. Das bringt neben den schlechten Stunden gute Zeiten in ihre Tage, die ihre Gedanken auf die schönen Seiten des jetzigen und früheren Lebens lenken und dort fest halten.

Du siehst – so scheint es mir – zur Zeit Deine Mutter vor allem als todkranke Frau und hast berechtigte wahnsinnige Angst um sie und um Dein Weiterleben. Deine Mutter ist aber nicht nur die kranke Frau. Sie ist immer noch der liebe Mensch, der immer für Dich da war und sein möchte, der mit Dir über die ganz normalen Dinge des Alltags und der Weihnachtszeit schwatzen möchte. Versuche es, es wird auch Dir gut tun, von ihr gute, normale Worte zu hören.

In Gedanken bei Euch
KaSy
   
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: TinaF am 20. Dezember 2010, 15:32:29
Liebe evlat,

Du schreibst, dass das Lachen der anderen Dir wie der blanke Hohn vorkommt. Ich kann das verstehen, ich kenne dieses Gefühl auch. Die eigene Welt steht vor lauter Angst, Entsetzen, Verzweiflung fast still und andere lachen, sind fröhlich, ausgelassen. Aber es hat auch Zeiten gegeben, in denen Du gelacht hast, fröhlich und ausgelassen warst, während andere völlig verzweifelt, in Angst und Trauer waren.

Deine Mutter lebt und das ist das, was momentan zählt. Noch habt Ihr beide Zeit, die Ihr miteinander verbringen könnt, in der Ihr miteinander reden könnt und in der Ihr vielleicht auch miteinander lachen könnt. Natürlich musst Du Vorsorge für die Zukunft treffen, gerade auch was die Pflege angeht. Aber ich glaube nicht, dass man sich auf ein Leben ohne seine Mutter, seinen Vater, seinen Partner oder seine Kinder vorbereiten kann.

Aber in Dir wird Deine Mutter weiterleben, Du bist ein Teil von ihr, was immer auch kommt. Und Du wirst Trost für Deine Großeltern sein, denn die werden ihr Kind gehen lassen müssen.

Aber noch ist es nicht so weit. Nutze die Zeit, die Ihr habt so intensiv wie möglich.

Ich umarme Dich und wünsche Dir viel Kraft!

LG TinaF
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: evlat am 20. Dezember 2010, 16:55:59
Danke erst mal für Eure Zuschriften.
Hier fühle ich mich wirklich verstanden. Leute, was soll ich sagen, das sind eben Sachen, bei denen das gesamte Weltbild auf den Kopf gestellt wird. Mir wird jetzt erst bewusst, wie sehr ich meine Mutter geliebt habe.
Mich macht es fertig, was für ein fürchterlicher Sohn ich manchmal sein konnte. Aber sie konnte mir mit ihrem goldenen, riesigen Herzen niemals böse sein.
Neulich meinte sie zu mir, wie sie das alles wieder gut machen kann, was ich für sie tu. Könnt ihr Euch das vorstellen? Selbst jetzt, sieht ausgerechnet meine Mutter sich in der Schuld. Es ist kaum zu fassen, mit welchen Herzen Gott unsere Mütter ausgestattet hat.

Es gibt so vieles, was mich fertig macht... Meine Mutter hatte wirklich wenig zu lachen im Leben, aber sie meinte immer, das mein Bruder und ich immer ein Freudenquell für sie waren. Ich hab mir sie immer als dicke, lachende Oma vorgestellt, wenn ich mir vor meinem inneren Auge ein Bild von der Zukunft gemacht habe. Und jetzt soll das alles nicht sein?

Beitrag etwas strukturiert Mod
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: Lucie am 20. Dezember 2010, 17:04:21
Hallo evlat,

ich schreibe aus der umgekehrten Perspektive, will dir damit aber Mut machen. Also, ich bin selbst betroffen, weiß davon seit Juni diesen Jahres und wurde dann auch operiert und stecke mitten in der Chemo. Ich habe zwei Kids, 10 und 6 Jahre jung. Sie wissen, ihrem Alter entsprechend, Bescheid. Meist ist es so, dass wir normalen Alltag miteinander leben, was auch gut ist. Dann wieder gibt es Tage, an denen mein Großer alle paar Minuten ankommt "Mamali, ich habe dich sooooo lieb!". Köar, einerseits freut es mich, andererseits merke ich, wie sehr es ihn belastet. Für mich als diejenige, die sicher keine 100 wird, ist das schwierig mit anzusehen. Für mich wäre es einfacher, wenn alle ihr Leben genießen könnten.

Dass deine Mutter nun vielleicht keine Enkel mehr erleben kann, zählt in solch einer Situation nicht mehr. Da ist nur noch wichtig, wie das Verhältnis von euch ist. Ist alles gesagt, was gesagt werden mußte? Ist alles getan, was gemacht werden mußte? Mach dir das Leben nicht schwerer. Wir Betroffenen wollen meist gar nicht, dass ihr Angehörigen euch das Leben vermiest. Einfacher gesagt als getan, ich weiß. Aber vielleicht helfen dir diese Worte alles etwas gelassener zu sehen. Und du kannst deine Mutter ja auch weiterhin lieben.

Lass den Kopf nicht hängen.
LG
Lucie
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: evlat am 20. Dezember 2010, 19:34:01
Hallo Lucie,

ich verstehe vollkommen, was Du meinst. Weil ich sowieso recht direkt bin, habe ich von Anfang an das Gespräch zu meiner Mutter gesucht. Mich für alles entschuldigt, was ich meiner Meinung nach falsch gemacht habe usw. Sie hat eh immer gewusst, wie sehr ich sie liebe. Durch große und kleine Geschenke wollt ich ihr immer zeigen, was sie mir bedeutet. Jetzt ist das größte Geschenk, das ich ihr machen kann, auf den Beinen zu bleiben und mein Leben so zu führen, wie sie es sich immer gewünscht hätte. Ich weiß nur nicht, woher die Kraft dafür kommen soll.

