07.07.2004 Morgen bringen wir Francoise wieder zurück nach Bonn. Ihr Zustand ist stabil, die Lungenentzündung abgeklungen. Jetzt muss sie noch bis einschließlich Sonntag die Antibiotika-Infusionen bekommen. Mal sehen, wann unser Doc aus der RJK-Klinik mit dem Givec/Litalir weitermachen möchte.
12.07.2004 Wir sind wieder daheim und heute ist der schlimmste Tag in meinem Leben. Nun ist eingetroffen, wovor ich immer Angst hatte. Francoise war heute morgen im MRT. Der Tumor wächst und wächst. Glivec hat versagt. Eine weiterere Behandlung ist nicht möglich. Wir fühlen uns elend, ausgelaugt und sind verzweifelt.
Seit einigen Tagen spricht meine Maus immer schlechter. Zur Zeit ist es ein Problem, sie überhaupt zu verstehen. Der rechte Arm ist ganz ausgefallen. Das rechte Bein fängt auch schon an zu versagen. Auch die Motorik des Mundes scheint irgendwie nicht zu funktionieren. Ich bemerke es, wenn sie Nahrung zu sich nimmt. Wie wird es weitergehen? Tausend Fragen tun sich auf und bleiben doch unbeantwortet.
15.07.2004 Seit ein paar Tagen sind wir nun zu Hause. Mit Francoise wird es von Tag zu Tag schlechter. Sie spricht gar nicht mehr. Wenn sie was möchte schaut sie mich an und ich frage sie ab. Sie antwortet mit ja oder nein. Auch kann sie nichts mehr allein machen. Den ganzen Tag bin ich mit ihr beschäftigt. Sie schläft sehr viel und ist bei jeder Kleinigkeit sehr erschöpft. :'(
Sehr hilfreich war die Krankenkasse, sowie das Sanitätshaus. Innerhalb von 2 Tagen hatte ich ein Pflegebett und einen Bettstuhl. Einen Tag später wurde der Badelift und die Toilettenerhöhung geliefert. Montag kommt der Rollstuhl. Für die Treppe gibt es ein Scalamobil.
Nur bezweifel ich im Moment, ob wir noch mal raus können. In Francoises jetzigem Zustand ist das gar nicht möglich. Heute bekam sie einen kleinen Krampfanfall. Ihre Zähne klapperten wie verrückt und sie atmete sehr heftig. Nachdem ich die Maus in den Arm nahm und beruhigend auf sie einsprach wurde es besser. Der Anfall dauerte ca.15 Sek. und nun ist sie erschöpft und schläft.
Es tut mir so weh sie so zu sehen. So oft es geht krabbel ich zu ihr ins Bett und wir kuscheln miteinander. Auch genießt sie es, wenn ich sie streichel oder einchreme. Wir sind uns so nah wie nie zuvor.
Jeden Tag bekomme ich sehr viele Mails und ich danke Euch allen für die ehrliche und liebevolle Anteilnahme. Oft bin ich müde und erschöpft. Mein Rücken schmerzt vom Tragen und Halten, aber ich wüßte nichts, was ich zur Zeit lieber täte. Für das Internet habe ich kaum Zeit und ich bin mir sicher, dass Ihr Lieben dies versteht und von mir keine Antwort erwartet.
21.07.2004 Vorgestern war der medizinische Dienst bei uns, um die Pflegestufe festzustellen. Die Dame war sehr nett und meinte, dass die Stufe 2 gerechtfertigt sei. So kommt wenigstens dringend benötigtes Geld in unsere Kasse. Ich möchte, das es meiner Maus an nichts mangelt. Immer wieder ärger ich mich über unser Gesundheitssystem und frage mich, wie Ulla Schmidt auf diese Pflegezeiten gekommen ist. Hat wohl noch nie einen erwachsenen Menschen gewaschen oder angezogen. Von den Medikamenten, die wir in Eigenleistung bezahlen mussten, will ich gar nicht berichten. So was ist einfach nur noch schlimm !!!
Francoise geht es schlecht. Jeden morgen um 6 Uhr krabbel ich zu ihr ins Bett. Wir schlafen dann noch 2 Stunden zusammen und genießen uns. Gestern hatte sie Krankengymnastik und sie scheint Schmerzen in den Beinen u. im Rücken zu spüren. Hab ihr ein Schmerzmittel gegeben. Auch der Kopfdruck wird immer stärker und ich musste ihr wieder 16 mg Kortison geben. Sie dämmert immer mehr vor sich hin, schläft viel. Bisher konnte sie mit Hilfe laufen, aber seit heute will das rechte Bein gar nicht mehr. Ich schleppe sie zum Transportstuhl, muss auf den schlaffen re. Arm aufpassen und das rechte Bein nach vorn bewegen. Dabei halte ich sie fest.
