HirnTumor Diskussionsforum

Sonstiges zum Thema Hirntumor => Krankengeschichten => Thema gestartet von: Stefans Frau am 17. Juli 2006, 12:49:46

Titel: Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Stefans Frau am 17. Juli 2006, 12:49:46
Hallo!
Nachdem ich wochenlang nur gelesen und mich informiert habe ist heute der Tag gekommen an dem ich doch auch selbst Hilfe in Anspruch nehmen möchte.
Mein Mann (43) hatte im Verlauf seiner Krankheitsgeschichte (Glio IV seit 05/06) schon Persönlichkeitsveränderungen, bzw. ist der Tumor auch daraufhin diagnostiziert worden. Wir mussten zusammen (wie ihr alle) nun schon ein paar Mal in die Hölle gehen - aber auch wieder zurück! Wir haben in diesen Monaten viele innige Momente genossen oder gelitten - wie auch immer... Mit der üblichen Behandlung (Strahlentherapie, Temodal, Cortison) kam er super zurecht, das Kurzzeitgedächtnis hat sich gut regeneriert, Ausfälle hatte er nie, keine Epileptischen Anfälle. Er war teilweise wieder wie früher, also wie 1 Monat vor den ersten Anzeichen. Bestrahlung ist zu Ende und er soll sich erholen bevor die Chemo weitergeht. Aber bereits seit seinem 1. "freien" Tag ist mit ihm nichts mehr anzufangen. Er hat schlechte Laune, mault die Kinder ständig an, ist extrem leicht reizbar. Und jetzt wirft er mir alles mögliche vor, ich mache alles falsch. Ich hatte schon Angst, er gibt sich auf,  aber das ist es nicht...
Er fühlt sich zu Hause nicht mehr wohl, alles ist ihm zu viel. Aber ich weiß auch langsam nicht mehr, ob ich ihn nun unter - oder überfordere. Ich verlange ihm vorsichtshalber nichts ab, das würde er mir nur vorwerfen. Aber dass ich ihm alles abnehme, auch Streitereien mit den Kindern, hält er mir genauso vor.
Leider bin ich keine souveräne, mitleidsbekundende Frau, eher der typ impulsiv und aus jeder noch so beschissenen Lage das Beste machende. Ich konnte ihn bisher gut mitreißen und zum positiv denken motivieren. Leider bin ich nicht so geduldig und höre mir jeden Vorwurf schweigend an, was ihm vielleicht als schwer krankem Mann zustehen würde.  Ist das aber meine Pflicht? Ich hoffe, es gibt außer mir weitere Menschen, die sich
dazu bekennen auch bei einem Kranken auszuflippen.
Titel: Re:Persönlichkeitsveränderung oder Ehekrise?
Beitrag von: bine1990 am 17. Juli 2006, 14:39:38
Hallo I hope,
sorry, Krankheit hin, Krankheit her, man darf sich selbst (Angehöriger) nicht total "unterwerfen"! Ich denke man sollte Ihnen, soweit es der Zustand zulässt, sehr wohl gewisse Aufgaben zuweisen, wenn sie es nicht von selbst tun (meine Ma, Glio IV -05/05 -, kannst unter Glioblastom IV, Seiten 1-16 nachlesen, wenn du magst). In der ersten Phase nach Bestrahlung und während der Chemo war meine Ma voll fit, keinerlei Ausfälle, manchmal Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis, aber sie erledigte ihre ganzen Hausarbeiten und dergleichen, da hat sogar manchmal sie eher meinen Vater aufgebaut (dies ist ja seit der 2. OP im Dez. 05 nicht mehr möglich). Unsere Angehörigen brauchen auch eine Aufgabe um sich nicht ständig mit dem "Warum und wieso" zu beschäftigen, was im Unterbewußtsein bei jedem abläuft. Eine gewisse Persönlichkeitsveränderung tritt aber auf alle Fälle, denke ich, ein. Teilweise unbewusst, teilweise bewusst, wenn auch nur das bisher unterdrückte Unterbewußtsein zum Vorschein kommt. Meine Ma hat z. B. gesagt sie wolle nu dies oder das, als es mein Vater brachte, fragte sie ihn was sie damit solle (dies kann natürlich schon zu "Reizstimmungen" führen, da man auch als Angehöriger nur ein gewisses "Fell" hat. Aber das war eben unbewusst, sie hat es einfach nicht mehr gewusst.
Ich denke du musst da einfach ein bißchen ausprobieren, wie alt sind denn eure Kinder? Tut er irgendwas im Haus, hat bzw. hatte er ein Hobby, dass er auch jetzt wieder ausüben könnte? Auf alle Fälle musst du ihm auch Widersprechen, wenn er etwas macht oder behauptet was nicht stimmt, ansonsten wirst du ja wahnsinnig und du brauchst deine Kraft wahrlich noch für andere Sachen!
Wünsche euch viel Kraft und vielleicht mal ein gaaaanz offenes Gespräch!
Titel: Re:Persönlichkeitsveränderung oder Ehekrise?
Beitrag von: Ulrich am 17. Juli 2006, 15:17:54
Vielleicht interessiert dieser Text:

Persönlichkeitsveränderung bei Hirntumor (http://www.mc600.de/forum/index.php?board=30;action=display;threadid=504).
Titel: Re:Persönlichkeitsveränderung oder Ehekrise?
Beitrag von: Stefans Frau am 19. Juli 2006, 11:43:13
Hallo bine1990!
Vielen Dank für Deine schnellen aufbauenden Worte. Auch für den Text von Ulrich vielen Dank! Im Prinzip weiß man es ja, dass der Betroffene sich einfach verändert (hat). Manches passiert schleichend, und da kann man vielleicht auch etwas gegensteuern. Leider ging das jetzt bei meinem Mann einfach zu schnell. Innerhalb von ein paar Tagen vom liebevollen Vater zum absoluten Kotzbrocken ( :-X tschuldigung). Nein, ich mach ihm keine Vorwürfe wegen seiner Gefühle oder Gedanken, die er nicht steuern kann. Ich hoffe, es ist eine vorübergehende "Panikattake", die genauso schnell verschwindet wie sie gekommen ist.  Und ja, trotzdem bin ich auch der Meinung, dass sich nicht  jeder unterwerfen sollte. Und niemand wird sich ständig unbegründete Vorhaltungen anhören können, während man ja wirklich A L L E S macht, damit es dem Betroffenen einigermaßen gut geht. Dann fällt einem halt nicht sofort der Tumor ein, und dass das Gehirn einfach extrem belastet ist durch die ganze aggressive Behandlung. Mir tut es hinterher echt leid, aber ich bin leider explodiert... :-\
Also unsere drei Kinder sind unter 12 und die Hobbys die er bisher hatte kann er halt nicht mehr ausüben. Er war total aktiv und ein absoluter Allrounder, hat alles selbst gemacht. Und dann so ein Tumor - das ist echt der Supergau!
Ist halt Schade, dass bei körperlich guter Verfassung die Psyche streikt - denn umgekehrt hatten wirs halt auch schon. Als er psychisch gut drauf war gabs Probleme während der Strahlenbehandlung und er musste stationär aufgenommen werden. Aber wir werden auch diese aktuelle Krise meistern!
Ich hoffe, ich komme jetzt mal dazu die Geschichte deiner Mom zu lesen...
Titel: Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Stefans Frau am 01. Juli 2007, 02:41:33
Hallo ihr lieben,

ich habe mich so lange nicht gemeldet, seit ungefähr 1 1/2 Monaten mindestens. Es ging einfach nicht. Ich hatte weder die Zeit noch die Nerven mich mit anderen Schicksalen auseinanderzusetzen. Ganz großes SORRY!!! an SARABANDE, AGNES und viele andere. Ich werde mir eure Beiträge noch im nachhinein durchlesen.

Mein lieber Steff ist am 17.06.07 um 5.05 gestorben.

Ich denke mal, das letzte was ich geschrieben habe war, dass bei ihm ein zweiter Tumor im Kleinhirn entdeckt wurde. Ihm war ständig schwindlig, er hatte Sehstörungen und Schwierigkeiten mit der Sprache. Das war am 23.03.  Es ging sofort los mit neuen Bestrahlungen, Chemo lief eh schon weiter mit Temodal.  Und für mich war klar: Ich werde die nächsten Wochen nurfür ihn dasein, und nicht arbeiten, ins Internet gehen oder sonstige Dinge, die ich außer dem notwendigsten, wie Kinder, Hund, Haushalt erledigen muss, tun.