Drei Monate lang habe ich wie ein Roboter funktioniert, alles mit den Ärzten geregelt, ne Patientenverfügung aufsetzen lassen, mich schlau gemacht, ihr nen Platz in ner Studie besorgt und dabei nachts kaum geschlafen. Ganz nebenbei muss ich einem nicht anspruchslosen Beruf nachgehen. Gelegentlich kommen Gedanken, wie man denn das eigene Leben noch halbwegs lebenswert gestalten kann. Dann denkt man sich, wie egoistisch das denn ist. Mich reißt es hin und her. Was wird mit meiner Mutter, was mit meinem Bruder, was mit meinem Vater, was mit meinen Großeltern, was mit mir. Ich habe außer meinem Rest an Glauben kaum mehr etwas, an dem ich mich festhalten kann. Nicht mal weinen kann ich mehr.
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: Lucie am 20. Dezember 2010, 19:43:18
Hallo evlat,

such dir bitte Unterstützung! Allein packst du es nicht. Ich schreibe dir jetzt mal einen Satz, von dem ich weiß, dass nicht jeder ihn versteht, dennoch hoffe ich, dass es richtig bei dir ankommt. Meine Einstellung ist "Eltern sind für Kinder da, nicht Kinder für Eltern". Was nicht heißen soll, dass man die Eltern auf sich allein gestellt lassen soll, aber für alles ist man als Kind nicht da.

Und jetzt noch etwas, ebenfalls wieder aus Sicht einer Betroffenen: Ich will keine Geschenke mehr seit ich krank bin, ich brauch nichts mehr. Meine Familie versteht es nicht, will alles so normal wie nur möglich. Niemand liebt mich mehr, wenn er mir etwas schenkt. Anders herum weiß ich auch so, wie sehr mich meine Kids lieben. Also mach dir das Leben nicht noch schwerer, weil du dir über soetwas Sorgen machst.

Geh arbeiten, mach deinen Job. Und in deiner Freizeit geh zu deiner Mutter, bemüh dich um Normalität. Wenn du deine Kräfte aufbrauchst, kann das nicht gut sein. Deine Tränen sind aufgebraucht? Das ist ein Zeichen, dass du unbedingt an dich denken mußt! Was gibt es Schönes in deinem Leben, wo du dir Kraft holen kannst? Vielleicht tut es dir ja auch einfach gut, hier zu schreiben, wo es Menschen gibt, die dich verstehen.

Versuch bitte, dir einen entspannten Abend zu machen.
LG
Lucie
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: KaSy am 20. Dezember 2010, 20:16:21
Hallo, evlat,
wieso willst Du weinen? Um Deine Mutter? Das will sie nicht!
Ich habe selbst auch drei bereits ziemlich erwachsene Kinder und der Mittlere hat mir immer die meisten Sorgen gemacht. Was haben wir uns gestritten! Aber böse sein konnte ich ihm nie. Ich hatte nur immer Angst, dass er fortlaufen könnte. Und ich habe immer gewollt, dass es meinen Kindern gut geht! Wenn es manchmal nicht so war, hat es mir sehr wehgetan. Und das kam zu meinen krankheitsbedingten Problemen noch hinzu. Erst recht, wenn sie sich meinetwegen Sorgen machen mussten und dadurch ihr Leben womöglich einschränkten.
Auch Deiner Mutter geht es so. Sie möchte, dass es euch beiden, ihren geliebten Söhnen, gut geht.

Ja, sie braucht euch jetzt! Aber als ihre Söhne, auf die sie stolz sein möchte. Die ihr Leben selbst gestalten, weil sie euch diesen Weg ins Leben gezeigt hat. Lass sie daran teilhaben. Lass das vordergründig sein in Deinen Gesprächen mit ihr und auch in Deinem Leben!

Denn momentan baust Du Berge um Dich auf, die Dein eigenes Leben einschränken. Dein Leben zu leben ist nicht egoistisch, es ist das, wofür Dich Deine Mutter geboren und großgezogen hat, wofür sie Dich früher so ,,fürchterliches" Kind trotzdem geliebt hat.

Es ist ein mächtiger Zwiespalt, in dem Du da steckst und ich beneide Dich garantiert nicht darum. Mir ist es – so seltsam das zunächst klingt – lieber, selbst diese Krankheiten zu haben, als sie bei meinen Angehörigen erleben zu müssen. Weil es so schwer ist, damit als Mutter oder Tochter oder Sohn umgehen zu müssen.

Sollte es Dir weiterhin nur schwer gelingen, das alles zu bewältigen, sollte Dein Leben insgesamt darunter leiden, dann such Dir Hilfe. Frag die Ärzte, suche Beistand bei Gott. Und Du darfst auch Deine Mutter fragen! Sie war immer für eure Sorgen da, das möchte sie auch jetzt! Aber ich bin auch froh, dass Du hier Verständnis gefunden hast! Schreib Dir die Sorgen ,,von der Seele", das hat mir selbst oft und immer wieder geholfen.  

KaSy
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: evlat am 20. Dezember 2010, 21:51:19
Danke KaSy und Lucie,

das, was Ihr mir als Mütter schreibt, bedeutet mir extrem viel. Ich bin nur ein Sohn und kann nur schwer erahnen, was in einer Mutter vorgeht.

@Lucie

Ich hab vorher auch schon immer versucht meiner Mutter eine Freude zu bereiten. Sie redet heute noch davon, wie sie einmal im Keller stand und 'nen neuen Wäschetrockner mit 'ner roten Schleife daran gesehen hat. Mich hat es immer wahnsinnig glücklich gemacht, ihr ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Heute versuche ich immer Kraft auszustrahlen. Das gelingt mir wohl so gut, dass mein Vater meiner Mutter gegenüber geäußert hat: "Der ist stahlhart."