Ich kann nicht abschätzen, ob sie dieses Elend auch so erlebt. Sie ist so geduldig....und nimmt ihren Zustand so hin. Beklagt sich nicht und weint auch nicht mehr. Manchmal denke ich...es wäre gut...wenn diese Quälerei für sie schnell ein Ende findet. Dann wieder verdränge ich alles und möchte sie nicht verlieren. Es ist wie Achterbahn fahren. Das Ding hält einfach nicht an und ich muss mit ihr immer weiter diese endlosen Runden drehen.
22.07.2004 Heute hatten wir einen sehr schönen Tag. Francoise und ich konnten endlich nach fast 2 Wochen die Wohnung verlassen. Drei kräftige Männer trugen Francoise im geliehenen Rollstuhl die unüberwindbaren Treppen herunter/herauf und wir konnten gemeinsam im Garten sitzen.
Obwohl meine Maus die meiste Zeit auf einer Gartenliege schlief, gefiel es ihr sehr und sie wollte gar nicht mehr zurück in die Wohnung. Sagenhafte 4 Std. waren wir bei sonnigem Wetter draußen im Schatten. Es hat uns beiden sehr gut getan und wir konnten unsere Seele baumeln lassen. :D
28.07.2004 Die letzten 2 Tage waren anstregend. Francoise hatte Kopfdruck, der immer heftiger wurde. Sie dämmerte den ganzen Tag dahin und ich rief unsere Hausärztin an. Die Ärztin ließ sofort ihre Praxis warten und kam zu uns nach Hause. Francoise bekam eine Cortisoninfusion, von der sie auch provitierte. Wir wissen nicht, ob das Ödem oder der Tumor diesen Druck im Kopf ausübt.
Der Zustand meiner Maus wird von Woche zu Woche schlechter.
Mir fällt auf, dass sie schneller erschöpft ist. Sie kann sehr schlecht stehen und wird mir immer schwerer. Gehen kann sie gar nicht mehr. Die meiste Zeit verbringt sie nun liegend. Die kleinste Unruhe bedeutet für sie Stress und sie ermüdet dann sehr schnell.
Die Mahlzeiten nehmen wir immer noch zusammen am Tisch ein. Wenn es ihr einigermaßen gut geht, gehen wir beide raus in den Garten. Immer noch wird sie im Rollstuhl die drei Treppen runtergetragen, denn das Scalamobile ist noch nicht geliefert worden.
Meine Emotionen sind ein Chaos. Vor 2 Tagen, als es ihr so schlecht ging, klopfte mir das Herz bis zum Hals. Meine Ängste überrollen mich, Ängste....sie könnte gehen.....ich bin noch nicht so weit...will sie nicht loslassen. Dann wieder lacht sie viel und wir erleben - so intensiv wie nie - wunderschöne Tage.
So gerne würde ich ihre Gedanken erfahren. Manchmal erzählt sie mir was, aber ich kann sie nicht immer verstehen. Dafür haben wir beide gelernt, mit den Augen zu sprechen.
15.08.2004 Sorry..ich habe lange nichts mehr geschrieben, aber uns ging es in den letzten zwei Wochen einfach zu gut. Nachdem ich das Kortison auf Anraten von Dr. Attassi erhöht hatte, gab es keine weiteren Probleme mit dem Kopfdruck und Francoise fühlte sich wohl. Wir beide waren viel draußen im Garten und vor einigen Tagen sogar zwei Mal im nahen Supermarkt um unnütze Dinge zu kaufen. :)
Gestern in der Frühe ist sie auf dem Toilettenstuhl ohnmächtig geworden. Ich blieb seltsamer Weise ganz ruhig. Matthias und ich schafften sie ins Bett und sie schlief mehr oder weniger den ganzen Tag. Heute ging es ihr wieder besser und wir konnten sogar gemeinsam in die Stadt zu Mc Donalds gehen, um dort ein Eis zu kaufen. Wieder daheim war Francoise fix und fertig, aber glücklich.
Seit einigen Tagen scheint ihr Kurzzeitgedächtnis öfters auszufallen. Sie möchte etwas....und ich frage sie ab. Wir haben eine Technik entwickelt, die bei uns ganz gut funktionierte. Heute wollte sie trinken. Es stehen mehrere Flaschen mit Getränke auf dem Tisch. Sie zeigt mir die Cola-Flasche. Ich frage, Du möchtest Cola...sie sagt nein. Das ganze wiederholt sich mehrmals und sie wird sauer. Ich weiss nicht, was sie möchte.....nehme die Colaflasche in die Hand und schaue sie verständnislos an. Sie strahlt mich an und sagt ja. Wie soll ich Francoises Wünsche respektieren können, wenn sie gleich wieder vergißt, was sie möchte???
