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Gehirntumor: Seelische, körperliche und psychosoziale Folgen

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Ulrich:
Quelle: http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/gehirn.html

Man muß auf dieser Seite etwas herunterscrollen, bis man auf den Abschnitt trifft.

Ich zitiere daraus:
"GEHIRN-TUMOR: SEELISCHE, KÖRPERLICHE UND PSYCHOSOZIALE FOLGEN

Gehirn-Tumoren (Fachbegriff: raumfordernde intracranielle Prozesse) äußern sich in neurologischen Symptomen (z. B. Lähmungen, epileptische Anfälle, Gesichtsfeldausfälle, Abweichungen der Muskelreflexe), in neuropsychologischen Störungen (z. B. Orientierung, sprachabhängige Leistungsstörungen), gelegentlich auch in anderen Krankheitszeichen (z. B. Blutdruck). Schließlich in apparativ objektivierbaren Störungen (z. B. Elektroenzephalogramm (EEG), Computertomographie, Kernspintomographie, Elektromyogramm) usw.
Wichtig sind aber auch seelische und psychosoziale Konsequenzen. Denn sie gehören mit den Kopfschmerzen und epileptischen Anfällen zu den Frühsymptomen, in denen ein gezielter Eingriff noch die besten Heilungsaussichten hat.

Am häufigsten sind Verhaltens-Veränderungen: Der spontane Antrieb läßt nach, die Gemütsregungen stumpfen ab, das Interesse engt sich ein, der berufliche Einsatz geht zurück, die mitmenschlichen Beziehungen leiden oder schlafen ganz ein. In vielen Fällen erscheint die Persönlichkeit "entdifferenziert" oder "vergröbert".

Psychische Veränderungen sind vor allem bei Tumoren im Kindesalter häufig das einzige Frühsymptom (die Schädelnähte sind noch nicht geschlossen, weshalb es viel später zu Hirndrucksymptomen und entsprechenden Kopfschmerzen kommt). Das plötzliche (!) Einsetzen von Verhaltensstörungen ist so lange auch auf einen raumfordernden Hirnprozeß verdächtig, bis eine neurologisch-psychiatrisch-psychologische Abklärung auf diesem Gebiet zur Entwarnung berechtigt.

Die wichtigsten Warnsymptome sind Teilnahmslosigkeit, Spielunlust, Leistungsabfall, Reizbarkeit und Gemütslabilität.

Die Erfassung von seelischen und psychosozialen Früh-Warn-Symptomen ist aber für jede Altersstufe entscheidend. Und sie beschränkt sich nicht nur im Rahmen möglicher raumfordernder Hirnprozesse auf Hirntumoren, sondern schließt auch Hirnabszesse (Eitergeschwüre), Hirnödeme (Verquellungen durch Flüssigkeitseinlagerung) sowie Hämatome (Blutergüsse zwischen den Hirnhäuten) ein. Auf was ist deshalb zu achten?

Seelische Störung und Tumorsitz

Der Sitz des raumfordernden Hirnprozesses kann für das Beschwerdebild mitbestimmend sein, und zwar unabhängig und vor Ausbildung einer Drucksteigerung. Eine Hirndrucksteigerung, von wo auch immer ausgehend, führt schließlich zu rasch zunehmender Bewußtseinstrübung mit Benommenheit, Schläfrigkeit und Koma (nicht mehr erweckbar). Vor diesem bedrohlichen Stadium aber lassen sich bereits bestimmte Hinweise nutzen, je nach Sitz der Ursache:

Stirnhirntumoren

Bei den Stirnhirntumoren ist zu unterscheiden zwischen dem orbitalen und hochfrontalen Stirnhirnbereich. Im einzelnen:

- Beim orbitalen, also augenhöhlennahen Bereich (orbitale Rinde), wirkt der Patient wie eine atypische Manie (krankhafte Hochstimmung): flache Euphorie (inhaltsloses Wohl- bis Glücksgefühl) mit distanzlosem Witzeln, irritierendem zwischenmenschlichem Verhalten (Fachbegriff: Verlust der Wertvorstellungen; populär: "schlechte Kinderstube"), Enthemmung im sexuellen Bereich, aggressive Durchbrüche u. a.