@KaSy

Ich finde Deinen Kommentar wirklich super. Wahrscheinlich denken alle Mütter, überall auf der Welt und zu jeder Zeit das Gleiche. Was mir Kraft gibt, sind die Opfer meiner Mutter. Alles was sie bis heute für uns getan hat und wie tapfer sie ihre Krankheit meistert. Wenn ich mein Spiegelbild betrachte denke ich mir, "wenn Du jetzt umkippst, dann war alles, was Mama getan hat umsonst." Alleine dafür bin ich es schuldig meinen Mann zu stehen. Meine Mutter will wirklich nicht, dass ich weine. Wenn sie mich alleine rumstehen sieht und ich einen Moment still bin, dann fragt sie gleich "Weinst Du?"


@ Alle Mütter

Wir verstehen Eure Liebe nicht. Wir können sie nicht mal ansatzweise erahnen. Selbst in den schwierigsten Situationen, denkt Ihr noch an uns und würdet Euch sofort opfern. Wir können nicht in Worte fassen, wie sehr wir an Euch hängen. Ihr seid die heiligsten Wesen, die über diesen Planten wandeln. Ihr seid unser Zugang zum Leben. Selbst als Endzwanziger komme ich mir noch vor wie ein kleines Kind, wenn meine Mutter mein Gesicht streichelt.
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: Cira am 22. Dezember 2010, 12:23:38
Lieber evlat,

ich habe jetzt leider nicht alles gelesen,zu lang die texte zurzeit für mich..

ich möchte dir eins sagen,als mutter die seit 20 jahren ständig krank ist...2 erwachsene söhne hat,die von kindheit an das ja mitleben mussten...

es ist einfach wunderbar aber auch unsagbar traurig für eine mutter, wie ihr "kinder" zu uns steht...traurig,weil man sich ja für seine kinder ein sorgenfreies leben immer gewünscht hat und es dann doch soo anderes kam durch diese gemeinen krankheiten.....
du bist so stark,meine söhne ebenfalls,ihr seit stark für uns, wo es doch eigentlich ganz andersrum sein müsste...die mutter immer für die kinder da ist und nicht das kind für die mutter,das tut sehr weh aber es gibt auch unsagbaren halt...
klar wart ihr nicht immer engel,oh nein, aber das gehört ganz einfach dazu...leider,so weiß ich, gibt es auch ganz andere fälle, wo die kinder nicht wirklich da sind und sich kümmern.....meine söhne sind immer für mich da,so wie du für deine mutter...das ist sehr schön,aber als mutter hat man ein so schlechtes gewissen,möchte den kindern freiheit geben vor einen selber....

es gibt so einen schönen spruch...den den ich liebe wünsche ich die freiheit vor mir selbst....so denke ich oft als mutter...und es gibt nichts und niemanden den eine mutter mehr liebt,als ihr kind...

ganz liebe grüße

Cira

Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: KaSy am 22. Dezember 2010, 13:31:37
Lieber evlat!
Bei diesen Deinen Worten:
Zitat von: evlat am 20. Dezember 2010, 21:51:19
@ Alle Mütter

Wir verstehen Eure Liebe nicht. Wir können sie nicht mal ansatzweise erahnen. Selbst in den schwierigsten Situationen, denkt Ihr noch an uns und würdet Euch sofort opfern. Wir können nicht in Worte fassen, wie sehr wir an Euch hängen. Ihr seid die heiligsten Wesen, die über diesen Planten wandeln. Ihr seid unser Zugang zum Leben.

kamen Tränen in meine Augen.
Danke!
KaSy
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: evlat am 22. Dezember 2010, 13:43:22
Im Namen aller Söhne dieser Welt:

Wir haben Euch lieb. Habt kein schlechtes Gewissen, weil Ihr glaubt, Ihr würdet uns das Leben schwer machen. Wir sind froh und glücklich, wenn wir etwas für Euch tun können.
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: evlat am 27. Dezember 2010, 11:04:54
War das Wochenende bei meiner Mama. Sie ist einfach nimmer, was sie mal war. Obwohl sie noch im Stande ist sich normal zu artikulieren und auch mobil ist, sitzt sie nur da und schaut ziellos vor sich hin. Sie redet nicht von sich aus, sondern grübelt, grübelt, grübelt... Sie ist traurig und blickt mich mit einem Blick an, der mich einfach fertig macht. Ich würd hier zu gerne etwas positives schreiben, aber ich kann einfach nicht.

Ich versuche an mich zu denken und aufrecht dazustehen. Ich stehe auch. Ich schlafe trotzdem ein und durch. Ich komme aus dem Bett, räume meine Wohnung auf und doch bin ich ständig mit meinem Kopf und Herzen bei ihr.

Mal reißt mich meine eigene Einsamkeit runter, mal ist es der Kummer um meine Mutter. Aber irgendwie gehe ich trotzdem weiter. Vielleicht ist es mein Glaube an eine sorgenfreie Welt im Jenseits, vielleicht auch meine innere Kraft, das Wissen um die Endlichkeit des Seins, das mich tröstet. Die Endlichkeit des Seins. Wären wir nicht alle nur einen Wimpernschlag, sondern ewig auf dieser Welt, wäre unser Leben wertlos. Unser aller nahendes Ende macht alles so kostbar. Unsere Liebe, selbst unsere Schmerzen werden kostbar dadurch, dass dies unser kurzes Leben ist. Alles unsere Schätze. Haltet Euch fest an Euren Schätzen. Eure Liebe ist größer als ihr selbst.
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: evlat am 14. April 2011, 14:47:07
Seit längerem mal wieder ein Eintrag von mir. Bei meiner Mama schlägt das Rezidiv jetzt voll durch. Langsam wird's ernst. Am Samstag ist sie uns bei Gehen vom Balkon ins Wohnzimmer zusammengeklappt. Jetzt liegt sie im Krankenhaus. Eilantrag auf Pflegestufe wird durch den Sozialdienst des Krankenhauses gestellt.