Mit der rechten Seite arbeitet sie nun gar nicht mehr mit und ich kann sie nicht mehr transportieren. Darum habe ich mir eine Drehscheibe besorgt. Francoise auf die Bettkante setzen, dann auf die Drehscheibe stellen und rum in den Stuhl. Ich brauche nicht so viel Kraft aufwenden und Francoises schlaffes Bein wird geschont. Sie verschluckt sich häufiger und ich muss bei der Nahrungsaufnahme aufpassen. Nun habe ich Pflegestufe 3 beantragt. Mal sehen......
31.08.2004 Meiner Maus geht es sehr schlecht. Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen und wir alle leiden sehr. Noch ist sie bei uns zu Hause. Francoise bekam einen Infekt in der Lunge. Das Antibiotikum, welches sie vorbeugend einnehmen musste, wurde gewechselt. Sie röchelte und hustete und unsere Hausärztin meinte, ich solle mich auf alles einstellen. Meine Tochter ist oft stundenlang abwesend. Eine Art Koma...aus dem ich sie nicht wecken kann. Die Kortison-Infusionen helfen nur für wenige Tage.
02.09.2004 Es geht ihr etwas besser und das Antibiotikum scheint zu wirken. Allerding steht sie nun gar nicht mehr auf. Sie ist sehr schwach und schläft stundenlang. In den Wachphasen füttere ich sie und versuche meine Maus bestmöglich mit Babynahrung zu ernähren. Leider ißt sie sehr wenig und hat keinen Appetit. Auch verschluckt sie sich ständig. Die Getränke dicke ich mit einem Instand-Pulver an. Unsere Ärztin möchte sie ins KH einweisen, aber ich weigere mich. Die Flüssigkeit, die sie unbedingt braucht, wird nun durch eine Nadel unter der Haut zugeführt. Vormittags kommt eine Krankenschwester vom Pflegedienst. Sie hilft mir bei den Dingen, die ich nicht allein bewältigen kann.
Nachts schlafe ich kaum. Habe Angst, ich könnte Francoise nicht hören, falls sie sich bemerkbar machen sollte. Die ständige Müdigkeit macht mir zu schaffén. Die emotionale Belastung ist groß. Mein Sohn hat sich eine Woche Urlaub genommen, um bei mir sein zu können und unterstützt mich oder setzt sich zu Francoise ans Bett....
03.09.2004 ...und wieder dieser Kopfdruck. Heute morgen war unsere Ärztin da und musste Francoise wieder eine Infusion geben. Sie ist sehr müde, will kaum essen und ist lichtscheu. Hab ihr eine Sonnenbrille aufgesetzt. So kann sie wenigsten gucken, wenn sie wach ist. Dauernd hat sie Harndrang und ich bin ständig am Windeln. Dazu muss ich sie hin und her rollen, um die Tina Lady unter und über den Po zu bekommen. Eine Prozedur für uns beide und die dadurch entstehenden Bewegungen im Kopf verträgt sie nicht so gut. Aber ich möchte vermeiden, daß sie im Nassen liegt und dadurch wund wird.
08.09.2004 Die Ärztin kommt nun jeden 2. Tag. Die Infusionen häufen sich. Heute hat meine Maus ihr erstes Morphin-Pflaster bekommen. Ich spüre...sie macht sich auf die Reise. Die Zeiten, in denen sie ansprechbar ist, sind kurz geworden. Das Essen ermüdet sie und sie nimmt nur noch wenige Teelöffel der Babynahrung oder gekochtes Obst, sowie Jogurt zu sich. Sie hat keine Schmerzen und liegt ganz entspannt und friedlich in ihrem Bett. Francoise entwickelt sich zu einem Schmetterling und ich weiss..sie wird bald fortfliegen.
Manchmal weine ich...aber trotzdem wachse ich an meiner Aufgabe und merke, wie ich langsam loslassen kann. Meine Gedanken drehen sich um das Thema Sterben und Tod. Oft lese ich in der Nacht die Hompage von Angehörigen, die diesen Weg schon ein Stück weit voraus sind. Es tröstet mich irgendwie und ich fühle mich mit diesen fremden Menschen verbunden.
Auch mit Euch dort draußen fühle ich mich verbunden. Einige von Euch kenne ich persönlich, andere kenne ich leider nur dem Namen nach. Aber Eure mitfühlenden Worte oder auch das mitfühlende Schweigen kommt bei mir an und ich weiss, Ihr seid mir und vor allem Francoise ganz Nahe. Ich danke Euch......für Eure Anteilnahme an unserem Schicksal.