An Ostern hat er sich nur ausgekotzt und konnte ohne Hilfe nicht mehr gehen. Kurz danach hat er seinen Rollstuhl bekommen. Trotzdem wollte er immer wieder unbedingt wissen, was er noch alleine schafft und hat etliche schwere Stürze erlitten mit Platzwunden und anderen unschönen Blessuren. Er war trotz allem meistens gut drauf und wollte auch mit Rollstuhl überall hin - ins Eiscafe (allgemeiner Treffpunkt in unserem Ort) zu Aldi, einfach unter die Leute. Ich habe ihm oft gesagt, wie lieb er ist, und dass ich ihn wahrscheinlich oft anmaulen würde, wenn es umgekehrt wäre. Er hat wirklich alles mit Würde getragen. Und es kamen immer wieder Rückschritte hinzu. Wobei er vom Gedanklichen, persönlichen und auch logischen her immer besser drauf war. Somit war stets die Hoffnung da, dass sich nach der Bestrahlung auch die anderen Symptome bessern würden.

Dann kam am 19.05. der absolute Tiefpunkt. Über den Tag hinweg  ging es ihm immer schlechter. Er hat schnell geatmet und hatte keine Kraft mehr. So, dass er scheinbar morgens schon Erbrochenes in die Lunge gekriegt hat, weil ihm die Kraft fehlte, sich über seinen ständigen Begleiter, den Eimer zu beugen. Ich war den ganzen Tag schon mit dem Hospitzverein in Verbindung, bis gegen abend dann die Krankenschwester da war und eine Ärztin anrief. Die stellte eine beginnende Lungenentzündung fest. Sie kannte uns noch nicht näher und wusste nicht so recht wie wir zu den Dingen stehen. Jedenfalls hat sie vorgeschlagen, dass man das auch zu Hause behandeln kann. Wir haben aber entschieden in die Klinik zu gehen. Sie hat uns dabei unterstützt und alles weitere veranlasst. Mein Mann wurde abgeholt und ich bin mit meinem Auto zur Klinik gefahren. War ja alles irgendwie harmlos.

In der Klinik angekommen, durfte ich nicht zu ihm. Der Arzt hat mir unmissverständlich klar gemacht, dass dies eine äußerst lebensbedrohliche Situation ist, und sie jetzt von mir wissen müssten, was sie mit ihm machen sollen. Ob er lebensverlängernde Maßnahmen will oder nicht. Ich hab seine Patientenverfügung erstmal nicht erwähnt. Nach einiger Zeit durfte ich ihn sehen. Zuvor hatte ich mit einem weiteren Arzt ein ähnliches Gespräch, und es war klar, er könnte sterben, bzw. haben mir diese beiden Ärzte schon gesagt, dass auch ein gesunder Mensch mit einer Sepsis bei Pneumonie wenig Überlebenschancen hat. Als ich ihn dann endlich sehen durfte, war mir sofort klar, dass er an diesem Tag nicht sterben würde. Anschließend hatte ich mit einer Ärztin von der Intensivstation ein Gespräch, wieder das gleiche. Ich habe gesagt, sie brauchen sich gar keine Gedanken mehr über die Intensivmedizin machen, weil er das nicht brauchen wird, er schafft das auch ohne. Daran haben 3 Ärzte unabhängig voneinander nicht geglaubt. sie haben uns ein schönes Zimmer auf Station besorgt, weil sie dachten, nach der nacht ist es eh vorbei.

Aber Steff sollte noch nicht sterben. Ich wusste das. Und was ich in dieser Nacht noch erlebt habe, kann ich gern denjenigen in einer persönlichen Mitteilung erzählen, die über das Thema Glaube und Gott etwas lesen wollen.

Er erholte sich so unfassbar schnell, es war der Hammer. Am nächsten Mittag schon hatte er völlig normal Werte und es ging ihm richtig gut. Die Ärzte standen vor einem Rätsel und haben sich einfach nur gefreut. Er war insgesamt 10 Tage in der Klinik. Ich war jede Nacht bei ihm. Das Zimmer war sehr komfortabel, ich hatte mein Bett und wir haben es uns echt gemütlich gemacht.  Er war sehr geschwächt und konnte noch weniger selbständig tun als vorher. Wir dachten, das kommt auch wieder. Wir müssen ihn halt zu Hause aufpäppeln.

Kaum zu Hause, war wieder der MDK da und hat ihn sehr schnell auf Pflegestufe III hochgestuft. Ich hatte mittlerweile Pflegebett, Toillettensitz und Duschsitz zu hause. Der Pflegedienst kam auch. Ich konnte es nicht mehr alleine schaffen, ihn morgens fertig zu machen. Es waren harte Tage, an denen ich dachte, ich stehe vor einem so hochen Berg dass ich nicht darüber schauen kann. Ich wusste nicht, wie ich das alles schaffen sollte.

Am 5. Tag zu hause erneut Beschwerden. Wieder in die Klinik. Verdacht auf erneut aufgekeimte Lungenentzündung. Diesmal nicht mehr die Frage, ob Intensivmedizin noch wünschenswert war, sondern schon das Antibiotikum war scheinbar zu viel des guten. Das wollte ich nicht mehr selbst entscheiden. Also hab ich ihm das überlassen. Er sollte sich das genau überlegen, ob er nochmal alles mitmacht. ich konnte ihm nur versichern, dass ich ihn pflege, so lange es dauert, dasss ich es gerne mache, auch die Kinder, alle Freunde, jeder. Aber er ist der Mann, wenn er nur noch seine Ruhe haben will, dann müssen wir das akzeptieren. Er hat stundenlang überlegt. In dieser Zeit war mir klar - lieber weiterhin das alles machen, als ihn zu verlieren. Und der Berg war weg. Er hat sich entschieden weiter zu kämpfen.

Dieses mal hatte er nicht die gleichen Highlights wie zuvor. Aber auch nichts an der Lunge. Die war total i. O. Jetzt war es ein Harnwegsinfekt. Und ich dachte: Klasse, und da überlegen die, ob sie ihm überhaupt noch Antibiotika antun sollen. Es war so ein Zustand der allgemeinen Schwäche, und das hat stagniert. Nach einer Woche in der Klinik gab es schon eine dramatische Situation, wo ich nicht wusste, was hier abgeht. Es ging ihm schlecht. Für mich erkennbar. Der gerufene Arzt konnte nichts feststellen. Herz, Lunge, Blutdruck, Puls, Blutwerde - alles wunderbar. Am Tag zuvor habe ich das allererste Mal festgestellt, dass er jetzt leidet. Keine Schmerzen, aber eben ein Leiden, das mir angst machte. Danach habe ich meine Kinder mitgenommen und den Großen gesagt, sie sollen sich verabschieden.

2 Tage später wurde er aus der Klinik entlassen. Medizinisch hat ihm nichts gefehlt außer seinen Tumoren, von denen keiner wusste, wie sie sich verhalten haben. Wir hatten soviel Hoffnung, weil er wirklich so aufnahmefähig war und sich alles merken konnte. Sein Hirn hat im Gegensatz zu früheren Zeiten super funktioniert. Ich hatte schon den kurzen Gedanken daran, dass ja nach ein paar Tagen wieder was sein könnte. Und da hab ich schon beschlossen, ihn nicht mehr in die Klinik zu bringen. Jetzt weiß ich aber, dass das seine Gedanken und Gefühle in mir waren, dass ich immer wusste, was für ihn das richtige war.

Am Mittwoch, den 13.06. kam er also das zweite mal aus der Klinik heim. Wieder schwächer. Mittlerweile musste er gefüttert werden. Er war seit Sonntag bettlägrig. Die nächsten paar Tage gab es ebenso wunderschöne wie furchtbare Situationen.