Ich muss mich jetzt als Sohn mit allem auseinandersetzen. Gesetzliche Betreuung ist in Bearbeitung. Patientenverfügung hab ich schon. Meine Großeltern leiden wahnsinnig darunter. Mein Bruder und ich räumen jetzt das zweite Schlafzimmer meiner Oma leer, um dann meine Mama dort unterzubringen. Bei uns daheim kann sie nimmer bleiben, weil mein Papa arbeitet und mein Bruder mit dem Studium fertig ist und nur noch bei uns in der Stadt bleibt, um sich um meine Mama zu kümmern so lange es sie noch gibt. Es ist echt schwer Leute, alles gegeneinander aufwiegen zu müssen und im Zweifelsfall einfach knallhart zu sein.

Meine Vater ist keine Hilfe mehr. Der würde am liebsten davonlaufen. Macht er auch immer. Der erträgt den Schmerz einfach nicht, was mich einfach fürchterlich aufregt. Mich regt es eh immer auf, wenn die Leute ihr eigenes Leid vorne anstellen. Egal, ich lass ihm seine Ruhe, weil es eh nichts bringt.

Meine Oma versucht trotz allem zu tun was sie kann.

Gerade musste ich wieder eine Entscheidung treffen undzwar wider den Willen meiner Mutter. Sie wollte eigentlich bei uns zu Hause bleiben, aber ich musste ihr erklären, dass es einfach nicht geht. Meine Oma will ihre ganzen Sachen nicht wegschmeißem, die in dem Zimmer sind und die sie nie benutzt. Ich denke mir: "Wann willst Du die denn benutzen? Du bist 70! Wozu hebst Du das alles auf?" Ich sage es natürlich nicht und versuche taktvoll zu bleiben. Ich bin eh manchmal nervlich ziemlich angespannt und zweifle an mir selbst. Es ist schwer immer pragmatisch zu denken und immer das beste für meine Mama zu tun.

Am Samstag hab ich aber was gemacht, was ich mir nie verzeihen werde. Meine Mutter hatte extreme Probleme mit dem Schlucken und konnte einfach ihre Medikamte nicht einnehmen. Ich hab erst versucht verständnisvoll zu reagieren bin dann aber ausgetickt. Ich denke. Ich wurde laut und hab ihr Essen und so ins Waschbecken geschmissen. Sie konnte nicht mehr reden und ihre Unterlippe hat gezittert. Im Anschluss hab ich mich bei ihr entschuldigt. Sie hat mich angeschaut und mir übers Gesicht getreichelt, während ich geweint habe. Das werde ich nie vergessen. Mütter scheinen echt alles zu verzeihen.

Ich bete um Kraft, um immer das richtige zu tun im Angesicht dieser schwierigen Situation. Ich bete dafür, daraus gestärkt hervorzugehen und erhobenen Hauptes mein Leben so zu leben, wie es sich meine Mama für mich und meinen Bruder immer gewünscht hat.

Ich musst mir das jetzt einfach alles von der Seele schreiben.

Danke.

Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: Bea am 15. April 2011, 08:37:35
Hallo evlat,

das ist eine mehr als schwere Situation und das, was sich zwischen dir und deiner Mutter ereignet hat ist bestimmt schlimm. Aber es zeigt auch deutlich wo Grenzen sind. So traurig es ist, nimm diesen Gedanken bei der Planung zur häuslichen Pflege mit und bedenke es.

Deiner Oma kannst du die Dinge, die sie nicht abgeben will in Kartons packen. Lass ihr ihre Sachen, sie hat schon genug Verlustängste. Manchmal muss man nicht verstehen sondern akzeptieren.

Wichtig ist, dass ihr euch die Aufteilung der Pflege genau überlegt und danch seht, ob ihr dies überhaupt leisten könnt. Wenn deine Mutter zuhause ist, dann kann niemand mehr gehen, wenn es ihm zuviel wird.
Kümmert euch um den entsprechenden Pflegedienst und überlegt, ob auch Kurzzeitpflege eine Übergangslösung sein kann.

Je nach Prognose der Ärzte ist ein Hospiz eine sehr wertvolle Einrichtung die hervorragende Arbeit leistet.

Ich wünsche euch von Herzen Kraft. Und setzt euch evtl. mal bei einem netten Essen zusammen. Versucht Spannungen von euch fern zu halten. Ihr braucht euch gegenseitig sehr!

LG,
Bea
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: evlat am 20. April 2011, 17:30:59
Ums Hospiz kümmere ich mich gerade. Auch wenn sie nur noch ein paar Monate daheim sein kann, so möchten wir und sie es natürlich dennoch. Diese Zeit über wird es mit dem mehrmals täglich kommenden Pflegedienst bestimmt auch funktionieren. Von der Kurzzeitpflege wurde uns abgeraten, da die wohl damit überfordert wären. Wenn daheim die Infrastruktur steht, wird es wohl klappen. Meiner Mama möchte ich es so lange wie möglich angenehm machen. Ich hab aus meinem Umgang mit meiner Mutter und auch dem harten Umgang mit meiner Oma gelernt. Ich habe dabei auch gelernt, wo meine Grenzen als Mensch sind.

Mein Chef, der seinen Vater an Leberkrebs verlor, meinte er ist in dieser Phase als Mensch enorm gewachsen. Das glaube ich ihm durchaus. Echte Veranwortung ist eine schwere Bürde.
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: Trinity am 27. April 2011, 16:47:36
Hallo evlat,

ich habe grade deinen Thread entdeckt und ihn mit Verständnis, Traurigkeit und auch ein paar Tränen gelesen. Ich kann so gut nachvollziehen, wie du dich fühlst. Wie gerne hätte ich meine Mutter selbst gepflegt, aber da ich meinen Job habe und zu weit weg wohne, konnte ich es nicht. Mein Vater, meine Schwester und ich haben uns dann für ein Hospiz entschieden, was für meine Schwester und mich einigermaßen gut erreichbar war (ungefähr für jede die gleiche Strecke). Mama hatte es gut dort und ich hoffe, dass die Aussagen der Mütter hier auch auf meine Mutter zutrafen, denn manchmal überkommt mich ein schlechtes Gewissen, weil ich ihr nie gesagt habe, wie sehr ich sie liebe. Eigentlich ist es mir erst nach ihrem Tod wirklich bewusst geworden. Ja, du hast recht, sie sind wirklich das Wichtigste im Leben, die Mütter, möge es ihnen immer wohl ergehen, auch wenn sie körperlich nicht mehr unter uns sind. Und genau daran halte ich fest, es geht nach dem Tod besser, keine Schmerzen, kein Leid.