Jemand hat mir Augen zum Sehen und ein Herz zum Lieben gegeben. Doch keiner hat mir gesagt das ich mit den Augen weinen und dem Herzen leiden muß.
12.09.2004 Das Morphin-Pflaster tut meiner Maus gut. Sie liegt zufrieden, in einem entspannten Zustand, im Bett. Seit 2 Tagen hatte sie keinen Kopfdruck mehr. Mir fällt auf, daß Francoise immer mehr vergißt. Heute wußte sie nicht, wo ihr linkes Bein ist. Sie sollte es anwinkeln und sich damit abstoßen, um mir beim Hochziehen im Bett mitzuhelfen. Aber sie verstand nicht, was ich meinte. Manchmal gebe ich ihr den Trinkbecher, damit sie selber trinkt. Den schaut sie nur an....weiss nicht...wohin damit. Diese Vergeßlichkeit erleichtert ihr aber auch die Krankheit und ich denke, ihr ist vieles gar nicht bewußt.
Immer noch krabbeln wir zu ihr ins Bett und kuscheln miteinander. Das Streicheln auf der Haut genießt sie und kann davon nicht genug bekommen. Francoise und ich lassen uns Reiki geben. Oft hören wir gemeinsam Meditationsmusik oder geführte Suggestionen. In diesen Momenten fühlen wir uns geborgen.....
16.09.2004 Sie verträgt das Morphin-Pflaster nicht mehr. Die letzten 3 Tage waren Streß pur. Am ersten Tag war sie unruhig und gereizt. Na..gut...dachte ich mir. Solche Tage gibt es auch. Am zweiten Tag wurde sie aggressiv, war total aufgedreht, wollte nicht schlafen und ich durfte sie nicht berühren. Sie empfand meine Berührungen als Schmerz. Der dritte Tag war dann der Horror. Von 5 Uhr morgens bis 20 Uhr abends war sie unruhig, redete wie ein Wasserfall, keiner Verstand sie. Francoise ließ sich nicht beruhigen. Im Laufe des Tages steigerte sie sich in Wut, tobte in ihrem Bett oder fing verzweifelt an zu weinen. Ich war ratlos...wußte nicht...was tun. Endlich fiel mir das Pflaster ein und ich entfernte es. Gab ihr Tavor zur Beruhigung. Es dauerte noch 6 Stunden, bis sie ruhiger wurde. Schlafen wollte sie immer noch nicht. Ich gab ihr um 20 Uhr noch eine Tavor. Dann schlief sie endlich ein.
Heute war der ganze Spuk vorbei. Die Maus ist sehr müde u. erschöpft. Kein Wunder...ihr Körper und ihre Seele haben einen Marathon hinter sich. Aber Francoise ist wie ausgewechselt und die Aggressivität ist verschwunden. Nun lasse ich das Morphinpflaster weg und suche nach neuen Möglichkeiten.
25.09.2004 Die letzten Tage waren relativ ruhig. Francoise bekommt nun Amineurin 50 und Tavor. Psychisch ging es ihr immer besser. Und HEUTE der absolute Alptraum. Ihr bescheuerter Freund paßt beim Frühstück nicht auf, liest lieber Fußballnachrichten im Video-Text. Francoise ist unruhig und er zischelt ihr zu: kann doch wohl noch Videotext lesen. Ich rein in das Zimmer, schnauze ihn an.....er soll gefälligst auf sie aufpassen, wenn sie ißt. Alles andere kann er noch später machen. Drehe mich zu Francoise....mir bleibt das Herz stehen.
Francoise bekommt keine Luft !!!! Sie hat sich am Brötchen verschluckt. Ich setzte sie auf, klopfe ihr auf den Rücken, schüttel sie....nichts geht. Zerre sie mit dem Oberkörper aus dem Bett, Kopf runter, klopfe, wühle in ihrem Mund rum. Zunge ist da, nichts zu finden. Ihre Lippen werden blau....ihr Kopf wird blau...ich bekomme Panik, schreie ihren Freund an, er sollte was tun. Er hält sie in dieser Stellung, ich spritze ihr Diazepam. Nichts.....sie reagiert nicht...kann nicht atmen. Heulend rufe ich den Notarzt, der auch schnell kam. Mit einem Gerät wurde ein ca. 7 cm langes Stück Brötchen aus der Luftröhre entfernt. Sie bekam Sauerstoff und kommt endlich wieder zu sich.