Am Samstag morgen um 5.30 bin ich aufgewacht und aufgesprungen. Ich hab ihn angesehen und er mich. Ich hab gesagt. Steff, du musst jetzt was trinken. Ich gab ihm mit dem Teelöffel etwas Tee in den Mund und es kam wieder hervor mit  weißem Schaum. Da wusste ich, das wars. Ich hab ihm dann gesagt, dass ich jetzt seinen besten Freund anrufe. Da hat er mich noch angesehen und dann die Augen zugemacht. Ich hab den Hospizverein, seine ganze Familie, seine ganzen Freunde, meine besten Freundinnen angerufen. Um sechs Uhr war unser Haus schon ziemlich voll. Dann herrschte etwas Hektik. Den Pfarrer anrufen, die restlichen Leute anrufen usw. Wir dachten alle, in  ner halben Stunde ist alles vorbei. Er wurde immer ruhiger, je mehr Leute da waren. Unser Kleiner Sohn hat oben geschlafen, und ich dachte, bevor der aufwacht, ist es vorbei. Aber als er um 9.30 aufgestanden ist, war bereits alles so friedlich, und ich dachte, auf ihn hat er jetzt noch gewartet. Marian ging hin, nachdem ich ihm gesagt hatte, dass sein Papa heute sterben muss, weil das Leben zu schwer für ihn geworden war, und dass er gerne noch bei ihm bleiben würde, das aber einfach nicht kann, und dass er zum lieben Gott gehen wird weil er dort wieder gesund sein wird. Marian wusste eh schon bescheid, er war schließlich derjenige, der zwei Tage zuvor das erste Mal in dieser ganzen Krankengeschichte, wo über alles so frei gesprochen wurde, weinte und sagte, er will dass Papas Tumore weggehen und Papa soll nicht sterben. Das Kind lebt einfach vom Gefühl, und nachdem er immer alles aussprechen konnte und da aber erstmals vom sterben sprach, bekam ich schon Angst, ob er vielleicht was ahnt was ich noch nicht ahnen kann... Er hat sich zu ihm ins Bett gelegt und ihm lauter süße Sachen ins Ohr geflüstert. Ich hab ihm dann versichert, dass er ruhig spielen gehen darf, dass Papa sich darüber freut. Unsere Freunde waren so toll, dass sie sogar ihren gleichaltrigen Sohn geholt haben, damit die beiden zusammen spielen können. Im Laufe des Tages kamen immer mehr Leute, es gingen auch mal welche zwischendurch, es kamen mehr Kinder dazu. Und auch meine Großen, die erstmal Abstand gebraucht hatten, konnten wieder ohne angst dazukommen, nachdem ich ihnen versichert hatte, dass es nichts gibt, wovor sie angst haben müssten, dass Dad einfach friedlich schläft und schnauft, aber sehr wohl weiß wer da ist und dass er sie braucht und auch ich und der Kleine.  

Wir waren ca 30 Leute im Haus. Es wurde soviel geweint, es wurde gelacht, es wurde gekocht und gegessen. die Kinder sprangen draußen in den Pool und wenn sie reinkamen haben sie Steff gestreichelt, und davon geschwärmt, wie er immer gezaubert hat. Jeder hat sich einzeln von ihm verabschieden können, manchmal waren fast alle im Raum, manchmal nur die eltern und ich. diesen Tag wird keiner von uns je vergessen. Er hat sich sogar zwischendurch richtig "erholt". Da kam sofort wieder Hoffnung auf . Für mich war dann aber klar, das allerletzte mal. Danach will ich nicht mehr hoffen, sondern es gut sein lassen. Wir hatten schon so ungefähr 18 Stunden so verbracht, als ich etwas seltsames in mir bemerkte. Das war der zeitpunkt, als seine Seele schon unter uns unterwegs war. jeder hat sich dann gefragt, wie lange es noch dauern würde. Ich hatte das bild vom morgengrauen vor mir. als ich dann mal kurz allein war, hab ich mir selbst diese Frage gestellt, wann wird es so weit sein? Ich hab ganz klar mit offenen augen die 5 vor mir gesehen und dann auch den "ungeduldigen" die sich schon gefragt haben, warum er denn jetzt nicht "erlöst" wird gesagt, dass es nicht vor 5 uhr sein würde. Wir hatten uns schon am Abend überlegt, was wir tun sollten, wenn er denn eingeschlafen ist. Ich hatte die Idee, ganz viele Teelichter auf seinem Pool schwimmen zu lassen. Die Freunde haben dann mit den Kindern seinen Namen aus Teelichtern geformt auf Bretter gelegt, die Mädchen haben es mit Blumen geschmückt. Es war alles vorbereitet, wir waren alle vorbereitet. Aber Steff hat es scheinbar so genossen, alle um sich zu haben. Er hat sich einfach Zeit gelassen. Ich wusste genau wann und wie alles sein würde und genau so war es. Er hat einen vorletzten Atemzug gemacht und dann kam lange nichts. In dieser zeit hab ich dauernd gesagt, es soll keiner erschrecken, es kommt noch was - ein mal noch. Und dann hat er nur noch alles Leben ausgehaucht. Ich hatte die ganze zeit meine hand auf seinem herzen und habe es immer schwächer schlagen gespürt.

Ich hab ihm dann gesagt, wie dankbar ich dafür bin, dass ich so eins mit ihm geworden bin, dass ich so froh bin, dass er mir zu verstehen gegeben hat, wie alles ablaufen würde und es einfach schön ist, die Gewissheit zu haben, dass er genau der richtige für mich war. Ich habe Gott dafür gedankt, dass es keine einzige unwürdige Situation gab und Steff einfach in Frieden gehen durfte. Ohne Anfall, ohne Stöhnen, ohne Winden oder Augen aufreißen. In diesem Moment dachte ich nie und nimmer, dass es mich dermassen schwer treffen könnte, wenn er dann tatsächlich nicht mehr da ist.

Nachdem meine Kinder sich dann ein allerletztes mal von ihrem Vater verabschiedet haben und ich sie morgens um 6.30 wieder ins Bett gebracht habe war auch ich noch mal ganz allein mit ihm. Seine Seele war auf jeden Fall im Raum, aber jeglicher Geist war aus dem Gesicht, aus dem Körper verschwunden. Als ich eine Stunde lang versucht habe zu schlafen, es aber nicht konnte, war es mir nur noch wichtig, dafür zu sorgen, dass er so schnell wie möglihch abgeholt wird. Ich wollte mir und den Kindern den Anblick ersparen wie er vom Bestatter rausgefahren wird. Danach bin ich dann doch noch total zusammengebrochen mit dem Gefühl, dass ich diese überwältigende Traurigkeit nicht überleben könnte - ich wollte aber.  Als ich dann genau wie mein Mann reagiert habe und alle Anzeichen, die wir immer an ihm beobachtet haben so real für mich fühlbar waren - ich konnte weder richtig sprechen, noch hatte ich Kontrolle über meinen Körper- war mir klar, dass er mir und denen, die noch da waren zeigen wollte, wie es ihm immer ging. Und das war so unerträglich, dass ich wirklich nach einem Arzt verlangen musste. Es war nicht auszuhalten. Aus diesem Grund weiß ich heute, er konnte nicht mehr kämpfen. Es war besser für ihn, zu gehen.

Am 21.06. war die Aussegnungsfeier und nach dem offiziellen Teil und dem leidlichen Verwandchaftsgeplänkel haben wir unsere "etwas andere Trauerfeier" ganz nach Steffs Geschmack gestaltet. Er stand sein Leben lang gerne im Mittlelpunkt und hat auch das noch genossen. Er ist einfach ganz nah bei uns und wir fühlen uns auf einer Welle getragen, was vieles so sehr erleichtert. Bis jetzt geht es uns nicht wirklich schlecht, weil wir wissen, es war alles gut so wie es war und es war in seinem Sinn.

Ich hoffe, ich kann mit unserer Geschichte Mut machen ohne jemandem die Hoffnung auf Heilung zu nehmen. Ich habe erfahren, dass ALLES möglich ist. Es ist schön, daran zu glauben. Die Hoffnung stirbt nie, denn selbst beim Sterben ist die Hoffnung auf einen friedlichen Tod und ein ewiges Leben vorhanden.

Eure Ihope
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: agnes am 01. Juli 2007, 10:53:01
Liebe Ihope!

Mein allerherzlichstes Beileid :'( :'(

Du hast diesen Eintrag so schön geschrieben, ich habe nur geheult.....
Du hast die letzten Stunden im Leben Deines Mannes so toll gestaltet, ich weiss nicht, ob ich die Kraft dazu hätte...

Ich bin zur Zeit nur verzweifelt, sehe wie es meinem Mann jeden Tag ein Stück schlechter geht und  ich habe so große Angst vor dem, was noch kommt, wie ich das alles schaffen soll....aber Du und viele andere haben es auch geschafft :'( :'(

Ich wünsche Dir und Deinen Kindern viel Kraft für die kommende Zeit
alles Liebe Hilde

Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Doro66 am 01. Juli 2007, 11:32:32
Liebe Ihope,

d  a  n  k  e

daß wir an deinem / eurem Abschied von deinem geliebten Steff teilnehmen durften.
Ich glaube, ich habe nie was "Schöneres" gelesen.

Wenn jemand so gehen darf, nimmt es dem Tod den Schrecken; -- und für uns alle wird irgendwann dieser Tag kommen.