Zurück zum Hospiz. Dort ging es Muttern gut. Sie wurde professionell (ich bin selbst in der Pflege, kann es also durchaus beurteilen) und v.a. menschlich gut betreut. Ich war fast jeden Abend bei ihr, manchmal denke ich aber, dass ich zu selten dort war. Es waren insgesamt sehr anstrengende 4 Monate, die wir sie begleitet haben, aber auch sehr intensiv, obwohl eine Pflege zu Hause nicht möglich war (mein Vater hätte es nicht leisten können).

Ich wünsche euch, dass ihr den psychischen und physischen Anforderungen gewachsen seid. Wenn ihr merkt, dass ihr es nicht seid, dann ist es keine Schande das Hospiz in Betracht zu ziehen, denn wie schreiben "unsere" Mütter hier: Wir wollen immer nur das Beste für unsere Kinder!

In Gedanken bei dir und deiner Familie
Kathrin
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: evlat am 10. Mai 2011, 16:49:46
Liebe Kathrin,

vielen Dank für Deine Zeilen und Dein Mitgefühl. Ich versuche so viel Zeit woe möglich bei meiner Mutter zu sein. Ich bin früher nur alle paar Monate nach Hause gefahren. Jetzt fahre ich natürlich jede Woche. Ich merke aber langsam, dass ich müde werde. Ich hätte gerne mal eine Woche nur für mich alleine. Aber selbst wenn ich Urlaub nehmen würde, ich wär doch mit meinem Kopf und meinem Herzen eh nur bei meiner Mutter. Ich weiß nicht, wie es bei Deiner Mama war, aber meine ist wie ein Engel, seitdem sie geistig nimmer so fit ist. Ich bin dankbar dafür, dass sie nicht mehr weint. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ihre Denkleistung jetzt wirklich stark nachgelassen hat, auch wenn sie noch reden kann. Man merkt eben, dass die Krankheit voranschreitet. Für jeden Tag an die sie schmerzfrei ist und noch lächeln kann, sind wir dankbar.

Ganz selten stelle ich mir die Frage, "Warum meine Mama?". Dass das unsinnig ist, habe ich jetzt begriffen. Warum meine Mama, warum Deine? Weshalb das Kind von XY? Alles Unsinn. Es kann jeden treffen. Ich versuch dennoch meine Lehre aus allem zu ziehen. Zu verstehen, dass man für den Moment leben muss. Dass man seine Lieben immer anständig behandeln muss. Diese Lehre versuche ich zumindest bei meiner Mama umzusetzen. Ich küss sie ständig oder streichel ihr über die Wangen und versuche mit meinen Späßen zum Lachen zu bringen. Dabei präge ich mir ihr Lachen ein und versuche es in mein Gehirn einzubrennen. "Das ist Deine Mama."

Manchmal überkommen mich auch Flashbacks. Dann fällt mir ein, was für ein Arsch ich manchmal war und was für ein großes Herz meine Mutter und alle Mütter doch haben. Es ist verführerisch in Selbstmitleid zu zergehen, aber ich lass es bleiben. Ich muss da durch mit meinen 29 Jahren. Mein Bruder braucht ein Vorbild, das ihm den Rücken stärkt.

Manchmal frage ich mich, wie mein Leben weitergehen soll. Ich wünsch mir gern ne Familie. Wie soll ich die gründen? Letzte Woche hab ich ein Mädchen, dass sich in mich verliebt hatte weggeschickt. Die ganze Zeit hab ich mir ne Freundin gewünscht und als förmlich in eine reingerannt bin, hab ich sie doch nur als Last empfunden. Alles ist schwer, alles Belastung. Es macht mir nicht mal was aus, dass sie weg ist. Mama ist im Moment das wichtigste.

Zum Hospiz: was wir zu leisten imstande sind, dessen sind wir uns bewusst. So lange es ihr vergönnt ist bei uns zu bleiben, werden wir sie auch nicht weggeben.
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: fips2 am 10. Mai 2011, 18:09:40
Zitat von: evlat am 10. Mai 2011, 16:49:46
Manchmal frage ich mich, wie mein Leben weitergehen soll. Ich wünsch mir gern ne Familie. Wie soll ich die gründen? Letzte Woche hab ich ein Mädchen, dass sich in mich verliebt hatte weggeschickt. Die ganze Zeit hab ich mir ne Freundin gewünscht und als förmlich in eine reingerannt bin, hab ich sie doch nur als Last empfunden. Alles ist schwer, alles Belastung. Es macht mir nicht mal was aus, dass sie weg ist. Mama ist im Moment das wichtigste.


Hallo Evlat

Dass dir das zu viel im Moment ist, kann sicher jeder nachvollziehen.
Aber du schreibst selbst, dass es eigentlich dein Wunsch ist eine Partnerin zu haben.

Wie hast du das Mädchen weggeschickt, wenn ich fragen darf?
Hast du ihr erklärt warum, oder zu den Gründen nur geschwiegen?
Wenn sie dich wirklich liebt, dann wird sie dafür Verständnis haben und warten bis du dazu bereit bist.
Vielleicht bist du irgendwann mal froh für eine Schulter, die dich stützt und bei der du dich ausweinen kannst.

Besinne dich langsam und sachlich darauf, dass du deine Mutti irgendwann gehen lassen musst.
Das Leben ist nun mal so, auch wenn es hart ist und klingt.