Ich bin fix und fertig. Kann nur noch weinen....diese Bilder und Eindrücke muß ich erst mal verkraften. Francoise hat nun von der Rumzerrerei Schmerzen im Rücken, leichte Halsschmerzen und einen Bluterguß auf dem Bauch, aber es geht ihr wieder gut.
Das hätte nicht sein müssen.......Es tut mir so unendlich leid, was das Mädchen alles ertragen muß.
29.09.2004 Die Nachwirkungen bleiben nicht aus. Francoise bekommt Panik-Attacken. Öfters am Tag meint sie nicht atmen zu können, wird nervös, meint ihr Hals wäre eng. Wir haben nun das Antidepressivum umgestellt. Von Dronabiol (Cannabis) wurde mir von zwei Ärzten abgeraten. Die euphosierende Wirkung könnte ins Gegenteil umschlagen. Nun bekommt sie morgens Citalopram 10 mg, das bei guter Verträglichkeit in 8 Tagen auf die doppelte Menge gesteigert werden soll. Abends gebe ich ihr eine Tabl. Amineurin 50. Heute - über Tag wirkte sie ruhig u. entspannt. Wir lagen wieder zusammen im Krankenbett, haben gekuschelt und sie hat meine Zärtlichkeiten erwiedert. Es war ein schöner Tag.
Am Abend bekam sie Atemstreß. Sie röchelte u. ich hatte den Eindruck, das sie den Schleim nicht weg bekommt. Francoise schlief um 17 Uhr spontan ein. Ich wollte sie wecken, weil sie so schlecht atmete. Zwischendurch setzte die Atmung zwei Mal aus. Aber ich bekomme sie nicht wach. Um ihr die Atmung zu erleichtern, habe ich sie auf die Seite gelagert und klopfe ihr in regelmäßigen Abständen den Rücken ab. Halte ihr das Inhaliergerät vor die Nase. Nun traue ich mich nicht ins Bett zu gehen. Was soll ich machen? Morgen früh werde ich unsere Ärztin anrufen, damit sie zu uns nach Hause kommt. Sie muß feststellen, woher die Atemprobleme kommen. Hat es psychischen Ursprung oder bekommt sie jetzt Probleme vom Tumor am Hirnstamm? Dort liegt das Atem- und Schluckzentrum????
Mein Haushalt liegt brach. Ich schaffe es gerade noch, die Mahlzeiten zuzubereiten. Am Freitag kommt meine Schwester für ein paar Tage, worüber ich sehr froh bin. Die meiste Zeit bin ich mit Francoise allein und den ganzen Tag mit ihr beschäftigt. Ob Pflege, Füttern oder kuscheln....alles ist wichtig. Dazu kommt meine konstante Müdigkeit und meine ständigen Ängste. So gerne würde ich mittags ein wenig schlafen......
Heute habe ich den Bewilligungsbescheid über die Pflegestufe 3 erhalten. Der Pflegedienst kommt jeden morgen zu uns und drei Mal in der Woche die Krankengymnastin. Auch eine sehr nette Pastorin besucht uns durchnittlich zwei Mal in der Woche. Zur Zeit bekommt Francoise täglich Reiki.
03.10.2004 Es wird so langsam besser. Seit 2 Tagen gibt es keine Panikattacken mehr. Francoise kann nichts oder nur schemenhaft sehen. Sie ist sehr sensibel und braucht unbedingt ständigen Hautkontakt. Ich bemerke, wie sie mir über Tag öfters dahindämmert. Aus heiterem Himmel ist sie eine kurze Zeit nicht da und dann kommt sie zurück und ist wieder ansprechbar. Trinken kann sie nicht mehr allein. Die Antidepressiva helfen gut und zur Not habe ich jetzt Valium im Haus. Sie ißt sehr wenig.
Den ganzen Tag und die halbe Nacht bin ich bei ihr. Sie hält meine Hand fest u. wenn ich mich mal wegschleichen möchte, läßt sie nicht los. Am liebsten ist es ihr, wenn ich mich zur ihr ins Bett lege, was nicht einfach ist. Das Krankenbett ist mal grad einen Meter breit, aber ich klemme mich dazu, halte sie im Arm und sie liegt bei mir wie ein Baby. Sie schenkt mir ihre reinste Form von Liebe, was mich unendlich glücklich macht. Sie hat keine Schmerzen und wirkt auf mich zufrieden.
Meinen Haushalt bekomme ich nicht mehr auf die Reihe. Kochen...unmöglich. Nun organisiere ich um. Kommende Woche kommt meine Schwester wieder und ab Donnerstag meine Mutter aus Cuxhaven. Danach kommt eine frühere Arbeitskollegin und ich will noch meinen Sohn fragen, ob er helfen kann. Auf Dauer wäre mir eine Haushaltshilfe am liebsten. Bestimmt werde ich eine Möglichkeit finden.