Meine herzliche Anteilnahme und viel Kraft für dich

Doro

PS: Wünsche auch uns allen viel, viel Kraft für die Zukunft
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Stefans Frau am 01. Juli 2007, 21:27:42
Liebe agnes, liebe Doro,

vielen Dank  für eure Anteilnahme. Es war einfach auch schön. Alle, die dabei waren sind so innig miteinander verbunden (ausgenommen seine Familie, die uns das nicht gönnt) dadurch, und keiner von uns verbíndet mit dem Sterben etwas furchtbares mehr. Meine Kinder und ich kommen so gut zurecht, wir genießen einfach auch wieder die Freiheiten, die wir jetzt wieder haben, obwohl wir wirklich kaum etwas unternehmen. Es kommen sowieso jeden Tag immer andere Freunde die sich nach uns umsehen.
Es war einfach gut so wie es war. Steff wollte scheinbar unbedingt nach hause, hat dafür gesorgt, dass seine ganzen Werte für eine Entlassung aus der Klinik sprechen und er wollte auch dass alle dabei sind. Wieso hätte er sonst an eínem Samstag-Morgen angefangen zu sterben? An jedem anderen Tag hätten viele nicht so viel Zeit gehabt. Für mich war halt auch seit einer Woche klar, dass er leidet. Und das wollte auch ich nicht mehr. Aber es ist doch gut, dass er ansonsten eine meist gute Zeit hatte. Es waren 14 Monate mit allen Auf und Abs, und am schönsten war sein Triumphzug von Weihnachten bis nach Fasching, als er nochmal Snowboard fuhr und Fahrrad und sonst auch richtig Gas gegeben hat. Und alles Schlimme hat er mit so viel Würde getragen.

Das, was ich ihm in den 14 Monaten gegeben habe, hatte er mir schon die 10 Jahre zuvor gegeben. Ich bin so dankbar, dass ich das noch konnte. Ein plötzlicher Tod wegen Unfall z.B. wäre viel, viel schlimmer für uns alle.  

Ne scheiß Krankheit ist das - aber wir haben das beste draus gemacht!!!

Liebe Grüße,
Ihope
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Phoenix am 01. Juli 2007, 23:07:43
Liebe IHope...........

auch ich mußte bei deinem Beitrag heulen wie ein Schloßhund.........teileweise erinnerte es mich sehr an unsere Situation, gerade wie du schreibst mit der Antibiotikabehandlung und den lebensverlängernden Maßnahmen.....diese Fragen,dessen Konsequenzen fast nicht zu tragen sind..........wie in einem falschen Film, man dreht sich um und denkt........mit wem redet der da? Mit mir ? Geht nicht, wie kann ich entscheiden.........und auch ich habe es dann einfach auch meinem Mann überlassen...........er hat soviel bekommen wie ich es für nötig befunden habe, es tat ihm aber nicht so gut........dann hab ich gesagt......so, jetzt ist es deine Entscheidung was daraus wird..............


Das Sterben deines Mannes ist sehr friedlich verlaufen  und du hast es wunderschön gestaltet...........ich wünsche dir, das diese Kraft dich weitertragen kann...............

Alles Liebe Esther
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: petra69 am 02. Juli 2007, 16:28:28
 :'( :'( :'(

ich sitzte hier schon sehr lange und weiß eigentlich nicht recht was ich schreiben soll oder will (habe viel im Kopf und bekomme es nicht aufs Papier)
Es tut mir so leid,
wenn du vor mir stehen würdest, würde ich dich am liebsten knuddeln.
Ich wünsche dir alle Kraft der Welt und die tollsten Freunde brauche ich dir nicht zu wünschen, die hast du schon gefunden.
Die etwas durcheinandere
Petra
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Sarabande am 03. Juli 2007, 11:09:16
Liebe IHope,

In Salman Rushdie’s “Shalimar the Clown” gibt es eine Episode, wo die Frau eines Mannes unerwartet während eine Feier stirbt.  Die Leute sind eingeschneit, alles läuft schief.  Aber der Mann fängt plötzlich an, die Indische Liebesgöttin zu loben.  Alle andere halten ihm für Verrückt, aber er erklärt, „Erst jetzt, wo sie nicht mehr da ist, weiß ich wirklich, was ich an ihr hatte, was für ein unglaubliches Glück ich mit diese Ehe hatte…“ (oder so ähnliches – ich schreib nur aus dem Gedächtnis).  

An dies musste ich bei deinem Bericht denken. Ich bewundere deine positive Kraft durch diese unmöglich schwierige Zeit, und freue mich für euch, das ihr das alles so schön gestaltet haben.  

Mein herzliches Beileid auch. Ich wünsche euch weiterhin viel Kraft. Es kommen noch schwierige Tage, Wochen, und Monate. Lass dir von deinem wunderbaren Freundeskreis weiterhin unterstützen,

Alles Liebe,

S.
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Andrea Jobs am 04. Juli 2007, 22:47:01
hallo dein eintrag ist einfach wunderbar ich bewundere dich wie du so offen über alles reden kannst ,mir kamen die tränen

Liebe grüsse andrea
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Stefans Frau am 06. Juli 2007, 17:30:35
Liebe phoenix, jussi, petra, sarabande und andrea!

Vielen Dank für eure lieben Antworten, eure Anteilnahme dass ihr scheinbar unsere Begeisterung über das wie und wann teilen könnt.

Heute war die Urnenbeisetzung. Auch dabei hielten wir uns sehr tapfer, bzw. gab es keinen Grund für irgendein Unwohlsein. Kein Gefühl dieser Urne gegenüber. Das war auch schon so als wir bei der Aussegnung am Sarg standen. Da kam nichts rüber, es war nur eine Holzkiste mit einer Körperhülle darin. Steff war in diesen Momenten anders bei uns. Als der gleiche Sänger, der schon bei unserer Hochzeit so wunderschön gesungen hat, anfing mit "tears in heaven" waren die ersten Takte noch schwer. Und dann hab ích Steff nur noch dazu pfeifen gehört und gespürt wie sehr ihm das gefällt. Ich musste direkt aufpassen nicht offensichtlich zu grinsen, denn innerlich hab ich das getan. Auch meine Kinder hatten es nicht schwer. Wir hatten teilweise das Gefühl, die vielen (es waren hunderte) Leute (manche waren in Tränen aufgelöst) trösten zu müssen. Wir standen da wie der Fels in der Brandung mit unserem inneren Frieden und wahrscheinlich haben auch viele gedacht, ich bin entweder gefühlskalt oder mit Medikamenten vollgepumpt. Aber ich kann mich wirklich nicht jedem erklären.
Es war alles stimmig und rund und ohne jede Verzweiflung. Das hatte ich ja alles schon lange hinter mir. Ich hab schon so viele Tränen um unser altes und mein neues Leben geweint.

Ich hoffe nun einfach, dass mich das alles noch lange trägt. Es kommen vielleicht noch andere Zeiten, aber jetzt hab ich erstmal die Gelegenheit mich zu erholen und mich auch in meiner Haut wieder wohl zu fühlen- ohne die ständige Zerrissenheit zwischen Kindern und Steff. Jeder wollte mich, jeder brauchte mich. Ich konnte mich teilweise nicht mehr bewegen weil ich nur noch Schmerzen hatte vom vielen Heben und abgenommen hab ich auch zu viel. Ich hab jedenfalls keine Panik mehr in mir, auch was die eigentlich katastrophale finanzielle Situation angeht. Es wird alles werden - mit Gottes Hilfe. Darauf vertraue ich.

Seid alle lieb gegrüßt von
Ihope
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Andrea Jobs am 06. Juli 2007, 22:32:50
du bist wunderbar wie du alles meisterst
denk nun an dich und deine kinder
und ihr habt jetzt einen schutzengel der auf euch aufpasst
gruss andrea
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Knusperflakes am 10. Juli 2007, 13:14:29
Liebe Ihope!

Mit deiner Geschichte hier gibtst Du wirklich Mut; das Gefühl, dass es schon gehen wird und dass alles zu einem "ordentlichen" Ende kommen wird...

ich traue meiner Mamaauch zu, dass sie es in gewisser Weise steuert, wenn es dann so weit ist...

Klingt jetzt vielleicht blöd, aber irgendwie bin ich fast ein bisschen "gespannt" darauf (ein besseres Wort fällt mir gerade nicht ein...)
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Stefans Frau am 12. Juli 2007, 12:58:36
Liebe Andrea, liebe Knusperflakes und alle anderen,

Gestern war ich in der Strahlenklinik. Ich wollte zu der Psycho-Onkologin, die ich sehr schätze. Sie hatte mich zu Hause angerufen, als sie gehört hat, dass Steff gestorben ist. Sie hat ihren Mann erst im Oktober wegen Krebs verloren. Er hatte die gleichen Prognosen wie Glio-Patienten und hat auch nur 17 Monate geschafft. Sie weiß also wirklich, wovon sie redet. Leider hab ich sie nicht angetroffen, aber eine Schwester aus der Tagesklinik, wo wir so viele Male saßen. Sie hat mich in den Arm genommen und sich dann länger mit mir unterhalten. Sie fand es so toll, dass alles so in der Familie abgelaufen ist, wie es früher eigentlich üblich war. Und hat bedauert, dass es leider manchmal wirklich nicht anders geht oder die Angehörigen denken, im Krankenhaus ist das ganze steril verpackt am besten aufgehoben. Ich habe ein paar Trauerbilder dort gelassen. Es war sehr seltsam, allein dort hin zu gehen. Und befreiend wieder raus zu gehen ohne irgendeine Unruhe. Ich kann jetzt wieder einfach so wo hingehen, ohne erst alles zu organisieren, ohne für jemanden mitzudenken und kann mich auch zu Hause frei bewegen ohne dass mir am Tag zigmal das Herz fast stehenbleibt, weil ich irgendeinen Seufzer oder ein Geräusch höre das auf einen Anfall oder Sturz hindeutet.