Zur Liebe gehört auch das "Gehen lassen" dazu. Diese Erfahrung müssen wir Großteils leider alle im Leben sammeln.
Vielleicht wirst du, wenn du diese Erkenntnis gewonnen hast, auch viel entspannter mit deiner Mutter und dem bevorstehenden Tod umgehen können. Du wirst dich dann sicher selbst nicht mehr unter einen solchen Druck setzten, wie unter dem du jetzt stehst.
Ich habe, deinem Schreiben nach, den Eindruck als wenn du dir selbst eine übermäßige Last auferlegst. Befreie dich davon.

Ich glaube aber, sie wäre vielleicht stolz, oder beruhigter, wenn sie wüsste, dass du eine Partnerin hast die dich liebt und sie versuchen wird deine Mutter zumindest teilweise zu ersetzten.
Mütter ticken da etwas anders. Sie wollen ihre Kinder versorgt und geborgen wissen, bevor sie gehen.
Ich wäre zumindest, als Vater auch beruhigter, wenn ich wüsste, dass meine Kinder einen Sinn im Leben und eine Partnerschaft haben, die ihnen nach meinem Tod beisteht.

Ich vergesse nie den Spruch von meiner Mutter, als sie auch schwer krank sagte: "Wenn ich nur noch erlebe dass alle Kinder verheiratet sind und liebe Partner haben."

Vielleicht wünscht sich deine Mutti das selbe, deine Partnerin noch kennen zu lernen und du tust ihr eine riesige Freude damit?

Lass es dir noch mal durch den Kopf gehen.

Gruß, Kraft und vor allen Dingen weiteren Lebensmut, um positiv in die Zukunft zu schauen, wünscht dir

Fips2

Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: Lucie am 10. Mai 2011, 19:49:38
Hallo Evlat,

den Worten von fips kann ich mich anschließen.

Ich habe selbst 2 Kids, die sind 7 und 11 Jahre alt, also noch weit von einer Partnerschaft entfernt. Dennoch habe auch ich den Wunsch, dass meine Kinder gut auf eigenen Beinen stehen können, dass sie in ihrer Partnerschaft glücklich werden, dass sie ihr Leben nicht nur leben sondern auch genießen, bevor ich denn gehen muß. Als Mutter macht es mich wahnsinnig, wenn ich sehe, wie sehr die beiden unter meiner Krankheit leiden, wie sehr es den Alltag besonders meines Großen beeinflußt. Wie sehr wünsche ich ihnen eine unbeschwerte Kindheit und tue dafür sehr viel, auch wenn es mir mal nicht besonders geht. Du solltest dir also nicht extra das Leben schwer machen, deine Mutter ist bestimmt echt zufrieden, wenn du glücklich bist. Und ganz ehrlich - in deinem Alter hast du das Recht, an eine Partnerschaft zu denken. Es ist toll, wie du dich für deine Mutter einbringst, das soll sicher auch so bleiben. Ich habe den Eindruck, dass ihr ein gutes Verhältnis zueinander habt. Respekt!  Dennoch denk mal über diesen Satz hier nach, den ich selbst mal irgendwann gehört habe.... "Eltern sind für Kinder da, nicht Kinder für Eltern." Soll heißen, dass du nicht dein Leben auf später verschieben solltest, sondern jetzt leben darfst. Also nimm das Telefon in die Hand, ruf die Dame deines Herzens an und denke auch an dich! Deine Mutter wird froh sein!

Ich wünsch dir einen schönen Abend.
LG
Lucie

Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: KaSy am 11. Mai 2011, 21:00:37
Hallo, evlat,

als Mutti dreier erwachsener Kinder kann ich nur bestätigen, was fips2 Dir schrieb. Ich bin so froh, dass meine Jungs (28; 30) ihre festen Freundinnen haben und auch meine Tochter (26) in dieser Beziehung sehr offen ist. Auch sie mussten seit 15 Jahren meine langen Krankheitsphasen mitmachen und ich hatte dieselben Sorgen wie sie Lucie beschreibt. Aber sie haben damit zu leben gelernt. Und ich bin beruhigt, dass sie ihr Leben leben.
Ich bin sicher, Deine Mutti wird sich darüber freuen, wenn Du ihr erzählen kannst, dass Du jemanden kennengelernt hast. Sie würde Dich vermutlich mir ihr ins Kino scheuchen oder zum Tanzen oder einfach zum Spazierengehen, damit Du ihr dann mit glücklichen Augen von Deinem Leben erzählen kannst, dem Du eine Zukunft gibst. 

Es grüßt Dich
KaSy
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: evlat am 17. Mai 2011, 14:20:09
Hallo Leute,

Danke erst mal für Eure Antworten. Als meine Mama nach der OP noch fit war, hat sie auch deutlich ausgedrückt, dass sie leichter gehen könnte, wenn wir unter der Haube wären. Das Mädel habe ich im Zug kennengelernt, als ich ihr mit ihrem Koffer geholfen habe. Dann kam halt das eine zum anderen. Sie hat wirklich superverständnisvoll auf alles reagiert. Ich hab auch rel. schnell mit offenen Karten gespielt. Sie war eh der einzige Mensch, bei dem ich mich ausgeheult habe. Überhaupt hat sie nur versucht mir eine Stütze zu sein.

Allerdings habe ich gemerkt, dass ich es nicht genießen kann bei ihr zu sein. Es fiel mir schwer, mich auf sie einzustellen. So eine hätte ich mir sonst immer gewünscht und auf einmal ist es mir einfach egal. Es fiel einfach schwer meine Aufmerksamkeit auf meine Familie, meine Mama, meine Arbeit und dann auch noch auf sie aufzuteilen.

Es ist traurig.
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: KaSy am 18. Mai 2011, 00:13:49
Lieber evlat,

natürlich ist das eine große Aufgabe, in der Du gerade steckst. Da nimmt der Kummer viel Platz in Deinem Leben ein. Es wäre auch eigenartig, wenn Du in der Lage wärst, bei Deinem Mädchen auf einmal alle anderen Gefühle wegzustecken, um mit ihr nur noch zu genießen.