04.09.2004 Heute Morgen hat Francoise gekrampft. Ich habe es erst falsch eingeschätzt, weil es so untypisch war. Sie klammerte meine Hand mit ihrer ganzen Kraft oder auch meinen Arm und ließ nicht mehr los. Konnte weder essen noch trinken. Es war eindeutig zu erkennen, daß es ihr schlecht ging. Ich gab ihr Tramal, ein starkes Schmerzmittel, weil ich erst glaubte, sie hätte Schmerzen. Als es nicht besser wurde, gab ich ihr Valium und dann wurde sie sichtlich ruhiger.
Nun kann sie mich überwiegend nicht mehr verstehen. Jedenfalls habe ich den Eindruck gewonnen. Fütter sie ständig nebenbei, wenn sie mal grad reagiert oder klar zu sein scheint. Meine Schwester hat Kinderbrei und Obstgläschen gekauft. Damit geht es ganz gut. Francoise scheint zu Fantasieren. Sie greift in die Luft und sucht irgendwas. Oder sie guckt interessiert zur Zimmerdecke, als wenn sie was beobachtet. Seit dem Nachmittag ist sie wieder ruhig und entspannt. Sie mag es, wenn ich sie zart streichel und ihr dabei was vorsinge.
Morgen kommt unsere Pastorin zu einer Salbungsfeier. Dazu möchte ich Blumen und Kerzen aufstellen.
09.10.2004 Die Salbungsfeier war sehr schön. Am nächsten Tag schaute meine Maus wieder interessiert in die Luft. Siehst du was, fragte ich und sie sagte ja. Wieder fragte ich, ob sie was Schönes sieht und sie flüsterte verzückt...ja. Daraufhin meinte ich...wenn sie dort hin gehen möchte...dann soll sie das ruhig tun. Wir würden sie im Herzen lieben und weiterhin zurecht kommen. Sie brauche sich keine Sorgen machen. Wir beide konnten uns indirekt über den Tod verständigen und sie war ganz entspannt. Ich hatte die Möglichkeit bekommen, sie loszulassen und ihr das auch mitzuteilen.
Seit dem geht es mir besser. Francoise weiss, daß sie gehen muß und hat aufgegeben. Sie ißt kaum noch was und gebärdet sich wie ein Baby. Erlebt sich selber über ihren Körper. Wenn ich mal kurz nicht bei ihr sein kann oder eine halbe Stunde eine andere ihr bekannte Person bei ihr sitzt, dann fängt sie an zu weinen. Am liebsten ist es ihr, wenn ich bei ihr liege, sie stundenlang streichel und liebkose. Sie schaut dann zufrieden und gelößt, scheint glücklich zu sein. Genießt das Füttern, waschen, cremen.
Um mich etwas zu entlasten bat ich den Pflegedienst, die morgentliche Grundpflege zu übernehmen. Was ich mit ansah, hat mich bestürzt. Mit Plastik-Einmalhandschuhe wurde sie gewaschen und eingecremt. Dazu umziehen, kämmen...alles in 30 Minuten. Meine Maus fühlte sich sichtlich überhaupt nicht wohl. Den Dienst habe ich kurzer Hand wieder abbestellt. Die morgendliche Pflege laß ich mir nicht mehr abnehmen. Meine Mutter ist für eine Woche bei mir und versorgt den Haushalt. So kommen wir zurecht und ich kann nur für Francoise da sein.
Auch von anderen Personen wurde mir Hilfe angeboten. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken und gegebenfalls Euch...Doro und Uschi...noch mal ansprechen.
Jeden Tag zünde ich in Francoises Zimmer eine Kerze für ihren Schutzengel an. Unsere liebe Pastorin hat sie vor 2 Tagen gesegnet und kommt uns regelmäßig besuchen. Das Leben meines Gotteskindes liegt nun nicht mehr in meiner Hand......
21.10.2004 Sie weint sehr viel. Wehrt sich gegen das Waschen und Windeln. Verweigert das Essen nun endgültig. Wir füttern nur noch..hier ein Teelöffel vom Obstgläschen...nach einer Std. wieder ein Teelöffel vom Quark. So bringen wir sie irgendwie über die Runden.
Das Weinen geht mir sehr nahe und zerrt an meiner Psyche. Wie soll ich ihr helfen. Sie bekommt schon Valium und Antidepressiva. Schmerzen hat sie, so weit ich das beurteilen kann, keine. Wenigstens helfen die Schmerzmittel. Das Kortison schleiche ich nun langsam aus. Es kann ihr nichts mehr nützen.