Ich wünsche euch allen noch viel Kraft für die Krankheit eurer Angehörigen.
Bis denn,
Ihope
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Kanita am 12. Juli 2007, 18:55:00
Hallo Ihope,

ja, Trauer ist seltsam und unbeschreiblich. Und auch ich kenne dieses erlösende Gefühl, nicht mehr sorgen müssen, nicht mehr organisieren müssen, nicht mehr nach jedem Geräusch hören müssen - Freiheit. Aber um welchen Preis !? Für wen jetzt leben? Wo ist die Lebensperspektive?

Ich hatte Phasen in denen ich die Freiheit geniessen konnte, ich habe viele gute Freunde die mich auffangen und unterhalten. Im Moment geht es mir mal wieder schlecht. Aber ich will das erleben, das gehört einfach dazu. Das Monster hat ganze Arbeit geleistet, aber es ist jetzt auch tot (diesen Gedanken finde ich faszinierend !).

Jetzt müssen wir unseren Alltag in den Griff bekommen - mal schauen wie es uns gelingt.

Herzliche Grüße - Kanita
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Stefans Frau am 29. August 2007, 13:27:26
Liebe Kanita und alle anderen.

Wieviel Zeit ist nun vergangen? Ich hab keine Ahnung! Ich zähle nicht die Tage. Ich gehe nicht ans Grab. Ich zünde auch nicht mehr jeden Tag die Kerze daheim an. Ich denke ganz viel an meinen Mann, wir reden viel über  ihn, manchmal mit ihm, lachen wenn uns seine Witze einfallen - aber weinen tun wir wenig. Und wenn es mich überkommt, dann lass ich es einfach zu. Und manchmal kommt es wie ein Schlag ins Gesicht von jetzt auf gleich. Und dann denk ich, so, jetzt kann ich den ganzen Tag nicht aufhören zu weinen. Und dann würd ich auch das zulassen. Aber so ist es dann eben nicht. Ich träume nicht mal von ihm. Auch das zeigt mir, dass alles gut ist. Ich fühle mich sehr frei und beschenkt. Ich geniesse das Leben. Auch wenn das viele nicht verstehen können. Ich hab gesehen, wie kurz das Leben sein kann. Und wenn einer sein kurzes Leben in vollen Zügen genossen und ausgefüllt hat, dann war das mein Mann. Vielleicht ist es sein Vermächtnis an mich, mich so jung und zu allem bereit zu fühlen und mir die Gewissheit zu geben, dass mir noch viel schönes widerfahren wird.

Ich wünsch euch allen alles Gute!
Ihope
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Knusperflakes am 30. August 2007, 14:09:09
Hallo!

Das find ich sehr schön, was Du da schreibst.

Ich find es ganz wichtig, zu erkennen, dass das Leben weitergeht und hoffe, dass es meiner Familie auch so gehen wird, wenn meine Mama nicht mehr da ist...

Lg,
Theresa
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Stefans Frau am 05. September 2007, 13:32:05
Liebe Knusperflakes,

genau das ist es. In dem Moment wo ein geliebter Mensch stirbt, denkt man jetzt müsste doch die Welt mal eben kurz aufhören sich zu drehen. Und wenns nur 2 Minuten sind. So dass jeder mitkriegt was hier los ist. Auch wenn so wie bei uns alles friedlich und im Einklang abläuft. Das ist es was man sich in diesem Moment wünscht.  
Aber so geht es eben nicht. Die Erde wird niemals aufhören sich zu drehen und so wird auch unser Leben weiter gehen. Immer weiter, immer geradeaus. Wer weiter will, muss weiter geradeaus. Singt Nena und ich hör das sehr gerne weil es einfach wahr ist.
Und wir können auch nicht in dem Sinne des Verstorbenen weiterleben. Er ist nicht mehr da und muss mit keinerlei Konsequenz mehr mitmachen. Da wo mein Mann jetzt ist, ist für ihn sowieso alles anders als hier. Er ist ja schon viel weiter und kann das irdische gar nicht mehr wollen. Und ich kann hier nicht übertrieben Rücksicht nehmen auf jemanden der nicht mehr da ist. Und er wird sich ganz sicher niemals "im Grab umdrehen". Es ist traurig zu wissen, dass in unserem Haus nie mehr solche Partys stattfinden wie mit ihm, dass er uns nie mehr seine berühmten Geburtstagstorten oder seine leckeren Pizzen machen wird. Aber genau das ist es doch, was ihn ausmachte und was ihn in unseren herzen weiterleben lässt, dass es eben niemals irgendjemand anders sein wird, der das ersetzen kann. Das sollen wir auch vermissen. Aber trauern brauchen wir deswegen nicht. Wir müssen eben anders feiern. Aber weder nacheifern noch alles ausfallen lassen. Halt neue Wege gehen...

Ich wünsche euch allen inneren Frieden.
Ihope
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Kanita am 05. September 2007, 19:56:26
Hallo Ihope,

was Du schreibst ist genau richtig. Und irgendwo bin ich gerade dabei mein Leben ein wenig auf den Kopf zu stellen. Ich bin allein und keinem Rechenschaft schuldig und muss auch keine Rücksicht nehmen. Und genau deshalb bin ich zur Kur ( ! ich und zur Kur, unvorstellbar !) an einen Ort gefahren, an dem mein Mann nach drei Tagen nicht auszuhalten gewesen wäre. Und es war erstaunlicherweise sehr schön dort - für mich.

Trotzdem fehlt er mir an allen Ecken und Kanten. Aber es stimmt, es wird nie mehr so sein wie mit ihm, trotzdem kann es schön sein, nur eben anders.

Wollen sehen, welche Abenteuer das Leben für uns bereit hält. Herzliche Grüße - Kanita
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Stefans Frau am 19. November 2007, 11:55:52
An alle Trauernden:

Ich möchte nicht jedem/jeder einzelnen, der/die jemanden an diese schreckliche Krankheit verloren hat, immer wieder das gleiche schreiben. Mein Beileid auszudrücken für etwas das ich ganz genau kenne ist seltsam. Nicht mal den Betroffenen, Hinterbliebenen fallen bessere, tröstendere Worte ein als jedem anderen. Unsere Sinne werden so geschärft während wir unsere Lieben umsorgen, dass Kleinigkeiten unbeschreiblich schön empfunden werden und das schlimme dann auch so unbeschreiblich ist, dass man dafür keine Worte finden kann.

Ich habe viel Trost in schönen Gedichten, Sprüchen und ganz persönlichen Mitteilungen gefunden, die wirklich auf meinen Mann gemünzt waren. Und wenn es nur 7 Worte in einer Karte waren: "Er hat jeden Raum mit Sonne geflutet". Und das war er - ein richtiger Sonnenschein. Wie schön, dass er genau das an seinen Sohn weitergegeben hat.

Was ich an euch weitergeben möchte ist ein Lied von James Blunt, aus seinem neuen Album (der Titel ist leider "All the lost souls" )  Als ich es das erste Mal gehört habe empfand ich es sofort als Gruß von meinem Steff, der Text, die Melodie und wie James es singt geht einfach unter die Haut. Es spricht einfach für sich:

I´ll take everything in this life

Oh these feet carry me far. Oh my body. Oh so tired. Mouth is dry. Hardly speak. Holy spirit rise in me. Hear I swear, forever is just a minute to me.

I´ll take everything in this life. I´ll join everyone when I die.

Have my body. Have my mind. Have my coat. Take my time. These I borrow. Borrow so far. Turn to dust. Fall apart.
Hear I swear, forever is just a minute to me.

I´ll take everything in this life. I´ll join everyone and understand. Cause all men die. Cause all men die.
I´ll take everything in this life. I´ll join everyone since I´m gonna die.

Zu deutsch:

Oh diese Füße tragen mich weit. Oh mein Körper. Oh so erschöpft. Mund ist trocken. Spricht kaum. Der heilige Geist steigt in mir auf. Ich schwöre, die Ewigkeit ist nur eine Minute für mich.

Ich nehme alles, was mir das Leben gibt. (lasse alles auf mich zukommen)
Ich werde alle treffen, wenn ich sterbe. (wir werden uns alle irgendwann wiedersehen)

Ich habe meinen Körper, habe meine Gedanken, habe meinen Mantel, nehme mir Zeit. All das ist nur geliehen, bis jetzt. Wird zu Staub, wird zerfallen.