Aber wenn es die Richtige ist, dann kannst Du auch offen mit ihr darüber sprechen, warum Du in Deinem Kopf nicht völlig frei für sie bist. Sie wird es verstehen. Lasst es langsam angehen, macht Dinge gemeinsam, wo Du mir ihr gemeinsame Interessen, Gefühle entdecken kannst. Wenn unter diesen für Dich schwierigen Bedingungen eine Liebe entsteht und besteht, dann hast Du die Richtige gefunden.

Gib nicht auf! Das Glück hat Dir DEIN Mädchen gerade in dieser Situation geschickt. Du hast die Chance angenommen, weil Du gerade jetzt und auch für später genau dieses Mädchen brauchst.

Ich wünsche Euch alles Glück und Deiner Mama gute Tage und einen Sohn, dem dieses Glück ein wenig aus den Augen schaut, wenn er bei ihr ist.

KaSy
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: evlat am 21. September 2012, 08:45:22
Hallo Leute,

ich hab schon länger nicht mehr geschrieben. Meiner Mama geht es graduell immer schlechter. Gott sei Dank ist sie noch ansprechbar und auch bei Bewusstsein. Das Gehen macht mittlerweile immer mehr Schwierigkeiten. Durch das Kortison degeneriert die Muskulatur weiterhin. Wir versuchen wieder die derzeit 16 mg/d auszuschleichen. Beim ersten mal hatte sie schwere Kopfschmerzen und wir fuhren mit der Kortisongabe fort. Aktuell wird die Low-Dose-Therapie mit Themodal fortgeführt. Das Rezidiv des Glioblastoms wächst zum Glück nur sehr langsam. Zwei Jahre und einen Monat ist es nun her, dass sie am morgen unvermittelt umgefallen ist. Seitdem ist die Welt nicht mehr das, was sie einmal war. Ich habe mir vorgestern mit meiner Freundin zum ersten mal Fotos aus meiner Jugend angeschaut. Meine Mutter auf den Fotos zu sehen hat mich fertig gemacht. Sie war schlank und jung. Auf den Fotos lächelt ist. Steht da. Aufrecht. Heute kann sie kaum mehr die 50 m auf die andere Straßenseite laufen, wenn wir sie in unsere Wohnung bringen. Gepflegt wird sie derzeit bei meiner Oma.

Mein Bruder wurde vor anderthalb Jahren mit seinem Studium fertig. Seitdem pflegt er aufopferungsvoll meine Mutter. Ich sitze hier 250 km entfernt und arbeite. Jedes Wochenende fahr ich zu ihr und versuche meinem Bruder etwas beizustehen, für ihn und meine Mutter da zu sein. Der arme Junge ist nun langsam am Ende seiner Kraft. Er hockt jeden Tag mit meinen manchmal sehr schwierigen Großeltern auf einem Haufen und kümmert sich auf herzzerreißend liebevolle Art um unsere Mama. Dies werde ich nie zurückzahlen können. Er hat sich die ganze Zeit nie beklagt. Nur langsam geht auch ihm die Puste aus. Natürlich geht es auch mir nicht gut. Aber im Vergleich zu ihm habe ich ja zumindest noch die Arbeit als Ausgleich und kann unter der Woche tun, was ich will.

Wir dachten alle, dass die Prognosewerte für die ihr verbleibende Zeit stimmen. Zum Glück geht es ihr noch recht gut und sie ist bei uns. Allerdings müssen wir unseren Alltag organisieren, damit auch mein Bruder und ich unser Leben fortführen können. Es klingt vielleicht komisch, aber die Krankheit meiner Mutter habe ich bereits verarbeitet. Ich habe sie akzeptiert und mache mir keine Illusionen. Aber dass das Leben meines 25 Jahre alten Bruders dadurch auf so negative Art und Weise durcheinandergeworfen wird, macht mir noch größere Sorgen.

Mein Vater ist 55 und noch weit von der Rente entfernt. Was mir und meinem Bruder sauer aufstößt, ist, dass er eigentlich mehr bei ihr sein sollte. Er wird auch nicht fertig damit. Letzte Woche hatte ich ein Gespräch mit ihm. Er sagt, wenn es nicht mehr anders geht wird er kündigen und sich Vollzeit um sie kümmern. Die Machtlosigkeit und Hilflosigkeit ist so schlimm. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Am liebsten würde ich selbst kündigen und mich um sie kümmern. Ich kann es aber nicht. Ich habe vor so vielem Angst. Was sollen wir tun, wenn sie in die präfinale Phase kommt? Wird sie leiden? Wird sie Schmerzen haben? Muss ich als Sohn nicht ständig bei mir sein? Bin ich nicht egoistisch, wenn ich es meinem Bruder zumute, dass er sie pflegt. Ich wache mit einem schlechten Gewissen auf und gehe mit einem schlechten Gewissen ins Bett.

Ich habe diese Thema mit dem Titel " Das Glück der anderen" gestartet. Als ich auf die Fotos gesehen habe, wurde mir klar, dass ich selber glücklich war. Allerdings war ich mir dieses Glückes erst bewusst, als die Krankheit meiner Mama in unserem Leben einschlug.