29.10.2004 Jeder Tag ist anders. Nie weiß ich, was morgen passiert. Auf Grund dessen, daß sie so wenig Nahrung zu sich nimmt, stellte der Darm seine Funktion ein. Zäpfchen, Klistier und ein Einlauf halfen nicht. Francoise hatte 10 Tage lang keinen Stuhlgang. Darauf hin fütterte ich wieder Baby-Instant-Brei und tatsächlich...es hatte geholfen. Ich machte mir schon die größten Sorgen, daß ein Krankenhausaufenthalt notwendig wird. Die Tabletten, die sie einnehmen muß, spuckt sie wieder aus. Auch die Schmerztropfen will sie nicht einnehmen. Presst den Mund zusammen oder läßt sie aus dem Mundwinkel wieder herauslaufen. Immer noch fütter ich sie Teelöffel weise in kurzen Abständen.
Mein Sonnenschein weint immer noch. Nun gebe ich ihr das Valium öfters und sie schläft dann ein. Auch dämmert sie über Tag immer mehr dahin. Dadurch gewinne ich aber etwas mehr Zeit und kann mich ausruhen. Seit einigen Tagen ist sie gegen mich voller Aggression. Beim Waschen schlägt sie nach mir und kneift mich. Sie weint und will nicht gerollt werden. Ich muß sie aber hin und her rollen, sonst bekomme ich Francoise nicht angezogen oder gewindelt. Jeden Morgen ca. 1 1/2 Std. die gleiche Strapaze....ich vermute, sie hat Angst und ihr wird schwindelig.
Über die Welle der Hilfsbereitschaft in meinem Umfeld bin ich gerührt. Nach meinem Hilferuf (Haushalt/Kochen) werde ich seit 2 Wochen von Familienmitgliedern, Bekannten, Freunden und Nachbarn bekocht und versorgt. Euch allen Danke ich ganz herzlich. Allein würde ich meinen Aufgaben im Haushalt nicht mehr nachkommen können.
Falls irgend jemand von Euch dort draußen den Entschluß fassen sollte, seine/n Liebe(n) daheim zu pflegen, besorgt Euch rechtzeitig Hilfe im Haushalt. Sonst ist die ganze Situation nicht zu bewältigen. Ich spreche aus Erfahrung und hätte schon viel eher Hilfe in Anspruch nehmen sollen. Ab Mittwoch kommt wieder meine Mama aus Cuxhaven zu uns. Darauf freue ich mich sehr, denn dann kann ich mich etwas erholen. Vielleicht kann sie Francoise morgens beim Waschen ablenken, so daß die ganze Prozedur leichter wird.
Mein Sonnenschein kann seit einiger Zeit auch nicht mehr sehen. Mit ihren Augen unterscheidet sie nur hell und dunkel. Es ist schlimm....sie ist in ihrem Körper gefangen und dieses unendliche Leiden scheint nicht aufhören zu wollen.
11.11.2004 Mein letzter Eintrag liegt schon eine Weile zurück Francoises Gesundheitszustand blieb gleichbleibend. Immer noch versuche ich die optimale Dosis des Antidepressiva`s zu finden.
12.11.2004 Heute Nacht um 1 Uhr fing Francoise an zu wimmern. Sie stöhnte regelmäßig und weinte. Aua, Aua...jammerte sie. Meine Maus hatte eindeutig Schmerzen, die ich nicht lokalisieren konnte. Ich gab ihr Schmerzmittel, aber es half nicht. Um 2 Uhr, um 3 Uhr gab ich ihr bis zur Höchstdosis Tramal u. Novalgin. Ohne Erfolg. Verzweifelt versuchte ich unsere Hausärztin zu erreichen. Bekam sie nicht an das Telefon. Auch ihre Vertretung ging nicht an das Telefon. Ich rief den Notarzt, der auch nicht wußte, was er tun sollte.
ER riet mir, noch mal das Schmerzmittel zu verabreichen und dann am Morgen unsere Hausärztin zu rufen, was ich in der Frühe auch tat. Die ganze Nacht haben wir nicht geschlafen. Unsere Ärztin stellte fest, daß Francoises linke Niere schmerzte. Auch mir war in der Nacht schon aufgefallen, daß sie viel Urin ausschied. Nun also doch ins Krankenhaus!! In der Eile packe ich das Nötigste ein.