- Beim hochfrontalen Stirnhirnbefall, bei dem der obere Stirnhirnanteil betroffen ist (Fachbegriffe: Marklager und Konvexität), werden die Patienten aspontan, bis sie am Schluß überhaupt keine Initiative mehr entwickeln und stundenlang regungslos dasitzen, das Bett nicht mehr verlassen und sogar ihre Speisen halbzerkaut im Mund behalten. Auch die sprachlichen Äußerungen versiegen. Zielgerichtete Handlungen sind nur noch begrenzt anregbar. Die Antworten bleiben einsilbig, ein Gespräch ist am Ende nicht mehr möglich. Jede Umstellung ist erschwert: Hat sich der Betroffene einer Situation oder einem Objekt (Mensch, Tier, Gegenstand) zugewandt, ist er so darauf fixiert, dass er nur noch schwer abgelenkt werden kann. Da die Eigeninitiative quasi ausgelöscht ist, wird die Auslieferung an die Umwelt umso stärker. Das äußert sich in sogenannten Echo-Symptomen: Wiederholung des Gehörten (Echolalie), Wiederholung von Bewegungen des Gegenüber (Echopraxie), Wiederholungen von Handlungen und Worten (Perseveration) usw. Die Stimmung ist gleichgültig-indolent ("wurstig"), der Gemütsbereich gleichsam "eingeebnet". Das Bewußtsein hingegen kann ungestört sein.

Meist ist jedoch der obere oder untere Teil des Stirnhirns nicht so scharf bzw. abgegrenzt betroffen, so dass es auch nicht zu einem scharf getrennten Beschwerdebild kommt. Oft findet man deshalb beim gleichen Patienten eine verwirrende Symptom-Mischung wie z. B. Antriebsverlust und gleichzeitig flache Euphorie usw.

Das Krankheitsgeschehen wird häufig von Wesens- und Charakterveränderungen eingeleitet (besonders wenn auch noch der Schläfenlappen des Gehirns betroffen ist). Die Folgen sind schwerwiegend, z. B. häufige Querelen, Verlust wichtiger sozialer Bezüge, am Schluß auch beruflicher bzw. sozialer Abstieg. Typisch ist auch eine eigenartig aspontane Verhaltensweise bei jedoch erhaltener Fremderregbarkeit (allein reaktionslos, mit anderen tragbar).

Schläfenlappentumoren

Patienten mit Schläfenlappentumoren erscheinen häufig als reizbar, verstimmbar, ängstlich oder depressiv. Nicht selten anfallsweise Halluzinationen, und zwar meist Geschmacks- und Geruchs-Sinnestäuschungen, mitunter aber auch akustische oder optische Trugwahrnehmungen. Typisch sind weiterhin Déjà vu-Erlebnisse ("in dieser Form irgendwie schon einmal gesehen"), ferner illusionäre Verkennungen (verfälschte Wahrnehmung wirklicher Gegebenheiten) und Depersonalisationserscheinungen ("ich bin nicht mehr ich", "alles so weit weg, alles so sonderbar und komisch"). Mitunter auch flüchtige Störungen der Zeitwahrnehmung und des Körperbildes. Bei Befall des basalen (unteren) Schläfenlappens kann auch das sexuelle Verhalten enthemmt sein. Schizophrene (z. B. Sinnestäuschungen) und depressive Krankheitszeichen (verstimmbar und ängstlich) finden sich bei Schläfenlappentumoren als Früh- und Erstsymptome öfter als bei allen anderen raumfordernden Prozessen (z. B. depressive Zustände in über der Hälfte der Fälle).