Ich schwöre, die Ewigkeit ist nur eine Minute für mich.

Ich nehme alles, was mir das Leben gibt. Ich werde alle treffen und werde verstehen. Denn alle Menschen sterben. Denn alle Menschen sterben.

Ich nehme alles, was mir das Leben gibt. Ich werde alle treffen, denn ich werde sterben.


Ich wünsche euch allen inneren Frieden.
Ihope

Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: agnes am 19. November 2007, 21:59:07
Liebe Ihope!

Ich finde es toll, dass Du diese Sichtweise hast und das Lied von James Blunt ist ein Traum.

Aber was hilft es mir, wenn ich weiss, dass wir alle sterben müssen.
So Gott will, werde ich noch einige Jährchen hier auf der Erde verweilen (bin 43) und diese Zeit muss ich aber ohne meinen Mann verbringen oder durchstehen?? ich weiss nicht, wie ich sagen soll.
Ich war die letzten 12 Jahre ziemlich auf meinen Mann fixiert (und er auf mich) - es ist nun eben sehr schwierig, dass er nicht mehr da ist .....
muss mein Leben erst neu organisieren...

es freut mich aber sehr, dass Du mit dem Ganzen so gut umgehen kannst

LG Hilde
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: claudia66 am 20. November 2007, 01:29:39
..schicksal als chance sehen, vielleicht ist das der weg..keiner von uns ist ewig, wir sind alle gäste auf dieser erde..manche gehen früher, andere später..ich lebe mit dieser diagnose was meiner freundin betrifft, seit februar dieses jahres und sehe es als chance, mich mit dem thema tod auseinanderzusetzen..und loszulassen..und lernen, immer wieder, daß nix und niemand auf der erde ewig ist..wir müssen alle lernen, abschied zu nehmen und denken, alles was endet, lässt platz für etwas neues...ich weiß, es ist sehr schwierig und bekomme auch immer wieder die krise, aber ich muss durch, jeder der mit dieser krankheit konfrontiert wird, muss dadurch und wir können es nicht ändern..es gehört wahrscheinlich zum weiterentwicklungsprozess für die menschheit..ganz hart, aber es ist so..ich konnte es auch erst mit 40 jahren lernen, aber man hat nie ausgelernt...

Ich wünsche uns mut, kraft und viel licht und energie, um das leben zu leben, mit allem was dazu gehört..auch der tod gehört zum leben...

claudia66
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Stefans Frau am 11. August 2008, 11:40:10
Hallo Ihr Lieben!

Nach sehr, sehr langer Zeit hab ich mich mal wieder im Forum umgesehen. Es ist halt immer wieder das gleiche. Neue Schicksale, schreckliche Geschichten, viele viele Leute die man einfach nur trösten möchte. Ich habe damals wohweislich die Überschrift für meinen Eintrag gewählt- Abschied vom Leben mit Glioblastom. Nicht nur mein Mann hat sich aus diesem Leben verabschiedet, auch ich habe entschieden ganz ohne Glioblastom zu leben. Obwohl es auch in meiner Umgebung Menschen mit dieser Erkrankung gibt und ich dafür immer ein offenes Ohr haben werde, ist es für mich ein Thema, mit dem ich mich auskenne aber das für mich nicht bestimmend ist. Eine Schublade, die ich gut auf - aber auch wieder gerne wieder zumachen kann.

Neulich habe ich einen jungen Mann kennengelernt, der wegen eines Motorradunfalls querschnittgelähmt ist und viele andere schwerwiegende Verletzungen davongetragen hat und zudem auch vor und seit diesem einem Jahr das seitdem vergangen ist so viel Schrott erlebt hat, das man es sich kaum vorstellen kann. Er hat so viel Energie und Lebenskraft ausgestrahlt, war wahnsinnig interessiert an den verschiedendsten Dingen, das hat mich fasziniert.

Ich hab ihm gesagt, dass das Leben oft so wie bei ihm von einer Sekunde auf die andere völlig aus den Bahnen geraten kann. Er hat mir daraufhin gesagt, er glaubt manchmal jetzt schon in der Hölle zu sein. Dann hab ich ihm gesagt, dass es aber auch sehr schnell alles wieder gut werden kann. Und dass ich vor einem Jahr auch nicht gedacht hätte, in welchen Dimensionen sich das abspielen kann. Ich hab ja damals schon geschrieben, dass ich ganz sicher weiß, dass ich wieder glücklich werden würde.

Und jetzt hab ich einen sehr sehr lieben Partner an meiner Seite, der mein ganzes bisheriges Leben mitträgt. Und das schönste ist, wir erwarten ein Kind. Es war nicht geplant, ist aber absolut erwünscht und für uns ein Geschenk Gottes. Natürlich ist das für manche ein Skandal. Und die ganz kleinkarierten meinen mich nicht mal mehr grüßen zu müssen. Aber hätten die alle mit mir tauschen wollen noch vor 1 - 2 Jahren? Wissen die wie es ist, jemanden sterben zu sehen und dann plötzlich ganz allein zu sein?

Es ist schon traurig, dass manche Leute einen lieber leiden sehen. Dann können sie nämlich in Aktion treten und versichern, wie sehr sie einem helfen und dass sie immer für dich da sind. Dann fühlen sie sich wahrscheinlich richtig was wert weil sie sonst keine Anerkennung finden. Sie wollen nicht sehen, dass es dir wieder gut geht und sie nichts dafür getan haben. Wahre Freunde erkennt man nicht nur daran, dass sie für dich da sind wenn es dir schlecht geht, sondern auch daran, was sie dir tatsächlich gönnen und nicht neiden wenn es dir supergut geht.

Wie soll man das erklären, wenn man wieder liebt, obwohl man den geliebten Menschen verloren hat? Es ist doch aber nichts verloren gegangen. Das was er hinterlassen hat, ist doch noch da und wird es immer sein. Dieses Paket ist hier bei uns und bewegt sich keinen Millimeter. Es ist halt nicht wie bei einer Trennung oder Scheidung, wo einer nicht mehr will und der andere vielleicht lange Zeit auf Versöhnung hofft. Worauf sollte ich warten? Dass er wieder zurückkommt?

Ich bin gespannt, ob es Reaktionen darauf gibt und welche. Ich bin für alles offen!

Machts gut!
Bis denn,
I hope

Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: fips2 am 11. August 2008, 11:49:10
Hallo Ihope

Ein wunderschöner Beitrag der voll den Sinn deines Nicks wiederspiegelt.

Menschen mit so einem Nick können das Leben nur positiv sehen, weil sie die richtige Einstellung dazu haben.

Das Leben geht weiter voller Hoffnung und das ist gut so.

Ich wünsche dir von ganzem Herzen für die Zukunft alles Gute und viele glückliche Tage.

Fips2
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: claudia66 am 11. August 2008, 12:37:39
hallo I hope

wer im leben stehen bleibt, hat schon verloren.Also lauf' ruhig deinen weg weiter, ich denke, dein mann möchte es auch nicht anders für dich. Leute, die nicht über den tellerrand denken und sehen können, sind deiner gedanken nicht wert.

Ich wünsche dir alles liebe und gute, denn du hast es ja auch verdient.

Ganz liebe grüße

Claudi
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: rit am 11. August 2008, 17:40:01
Liebe Ihope,

es ist genau richtig: Du lebst weiter. Ich wünsche dir für die Zukunft ganz viel Liebe, Glück, Freude und Gesundheit.

LG
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Bluebird am 11. August 2008, 21:49:23

Liebe IHope,

dass Du ein Kind erwartest, ist ja wundervoll. Ich wünsche Dir, dem Baby und Deinem Partner alles erdenklich Gute. Ich sehe es genau wie Du: dieses Kind ist ein Geschenk Gottes.
Als meine Schwester vor über drei Jahren nach einer Hirnoperation, Koma und Reha schwanger wurde, hat die Familie es auch als ein Zeichen gedeutet. Und der Junge ist ganz wunderbar, er bringt jeden Tag Freude in das Leben der Menschen um ihn.

Liebe Grüße
Birgit(Bluebird
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Iwana am 11. August 2008, 22:19:35
Hallo I hope
Ziemlich bald nach meiner Diagnose des Glioblastoms, habe ich mit meinem Mann gesprochen, dass ich hoffe dass er bald wenn ich nicht mehr da bin jemanden findet der ihm guttut... und es ist mir ernst... Denn der Schlimmste Gedanke für mich ist, dass mein Mann in der Trauer versinken würde und aufhören würde zu Leben... Er soll das Leben für mich weiter geniessen so wie ich es im Moment noch geniesse... meine schönste Vorstellung wäre, dass er für sich eine Partnerin für meinen Sohn eine "Ersatzmutter" findet die ev. auch Kinder mitbringt, so dass eine tolle Patchwork-Familie entstehen würde... dies würde mich glücklich machen....

