Ach Leute.... ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.
Angeregt durch die gestrige Sendung der ARD "Ein Sommer für Wenke", in der die an einem Hirntumor leidende 13-jährige Wenke sich entschlossen hat, keine Therapien im Krankenhaus mehr zu machen und zu Hause in Familie zu sterben, ist mir einmal wieder mehr zu Bewusstsein gekommen, was ich in naher Zukunft zu entscheiden habe.
Mein Mann erfuhr im Jahr 2002 von seinem Astrozytom - damals WHO Grad II. Wir konnten dann noch 7 Jahre ein doch recht harmonisches, fast sorgenfreies Leben führen. Mein Mann war erwerbsunfähig, hatte aber bis auf Epilepsie und dem Bedürfnis nach viel Ruhe kaum Einschränkungen. Im September 2009 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand innerhalb von einer Woche dramatisch. Er erblindete, wurde zwei Mal operiert. Inzwischen war der Tumor zu Grad III mutiert. Er bekam Bestrahlung und Chemo, wurde durch die Kombination aus allem dann orientierungslos. Danach sollte er mit Temodal behandelt werden. Zwei schreckliche Zyklen ließ er über sich ergehen, bis die Blutwerte so schlecht waren, dass man damit aufhören musste. Er magerte um 30 kg ab und im Frühling 2010 habe ich gedacht, er wird den Sommer nicht überleben. Trotz allem verbrachten wir einen Urlaub an der Ostsee und er fing an, sich langsam zu erholen. Sein Gewicht hat er inzwischen wieder. Aber dennoch, über den Zeitraum betrachtet, geht es ihm eigentlich immer schlechter. Es gibt Tage, da ist er kaum fähig zu stehen, geschweige denn, ein paar Schritte an der Hand zu laufen, ohne Hilfe sowie so nicht.
Das letzte MRT gab eine Größenzunahme der Zyste, also auf jeden Fall ein Indikator, dass sein Biest aktiv ist. Wenngleich der eigentliche Tumor nicht gewachsen ist. Der Arzt empfahl erneut Tomodal, allerdings in ganz niedriger Dosierung, um die Ernährung des Tumors einzudämmen. Also morgens und abends 20 mg. Ich war so hin- und hergerissen, denn eigentlich hatte ich im Vorfeld einen Entschluss gefasst: Wenn mein Mann schon sterben muss, dann durch seine Krankheit, nicht durch eine Chemo. Durch seine Symtomatik hat er nur noch den Geschmack als richtig funktionierendes Sinnesorgan... und das ihm auch noch nehmen. Nein, das will ich auf keinen Fall.
Der Arzt beschwor mich förmlich, es doch erst einmal zu versuchen. Absetzen kann man das Zeug doch immer noch. Also ließ ich mich - eigentlich gegen meinen Willen - breitschlagen. Und ja... in dieser niedrigen Dosierung verträgt er das Medikament einigermaßen. Ob es auch in irgendeiner Form etwas hilft, wird das nächste MRT zeigen. Allerdings wird mein Mann zurzeit ein wenig aggressiv und mürrisch. Haut überall gegen, niemand kann ihm etwas recht machen, nichts schmeckt usw.
So, nun zu dem, was mich eigentlich bedrückt: Kann ich eigentlich eine Chemo für ihn ablehnen? Darf ich das? Ich meine nicht rein rechtlich. Die Vorkehrungen haben wir getroffen.
Was ich meine ist : Kann ein Mensch überhaupt solch eine Entscheidung für einen anderen treffen? Es kommt mir vor, als ob ich eine Entscheidung über Leben und Tod zu treffen habe. Mir graut es mehr denn je vor dem nächsten MRT. Ich gehe immer davon aus: Was würdest du wollen, wenn du an seiner Stelle wärst. Würdest du so eine Behandlung wollen, wenn eigentlich eh alles ziemlich aussichtslos ist? Würdest du 8 Wochen länger leben wollen (wobei leben in diesem Fall eher leiden bedeutet)?
Kann mich jemand verstehen? Musstet ihr auch schon solche Entscheidungen treffen?
Schwermütige Grüße
Pem