Parietallappentumoren des Scheitelbeins

Parietallappentumoren des Scheitelbeins zeigen nur selten seelische Lokalsymptome, am ehesten schizophrenieähnliche Krankheitszeichen. Bei rechtsseitigem Sitz mitunter Verwirrtheitszustände, inadäquate Gemüts-Reaktionen und depressive Verstimmungen.

Occipitallappentumoren des Hinterhaupts

Occipitallappentumoren des Hinterhaupts führen vor allem zu Gesichtsfeldstörungen, gelegentlich auch zu Sinnestäuschungen im ausgefallenen Gesichtsfeld. Hier kommt es rasch nicht selten zu einem gefährlichen Hirndruck mit Einklemmung der entsprechenden Gehirnstrukturen und damit Gefahr der Bewußtseinstrübung.

Tumoren des Kleinhirns

Kleinhirntumoren zeigen so gut wie keine seelischen Folgen wohl aber eine ganze Reihe verwirrender neurologischer Symptome (Sehen, Sprechen, Stehen und Gehen usw.).

Tumoren des Hirnstamms

Hirnstammtumoren äußern sich oft in Antriebs- und Gemütsstörungen, vor allem in Unruhe und Enthemmung. Gelegentlich schwankt das Bild zwischen Verlangsamung bis zur Apathie und seelisch-körperlicher Erregung. Im weiteren Verlauf drohen Bewußtseinstrübung mit Störung von Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Denken. Selten auch einmal phobisch-anankastische Bilder (z. B. Zwangsbefürchtungen). Bei Tumoren des 3. Ventrikels (Hirnkammer) können kurzfristig schizophrenie- oder manieartige Symptome vorausgehen.

Tumoren der Stammganglien

Stammganglientumoren äußern sich vor allem in Antriebsmangel, gemütsmäßiger Nivellierung sowie Bewußtseinsveränderungen.

Schlußfolgerung

Die überwiegende Zahl seelischer Störungen geht nicht auf einen raumfordernden Hirnprozeß zurück. Deshalb scheint es nicht besonders wichtig, an eine solche Ursache zu denken. Für die "wenigen" Prozent aber, die hierdurch betroffen sind und durch mangelnde Aufklärung, unzureichende Kenntnis und damit unterlassenes Daran-Denken viel zu spät diagnostiziert und damit ohne den sonst möglichen Erfolg behandelt werden, ist es tragisch. Deshalb kann es nicht schaden, bei den erwähnten seelischen Symptomen und psychosozialen Folgen auch die Möglichkeit einer Raumforderung zu erwägen. Bei den heutigen diagnostischen Möglichkeiten muß hier auch nicht lange in Angst gewartet werden, bis die Diagnose gesichert ist. Danach aber ist zweierlei klar: Entweder gibt es keinen organischen Befund und man kann sich auf die seelischen oder anderen Ursachen konzentrieren oder es gibt einen Tumor, der dann aber auch im Frühstadium und somit erfolgreich operiert werden kann."

Bitte lesen Sie auch den wichtigen Satz (er steht in der obigen Literaturstelle bei "Schädel-Hirn-Trauma"): "Die wesentlichsten Verbesserungen sind in den ersten zwei Jahren nach dem Unfall zu erwarten; weitere sind jedoch auch noch über Jahre hinweg möglich." Das dürfte manchem, der an einem Hirntumor operiert wurde und an physischen oder psychischen Folgen leidet, etwas Mut machen.

Ulrich:
Hier noch ein paar Links zu Beiträgen in unserem Forum, bei denen speziell die psychischen Folgen eines Hirntumors im Vordergrund stehen:
Fatigue bei GBM
Persönlichkeitsveränderungen bei Hirntumor
Meningeom-Op / Nachwirkungen
Psychische Folgen meiner Meningeom-Op
Belastungseinschränkungen mit Meningeom

Kognitive Funktionen bei einem frontalen Meningeom

Zum hirnorganischen Psychosyndrom siehe  HOPS auf Seite 9.

http://www.brainlife.org/psychosocial/menu.htm

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