Ich finds so schön wenn in dir neues Leben wächst....
Gruss Iwana
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Bea am 12. August 2008, 09:13:24
Liebe I hope,

als ich deinen Beitrag gelesen habe ist mir das Herz aufgegangen. Ich freue mich so sehr mit euch. DAS sind gute Nachrichten!

Nichts geht verloren was man in seinem Herzen trägt.
Und wenn es euch jemand neidet so kann ich nur sagen: Wohl dem der diese Situation nicht verstehen kann. Er mußte dann offensichtlich noch nie einen derartigen Lebens- (Leidens-)weg gehen.

Genieße diese Schwangerschaft mit deinem Partner. Es ist wunderbar!

Herzliche Grüße und alles erdenklich Gute,
Bea
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Caro am 12. August 2008, 10:34:38
Liebe I hope,

Deine Worte geben mir den Mut zu hoffen, dass das Leben auch nach dem Verlust des geliebten Menschen weitergehen kann, auch wenn ich mir das im Moment nicht im entferntesten vorstellen kann. Ich freue mich sehr für Dich, dass Du nach all dem Leid nun wieder Glück erfahren hast und sogar ein Kind erwartest! Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Glück der Welt!

Liebe Grüße
Caro
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Stefans Frau am 13. August 2008, 12:53:16
Hallo ihr Lieben!

Vielen vielen Dank für eure herzlichen Antworten! Schön, dass es einem immer wieder gut tut hier was zu schreiben und dann zu erfahren man ist nicht allein. Danke für eure klugen aufbauenden Worte!

Iwana: Ich bewundere dich! Du bist unglaublich taper! Dein Mann ist bestimmt sehr stolz auf dich und darauf eine Frau zu haben, die nicht eigennützig liebt sondern absolut frei entschieden hat, den anderen auch jede Freiheit zu lassen zu lieben wen sie wollen. Ich kann dir aber versichern, dass ich bis zum letzten Tag gehofft habe, dass Steff es schafft. Ich habe felsenfest daran geglaubt. Ich war aber danach nicht schwer entäuscht von meiner unerfüllten Hoffnung. Und ich glaub auch heute noch, dass jeder die Möglichkeit hat gesund, ja geheilt zu werden. Wieso sollen wir realistisch sein und an das glauben, was uns die Wissenschaft erzählt? Haben wir irgendetwas zu verlieren, wenn wir nicht nur träumen von Heilung sondern tatsächlich daran glauben? Ich hatte mal durch Zufall eine Tabelle im Internet entdeckt, in der weltweit Fälle aufgelistet waren mit Glio-Patienten, die seit vielen vielen Jahren entweder mit (nicht mehr wachsendem) oder ohne Glio leben. Und alle hatten eines gemeinsam: Sie haben daran geglaubt und absolut daran festgehalten, dass sie überleben. Versteh mich nicht falsch, ich will damit nicht sagen, dass jeder, der es nicht schafft, nur nicht fest genug daran geglaubt hat. Manche Dinge werden wir erst irgendwann erfahren. Es wird einen Grund geben für was es gut war.  Und wenn es keine körperliche Heilung gibt, dann vielleicht eine geistige? Und damit ist vielleicht viel mehr erreicht als mit einem gesunden Körper? Ich habe jedenfalls bis vor der Krankheit meines Mannes nicht im Geist gelebt. Und jetzt wo ich so davon getragen werde geht es mir plötzlich so gut.
Ich wünsch dir alles alles gute!!!

Danke,
I hope
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: alexhoppe am 13. August 2008, 23:19:09
Ich möchte an die tiefsinnigen Gedankengänge von I hope anknüpfen und mir ein Zitat aus dem Buch von Joachim Faulstich „Das heilende Bewusstsein. Wunder und Hoffnung an den Grenzen der Medizin“ (München 2006) erlauben, in dem es um die heilende Kraft des menschlichen Geistes und des Glaubens geht.

„Grete Flach verriet mir, das es für jeden Patienten wichtig sei, seine Gedanken zu steuern. „Du darfst nicht immer zur Krankheit hindenken“, sagte sie, „wenn du das tust, verstärkst du die Symptome. Beschäftige dich lieber mit etwas anderem(...)“.
Hinter diesem Rat der Heilerin steckt eine philosophische Idee, die auch von den Weisen des Ostens vertreten wird: Es sind die Gedankenformen, sagen diese Lehrer, die erst die Wirklichkeit schaffen. Wenn wir uns immer wieder mit einer Idee befassen und ihr Raum in unserem Geist geben, gewinnt dieser Gedanke materielle Kraft. Ein Schmerzimpuls, den wir mit inneren Bildern untermalen, wird sich verstärken, weil er Bedeutung erhält(...)So haben Träume und Phantasien, Ängste und Projektionen, eine materielle Kraft. Die gedachte oder befürchtete Wirklichkeit erschafft sich selbst(...)
Wer eine bedrohliche Erkrankung hat, kann ohne Hoffnung nur schwer weiterleben. Die Hoffnung zu stärken, den Glauben, dass Genesung vielleicht möglich ist, dieses Prinzip war Grete Flach besonders wichtig. Es komme immer darauf an, den Menschen Mut zu machen, ganz gleich, unter welchen Symptomen sie litten, hat sie mir einmal gesagt. Ohne Hoffnung gebe es keine Heilung, und selbst wenn sich die Erkrankung als widerstandsfähig gegen alle Hilfe erweisen sollte, sei doch ein Leben in Hoffnung der Verzweiflung immer vorzuziehen. Wer der Hoffnung keinen Raum gebe, überlasse der Erkrankung das Feld und gebe der Angst den ganzen Raum.
Viele Menschen, die sich als Realisten sehen, können diesen Gedanken nur schwer akzeptieren. Wer den Kranken falsche Hoffnung mache, sagen sie, sei ein Lügner, denn wenn das Leben auf dem Spiel stehe, hätten Patienten den Anspruch auf die ganze Wahrheit.
Aber was bedeutet das wirklich? Aus der Sicht der Schulmedizin gibt es zahlreiche Erkrankungen, die unheilbar sind, in einem bestimmten Stadium jedenfalls scheint es tatsächlich keine Behandlungsmöglichkeiten mehr zu geben, dann kann nur noch eine Schmerztherapie die Symptome lindern, keinesfalls mehr heilen. Weil in vielen, vielleicht den meisten Fällen Mediziner ihre Diagnose von der Wirklichkeit bestätigt sehen, nehmen sie nicht wahr, dass es immer wieder einmal überraschende, völlig unerwartete Veränderungen im Bild der Erkrankung geben kann, dass also selbst in aussichtslos erscheinenden Fällen Heilung nicht ausgeschlossen ist. Diese „Spontanheilungen“ sind aus medizinischer Sicht Ausnahmen von der Regel, sie lassen unsere Vorstellung von den Fähigkeiten des Körpers und  der Seele aber in anderem Licht erscheinen.
Die ganze Wahrheit ist deshalb: Heilung ist immer möglich, auch in schwerwiegenden Fällen, die das Leben unmittelbar bedrohen. Und auch wenn die Chance auf Rettung vielleicht nicht groß ist, zeigen viele Beispiele doch, dass sie besteht. Jeder Patient hat also zu jedem Zeitpunkt Grund zur Hoffnung“. (S. 50-53)
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Jens B am 14. August 2008, 17:43:25
Hallo I hope!
Habe Deine tragische Geschichte mit Deinem verstorbenen Mann verfolgt. Es tut mir sehr leid! Dazu möchte ich Dir ein Gedicht von DIETRICH BONHOEFFER schreiben:
"Erinnerung
Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer die Trennung. Aber die Dankbarkeikt verwandelt die Erinnerung in stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich!"

Ich finde es auch - wie sicher viele hier, wenn nicht gar die meisten - "gut" und schön, dass Du Dir keine Gedanken um die anderen Leute machst!  :) Wieder voller Kraft, Glück und neuer Liebe "zum Leben zurückgefunden" hast!!! Es wäre ganz sicher im Interesse Deines verstorbenen Mannes gewesen, dass Du "weiterlebst", zur Liebe zurückfindest und mit Deiner jetzigen Liebe ein neues Menschenleben schenkst. Das Leben geht weiter! Alles, alles liebe, Gute, weiterhin so zuversichtlich und Kraft.