Euch allen meine besten Wünsche und Gebete


evlat
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: BabsyO am 21. September 2012, 17:12:56
hallo evlat

bei meinem vater wurde vor ca. vier wochen ein tumor im gehirn diagnostiziert. vor drei wochen bekamen wir die diagnose glio IV, inoperabel, balken infiltriert.
über eine prognose wollte kein arzt etwas sagen. er wird seit zwei wochen bestrahlt und bekommt temodal. er ist halbseitig gelähmt, sein kurzzeitgedächtnis funktioniert nicht mehr so recht (er erzählt viele dinge mehrmals)....

ich habe eine kleine tochter von neun monaten und eine nichte, die vor kurzem zwei wurde. wenn ich bilder von meinen eltern mit den zwei krümeln angucke zieht sich mein ganzer magen zusammen und ich wünsche mir "mein leben", wie es war, wieder zurück.
ja... oft hat man gehört, man sollte das leben genießen. und man dachte, man tut das. aber wenn man dann von einer solchen diagnose überrannt wird weiß man, dass man es nicht getan hat, oder zumindest nicht in dem umfang, wie man es tun sollte.

meine schwester und ich versuchen alles einigermaßen zu managen. es ist hart, weil mit kindern manchmal eine recht komplizierte logistik dahintersteht.
wir haben auch einen bruder. der wohnt ca. 90km weit weg... ja... was soll ich sagen. er arbeitet, damit er nicht über unseren vater nachdenken muss.... leider lässt er sich auch nicht blicken. ich finde das sehr schade, weil ich ihm sehr eindringlich gesagt hab, wie ernst die lage ist.
ich bin auch nicht jeden tag bei unseren eltern, ich pack das zeitlich nicht immer und auch psychisch nicht.
es tut mir so weh, meinen vater (vor fünf wochen war doch noch alles in ordnung?!) im rollstuhl sitzen zu sehen. wir unterhalten uns mit ihm. er leidet sehr an der situation. bis auf seine kurzzitgedächtnisprobleme ist er geistig noch fit. außer nach der bestrahlung. die nehmen ihn sehr mit.
er ist anders. er ist nicht besser oder schlechter als vorher. er ist nur einfach anders. und ich bekomme es nicht geregelt mich an diese neue situation zu gewöhnen. immerhin kannte ich "meinen alten papa" über 27 jahre.

auf der andren seite unsere mutter, die noch nicht an sich heranlassen will, dass es vermutlich keine besserung mehr geben wird oder könnte. ich kann und will ihr aber ihre illusionen nicht nehmen. sie und mein vater sind seit fast 40 jahren ein doppelpack.

ich versuche mir zwischendurch, auch wenn es vielleicht nicht richtig ist, vorzustellen, wie das leben weiter funktioniert wenn papa mal nicht mehr da ist. und ich habe das gefühl, dass ich diesem gedanken einfach nicht standhalten kann. das es nicht zu managen ist.
aber hätte ich vorher über die situation mit dieser krankheit nachgedacht, hätte ich auch gesagt, dass sowas nicht zu packen ist... man lernt mit allem umzugehen glaube ich. was heute noch unmöglich ist, muss morgen gehen.

für einen selbst dreht sich die welt auf einmal langsamer, und man hat das irrationale bedürfniss, dass das für andre genau so sein muss. was natürlich völlig idiotisch ist.
ich selbst fand krebserkrankungen in meinem umfeld immer schlimm und hatte auch echt mitgefühl. aber wenn man selbst auf einmal davon betroffen ist, ist das ne ganz andre hausnummer.

mein vater ist übrigens aktuell bei 24mg cortison.

ich wünsche euch, und auch uns, alle kraft der welt.
liebe grüße,
babsy
Titel: Re:Das Glück der anderen
Beitrag von: Paujo am 22. September 2012, 16:30:50
Hallo evlat.....

vielleicht kann Dein vater sich die Pflegezeit nehmen???? Bei größeren Firmen ist das möglich und auch gesetzlich gesichert.
Für deinen Bruder wäre es sicher wichtig einen Ausgleich zu haben ob nun Therapie oder Trauerbegleitung oder eine selbsthilfegruppe. Einfach Leute die in auffangen.
Habt ihr keinen Hospizdienst mit Ehrenamtlichen??? Dies sind geschulte Leute die den Kranken betreuen und die Angehörigen begleiten. Kostet nichts und hat uns sehr geholfen.
Mit dem ausschleichen des Cortisons wäre ich sehr vorsichtig und langsam.....
als mein Mann bedingt durch den Krampfanfall kein Cortison bekam da kamen Kopfschmerzen die unerträglich gewesen sein müssen......und Schmerzen soll niemand haben der so krank ist.
und wenns sich langsam dem letzten Weg entgegen neigt dann muß niemand Schmerzen haben....kümmert euch um nen Palliativmediziner der hausbesuche macht und sich mit den entsprechenden Medis auskennt.....
mein mann hatt nur dieses eine Mal Schmerzen und dann nicht wieder und das dank der ausreichenden Betreuung des Arztes und des Palliativdienstes.

das Glück der anderen.....Glück wird auch irgendwann wieder bei Euch einziehen....auch wenn es dir jetzt noch unvorstellbar erscheint. Ich arbeite auch daran......
wenn ich Bilder aus glücklichen und gesunden Tagen schaue dann freue ich mich über die Zeit die wir hatten und bin dankbar dafür......ich hätte gerne mehr davon gehabt aber es sollte nun nicht sein.

mich hat dieser Weg auch sehr verändert...man schaut einfach anders in die Welt.....was vorher wichtig war das ist heute unwichtig. Mehr als das Glück der anderen ärgert mich immer der Egoismus und das geheuchelte Mitgefühl......das viele nicht über den eigenen Tellerrand schauen.....lästern über andere und jammern über das Essen was nicht schmeckt oder das dies oder jenes Mist ist.

ich kann dir nur raten Mama gehen zu lassen wenn es Zeit ist. Verabschiede dich und bedanke dich für die glückliche Zeit die ihr hattet...eines Tages sieht man sich wieder.....

ich wünsche deinem Bruder und dir viel Kraft und habt Verständnis für euren Vater. Es kann nicht jeder pflegen und er meint es sicher nicht böse.......
mein Vater kann weder in Krankenhäuser noch auf Beerdigungen gehen und das haben wir akzeptieren müssen. Jeder Mensch ist anders und dein Vater wird auf seine Art leiden da kannst du dir sicher sein.

ganz viel Kraft für euch
LG
paujp