Unter großem Aufwand wurde Francoise mit dem Krankenwagen abgeholt. Unsere Treppe zur Wohnung ist sehr eng und steil und mündet in zwei sehr kleine Flure. Eine Trage konnte nicht verwendet werden. Der Transport war nur mit einem Tragetuch möglich, daß von 6 Personen getragen werden muß. So kam auch noch die Feuerwehr und packte tüchtig mit an.
Im Krankenhaus wurde eine übervolle Blase mit Nierenstau vom Urin festgestellt. Francoise bekam einen Dauerkatheder und muß Antibiotika einnehmen. Der Chefarzt war ein freundlicher Mensch und wir durften unseren Sonnenschein wieder mit nach Hause nehmen. Gott sei Dank...kein Krankenhausaufenthalt.
Nun geht es ihr wieder etwas besser. Wir alle sind total übermüdet. Francoise konnte heute vor Erschöpfung weder essen noch trinken. Sie schläft jetzt. Ich werde nun auch ins Bett gehen und hoffe sehr, daß diese Nacht ruhig verlaufen wird.
18.11.2004 Die Nachuntersuchung im KH zeigte eine Besserung. Die Entzündung hatte sich zurückentwickelt. Nun möchten die Urologen in Iserlohn einen Bauchkatheter legen. Ich war erst skeptisch, ob das wirklich sein müsse. Aber ich muß auch einsehen, daß ich nicht kontrollieren kann, ob noch Restharn in der Blase verbleibt und der Dauerkatheter in der Bauchdecke wäre die Lösung, um weitere Entzündungen zu vermeiden.
Bloß sehe ich zur Zeit keine Möglichkeit mit Francoise in das Krankenhaus zu fahren. Sie erbricht sich seit 3 Tagen ab nachmittags und ist sehr entkräftet. Wir versuchen Sie auf Morphium umzustellen. Erst bekam sie Palladon, was sie gar nicht vertrug. Wieder, wie schon mal bei dem Pflaster, bekam sie Atemdepressionen und dämmerte nur so vor sich hin. Also habe ich es kurz entschlossen wieder abgesetzt und Kontakt mit unserem Dr. Attassi in Bonn aufgenommen. Er erkannte, daß Francoise überdosiert ist und riet mir zu dem Morphin MST in der kleinsten Dosis von 10 mg 2 x täglich. Seit gestern gebe ich ihr MST und es ging ihr heute viel besser. Kein Kopfdruck, keine Schmerzen, sie war entspannt u. ruhig. Sogar windeln und drehen durfte ich sie. Keine Aggression oder Angst. Kein Weinen...nur dieses Erbrechen. Mir ist nicht klar, ob das nun vom Morphin kommt oder ob der Tumor schon so groß ist und mit seinem Druck das Erbrechen hervorruft. In den letzten 2 Nächten hat Francoise kaum geschlafen.
29.11.2004 Es geht meiner Maus immer schlechter. Das MST wirkt und sie hat keine Schmerzen, schläft viel oder dämmert vor sich hin. In der letzten Woche hatte sie 2 Krampfanfälle, die ihren Zustand wieder verschlechtert haben.
Sonntag Abend atmete sie immer langsamer. Zwischendurch setzte die Atmung aus. Mein Herz klopfte bis zum Hals und ich habe bis spät in der Nacht bei ihr gesessen. Den Brei kann sie seit heute nicht schlucken. Ich gebe ihr Astronautenkost, soweit es möglich ist. Francoises Atmung geht nur oberflächlich und ihr Herz klopft ganz schnell. Unsere Hausärztin will nachher kommen und nach ihr sehen.
30.11.2004 Sie kann nichts mehr zu sich nehmen. Keine Tabletten, noch nicht mal trinken. Die Atmung ist sehr oberflächlich und sie bekommt kaum Luft. :'(
Ich spritze ihr das Morphin. Die Abstände werden immer kürzer. Mein Herz tut so sehr weh und ich weine ständig. Hoffentlich wird mein Sonnenschein bald von diesem furchbaren Leiden erlöst.
Wo ist nur dieser barmherzige und gnädige Gott??? Ist er eine Illusion?? Warum hilft er ihr nicht??
Um 19 Uhr löschte ein Engel Francoises Lebenslicht aus.
Hier endet nun mein Tagebuch. Ich bedanke mich bei Euch....die Ihr hier alle mitgelesen habt. Viele Mails, mit Mut machenden oder tröstenden Worten, erreichten mich und haben mich durch so manche dunkle Stunde getragen.
Mein besonderer Dank wendet sich an den Betreiber dieses Forums. Durch das Aufschreiben meiner Emotionen, Ängste und Hoffnungen konnte ich die Krankheit von Francoise besser verarbeiten.
Herzlichen Dank Mike.
Eure Bärbel
www.bird-of-hope.de