Liebes utchen,
ich hoffe, Krimis Worte haben Dir bereits ein wenig geholfen, sie spricht mir aus dem Herzen.
Dass Dein Mann Dich am Telefon mit "Sie" anspricht, könnte auch daran liegen, dass eine Stimme am Telefon etwas anders klingt, als wenn man direkt mit jemandem spricht. So ist es möglich, dass Dein Mann Schwierigkeiten hat, am Telefon zu erkennen, dass Du ihn anrufst. Vielleicht verwirrt es ihn, dass er meint, eine Fremde rufe ihn an und redet vertraulich mit ihm.
Als Du bei ihm warst, hat er Dich doch erkannt?
Vielleicht schreibst Du ihm lieber täglich kurze Briefe oder Ansichtskarten, denn Deine Schrift wird er doch erkennen. (Ich habe mich immer sehr gefreut, in der Rehaklinik Post zu bekommen.)
Eine weitere Möglichkeit wäre, eine der Schwestern anzurufen, ihr das Problem mit den Anrufen bei ihm zu erklären und sie zu bitten, ihm Grüße (und noch irgendwas dazu) von Dir zu bestellen.
Deine Überlegung, Deinen Mann zurückzuholen, kann ich gut verstehen.
Ich habe aber das Gefühl, dass sich die Ärzte mit den vielen Untersuchungen gerade sehr viel Mühe geben, die Ursache seiner ernsthaften Problematik herauszufinden. Ihn in Deine Nähe verlegen zu lassen, könnte diesen Prozess unterbrechen. Die Ärzte bei Euch würden viele Untersuchungen wiederholen, was Deinen Mann mehr belasten würde.
Solltest Du aber daran zweifeln, dass er in dem KH fern von Eurem Wohnort gut aufgehoben ist, dann melde Dich dort für ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt an und fahre hin. Frage nach, was genau mit Deinem Mann geschieht.
- Soll mit den Untersuchungen die Ursache des Zustandes Deines Mannes herausgefunden werden?
- Welche Ergebnisse liegen bis jetzt vor, also welche Ursachen konnten bereits ausgeschlossen werden?
- Wird bereits jetzt therapiert oder wartet man auf die richtige Diagnose?
- Welche Untersuchungen sollen noch gemacht werden bzw. welche Diagnosen werden noch vermutet?
- Welche Aussichten bestehen für Deinen Mann? Geht es um seine Gesundheit oder sogar um sein Leben?
- Was würden die Ärzte davon halten, ihn in Deine Nähe zu verlegen? Würde es ihm schaden?
Dir solltest Du aber auch die Frage stellen:
"Warum will ich, dass mein Mann hierher verlegt wird. Für mich oder für ihn oder für uns beide?"
Und wenn Du Dir dann ehrlich eingestehen musst, dass es für DICH wichtig ist, weil DU ihn nicht verlieren möchtest, weil DU Angst hast, längere Zeit in Angst um ihn oder womöglich sogar ganz ohne ihn zu sein, ..... , dann hast Du alles Recht der Welt, diese Scheiß-Situation zu verfluchen und zu beweinen, weil es ein beklopptes unlösbares Problem ist, Deinen Mann bei Dir zu haben und ihm gleichzeitig zu helfen.
Es geht nicht.
Es geht einfach nicht!!
Und es IST furchtbar schrecklich, diesen Widerspruch leben zu sollen!!
Diesen Widerspruch, dass Du Deinem Mann nur helfen kannst, wenn Du ihn NICHT bei Dir hast.
Das ist doch schizophren!
Das muss einem doch das Herz zerreißen!
Heul und brüll die Wut auf diese verzweifelte Situation aus Dir raus!
... und irgendwann sammelst Du Dich wieder, zwingst Dich zu den normalen (Was ist in dieser Situation NORMAL?) Alltagstätigkeiten, kümmerst Dich um Dich (Auch in Dich haben sich doch wohl einige Krankheiten "verliebt.") und schreibst Deinem Mann eine Karte, einen Brief, einen Liebesbrief.
Mir hilft es in diesen Situationen auch, das zu tun, was Du tust, nämlich mich in diesem Forum auszu"kotzen". Mitunter reicht das schon. Aber die Antworten der netten Menschen hier sind dann auch so sehr gut.
Manchmal schreibe ich auch das, was mir an Wut, Ärger, ... durch den Kopf geht, einfach auf, für mich. Aber in Gedanken schreibe ich es für irgendwen auf, für meine Neurologin oder den Psychotherapeuten. Denen gebe ich es meist nicht, weil das Schreiben (mitunter mehrere Seiten) mich schon wieder "heruntergebracht" hat, mir also bereits half, mich abzureagieren (ohne mit Gegenständen um mich zu werfen oder Türen zu knallen oder wütend durch die Gegend zu keulen(= laufen)).
Liebes utchen, Du BIST eine STARKE FRAU! Und eine schwache zugleich.
Die Liebe zu Deinem Mann macht Dich stark und lähmt Dich auch. Sie bringt Dich in diese verrückte Situation. Aber sie ist das Beste, was Dir und Deinem Mann geschehen konnte!
Halte an dieser Liebe fest, aber ertrinke nicht in ihr!
Versuche nicht, Deinen Mann vor dem Ertrinken in der Krankheit zu retten, indem Du ihn mit in die Tiefen der Wasser der Liebe, der Tränen der verzeifelten Liebe ziehst.
Bleib standhaft an dem einen Ufer des Tränenmeeres, während Du Deinen Mann auf der anderen Seite in Sicherheit weißt.
Deine Karin