Wer schreibt Dir hier eigentlich?! Nun, ich heiße Jens, bin 39 Jahre und habe einen gutartigen Gehirntumor, ein Tentorium-Meningeom. Ich wurde 2003 zweimal operiert. Anschließend bestrahlte man den Resttumor. Leider konnte man ihn auch dadurch nicht ganz entfernen.  :'( Aber man hatte einen Teilerfolg, man konnte das Wachstum stoppen. Dadurch wurde mir mein Leben "ein zweites Mal" geschenkt und meine Lebensqualität ganz erheblich verbessert!  :D Momentan geht es mir allerdings (wieder) etwas schlechter. Mich plagen Schwindelattacken und Kopfweh. Vielleicht möchtest Du mal auf meine Homepage: www.jens-bade.de schauen?!
Herzliche Grüße und viel Glück für Euch Drei!
Jens B
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Stefans Frau am 15. August 2008, 12:25:17
Hallo Ihr Lieben,

ich bin ja so froh, dass ich mal wieder was reingeschrieben hab. Mit soviel positiver Resonanz hätte ich gar nicht gerechnet. Ich hab mich oft gar nicht getraut hier reinzuschauen weil es einen schon auch ganz schön runterziehen kann was hier drinsteht. Und jetzt weiß ich wieder, wenn man was auf dem Herzen hat - am besten verstehen einen die Forenmitglieder. Hier sind halt Leute, die wissen wovon man erzählt, und die auch selber wissen, wovon sie reden.

Ich bedanke mich nochmals für eure guten Wünsche, das ist einfach toll!

bühli: Super, dass dir deine Tochter meine Mail geschickt hat. Sie will dich damit 100 % bestätigen, und das ist doch schön. Meine Kinder (13,13,7) haben auch kein Problem mit meinem neuen Partner, es war anfangs natürlich nicht leicht, schließlich müssen sie seit 2 Jahren ständig mit Veränderungen leben, die sie sich nicht aussuchen. Um so schöner ist es jetzt wo wir als neue Familie langsam zusammenwachsen. Mein Partner kannte meinen Mann auch sehr gut und hat uns während der Krankheit viel geholfen. Er weiß so genau über wen wir sprechen und ich kann mit ihm jede Art von Trauer zulassen. Bei dir ist es so, dass er ähnliches wie du durchgemacht hat, das verbindet unheimlich. Also lassen wir doch alle kleingeistigen weiterhin mit dem moralischen Finger auf uns zeigen und genießen weiter unser Glück! Ich wünsch dir alles Gute!

alexhoppe: Sehr interessant, was du zitierst. Es gibt ja unwahrscheinlich viel in dieser Richtung womit man sich beschäftigen kann. Ich bin hier im Forum nur immer etwas vorsichtig, weil die Regeln ja klar besagen, man soll hier nicht über Politik, Religion oder Wunderheiler etc. schreiben. Ich sehe allerdings nicht ganz ein, warum man nicht klar sagen soll, dass man mit Jesus auf einem besseren Weg ist (denn er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben) wenn man in unserer Kultur lebt. Wir alle feiern am 24.12. schließlich seine Geburt und sollten es nicht als "politisch unkorrekt" empfinden das auch nach außen zu tragen, statt nur insgeheim darüber zu sprechen (so wie viele sich höchstens sagen trauen: ich glaube schon, dass es da irgendwas gibt....) Selbst wenn wir ganz von der Religion weggehen, gibt es einfach einen Unterschied zwischen einer "normalen", schulmedizinischen Behandlung und einer (egal ob ergänzenden oder ausschließlichen) alternativen Behandlung. Der entscheidende Punkt ist doch der, dass Patienten, die andere Wege beschreiten oft auch besser mitarbeiten. Viele Schulmediziner wissen genau, und glauben auch, dass z. B. Heilpraktiker oft Erfolge haben - aber sie kennen auch ihre Patienten. Und da gibt es genügend, die verlangen von ihrem Arzt, dass er sie gesund macht. Und sobald sie selbst aktiv werden sollen oder gar zusätzlich Geld ausgeben, hört es mit der Wertschätzung der eigenen Gesundheit auf. Ich rede jetzt von harmloseren Krankheiten als einem Glio, denn diese Patienten würden Haus und Hof und alles ersparte opfern wenn es etwas gäbe was sie heilen würde. Es fängt eben schon beim kleinsten Zipperlein an, bei Allergien und ganz, ganz vielen psychosomatischen Erkrankungen. Aber darüber könnten wir wahrscheinlich ewig philosophieren....

Caro: Hab vorhin erstmal deine bisherigen Einträge gelesen, und was mir total gut gefallen hat, ist das mit dem Hund. Ich hoffe, es klappt noch alles. Ich finde nícht, dass du dich dafür rechtfertigen musst über diese Anschaffung. Wenn nicht jetzt- wann dann? Wir haben auch einen Hund, jetzt ist er schon alt, aber mein Mann hat es auch immer genossen mit ihm rauszugehen. Viel Spass noch mit dem Vierbeiner !!!

Bis dann,
Ihope

Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Ulrich am 15. August 2008, 13:49:10
[...] weil die Regeln ja klar besagen, man soll hier nicht über Politik, Religion oder Wunderheiler etc. schreiben.

Ohne gewisse Regeln funktioniert kein Forum. Nachdem die Regeln (http://www.mc600.de/forum/index.php?board=13;action=display;threadid=2938) ja von mir mit-'erfunden' wurden, hier eine Erklärung dazu:
Wir wollen uns mit Hirntumoren beschäftigen, mit der Diagnose, mit der Therapie und der Prognose. So begann alles. Was da noch "außenherum" ist, das sollte nicht zur Hauptsache werden.
Ich habe hier Beiträge gelesen (und stehen gelassen), die sich mit der Heilung durch einen Schamanen beschäftigten. Warum auch nicht? Wenn es jemand hilft! Ich habe Beiträge gelesen von den aberwitzigsten "Verdünnungen" (= Potenzen) von Stoffen. Ich persönlich halte das für reine Magie. Aber sollen wir jetzt darüber streiten? Das eigentliche Thema aus den Augen verlieren?  

Du gibst ja selbst ein Beispiel:

Ich sehe allerdings nicht ganz ein, warum man nicht klar sagen soll, dass man mit Jesus auf einem besseren Weg ist...

Das sei Dir völlig unbenommen. Ich meine jedoch, wir sollten "weltanschaulich" am ehesten "neutral" sein. Es gibt auf der ganzen Welt Glioblastome, auch bei Muslimen, bei Buddhisten oder bei Konfuzianern, ja selbst bei 3 Monate alten Kindern, die keine Ahnung von irgend etwas haben. Wenn jetzt aber einer schreibt: ich habe zu Buddha meine Zuflucht genommen und befolge den achtfachen Pfad und der Nächste sagt: das ist aber ein 'Heide', mein Weg ist der bessere, dann hätten wir Spannungen im Forum, die nicht nötig wären.

Wir können diese 'Regeln' von mir aus (probeweise) etwas aufweichen. Das Forum ist ein "work in progress", das ist nie abgeschlossen. Die Menschen sind vielfältig in ihren Anlagen, in ihrer Bildung, im Alter, in ihren Hoffnungen und Überzeugungen. Wir sollten geduldig miteinander umgehen. Wenn nicht wir, wer sonst?

In welcher "Abteilung" unseres Forums sollen wir die Frage nach der Theodizee (http://de.wikipedia.org/wiki/Theodizee) diskutieren (die hier in einigen Beiträgen direkt oder indirekt schon angeklungen ist)?

Einen philosophischen Beitrag kann ich noch leisten, nämlich einen Hinweis auf Karl Jaspers (http://de.wikipedia.org/wiki/Jaspers). Ich zitiere aus dem entsprechenden Artikel bei Wikipedia (die Hervorhebung ist von mir):

Auf dem Wege zu sich selbst stößt der Mensch auf Grenzsituationen. Er lernt, dass er mit den Fragwürdigkeiten der faktischen wissenschaftlichen Weltorientierung an den Abgrund des schlechthin Unbegreiflichen stößt. In Tod, Kampf, Leiden und Schuld zeigt sich die Ausweglosigkeit, ein Scheitern zu verhindern. Nur im Annehmen dieser Situation kann der Mensch zu seiner eigentlichen Existenz gelangen.


Der Schwenk von Jesus zum Hund (siehe nächster Beitrag) zeigt exemplarisch die Spannweite des Forums.
Titel: Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
Beitrag von: Caro am 16. August 2008, 09:15:23
Hallo I hope,

danke für Deine positive Resonanz, das Thema Hund führte ja hier zu einer etwas turbulenten Diskussion. Für uns war es die uneingeschränkt richtige Entscheidung, die Kleine entwickelt sich prächtig und wir haben wechselseitig viel Freude aneinander. Bislang klappt auch alles bestens, wir genießen gerade eine weitgehend beschwerdefreie Zeit und hoffen, dass es lange so bleibt.

Liebe Grüße, Caro