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Autor Thema: Wiedereingliederung  (Gelesen 9350 mal)

Offline Sim73

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Wiedereingliederung
« am: 24. November 2017, 17:34:29 »
Heute bin ich etwas weniger gut gelaunt.
Zum Einen, weil mich gerade der Blues zur dunklen Jahreszeit trifft, und zum anderen, weil mir langsam die Decke auf den Kopf fällt ...
Zum Thema Wiedereingliederung hat mir mein Hausarzt einen gewaltigen Schreck versetzt ... inwiefern meine kognitiven Fähigkeiten nicht total im Keller sind (nein, so drückte er sich nicht aus, und ich weises, er meint es nur gut und wollte mich vor mir selbst schützen) ... da ich mit dem Kopf arbeite ist oder wird das sicher ein Thema.

Und eine langsame Wiedereingliederung ist sinnvoll und wird zeigen, wie gut es klappt.
Ich spüre eine gewisse Verminderung meiner kognitiven Fähigkeiten und weiss nicht, ob sie von der Bestrahlung kommen oder einfach nur, weil ich zulange Zuhause bin und mir die Herausforderung und der geregelte Tagesablauf fehlen.
Vermutlich ist es ein Kombination dessen. Und eine Mathe-Leuchte war ich ohnehin nicht. ;-(

Wie habt ihr denn Eure  Wiedereingliederung gestaltet?
Sim73

die gerade Angst um ihren Job hat ...

Offline KaSy

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Antw:Wiedereingliederung
« Antwort #1 am: 25. November 2017, 00:14:15 »
Liebe Sim73,
Du hattest eine OP, warst zur Reha und hattest eine Bestrahlung.
Das ist durchaus eine umfangreiche Therapie, die Dich nur langsam wieder fit werden lässt.
Du bemerkst es selbst, dass Du noch Schwierigkeiten hast, möchtest aber trotzdem gern wieder in Dein Leben zurück und zwar schnell. Jedenfalls schneller, als es Dir gut tun würde.

Ich bin sehr beeindruckt von Deinem Hausarzt, der Dich besser kennt als Du selbst und auch die Folgen der Hirntumor-Therapien sehr gut einschätzt.

Ich weiß nicht, ob Du gleich wieder mit der Arbeit beginnen willst, oder ob Du Dir noch Zeit lassen möchtest.

Falls der Hausarzt und Du sicher seid, dass Du jetzt beginnen kannst, dann wäre jetzt ein guter Anfang möglich. Du könntest mit ganz wenigen Stunden (zwei) täglich oder nur an zwei oder drei Tagen in der Woche beginnen. Du würdest bald merken, ob das gut gelingt. Solltest Du wieder Freude an der Arbeit haben und zu Hause noch Freizeit genießen können, Plätzchen backen, weihnachtlich schmücken, dann ziehst Du diese wenigen Arbeitsstunden bis Weihnachten durch, hast etwas mehr frei und kannst Dich dann entscheiden, im Januar mehr Stunden oder mehr Tage zu arbeiten.
Da werden die Tage wieder heller und die Winterdepression sollte weniger werden.

Du kannst aber auch wieder zu Hause bleiben, wenn das alles noch zuviel ist, denn Du bleibst ja "arbeitsunfähig".
Lass Dir Zeit und wenn es ein halbes Jahr ist, in dem Du Monat für Monat langsam mehr arbeitest.

Ich selbst war nach meiner ersten (nur) OP erst zur AHB und danach ein halbes Jahr zu Hause. Ich wusste es vorher schon, weil mein Neurochirurg es mir gleich gesagt hat. Es war ein Schock, aber gut zu wissen, denn ich konnte mich darauf einstellen. Ich habe dann ein halbes Jahr lang Monat für Monat die Stundenzahl gesteigert und das war richtig. Als ich wieder voll arbeitete, dauerte es noch etwa ein Jahr, bis ich rückwirkend festgestellt habe, dass ich jetzt erst wieder wirklich voll da bin. Aus dieser Erfahrung heraus habe ich nach meiner 2. OP, der eine Bestrahlung folgen musste, nach Therapieende 6 Monate zu Hause verbracht und mich dann genauso langsam wieder eingearbeitet.

Du kannst noch Dein Leben lang arbeiten. Wenn Du jetzt zu schnell wieder "in die Vollen" gehst, könntest Du Dich überlasten und Dir dadurch schaden. Immerhin hat womöglich Deine Psyche auch gelitten, das will verarbeitet sein! (Ich weiß, wovon ich rede ...)

Hör auf Dich und Deinen Hausarzt und ich bin ziemlich sicher, dass auch Dein Arbeitgeber Dich verstehen wird. (Der will ja auch eine voll funktionsfähige Mitarbeiterin haben und die lieber später ganz.)

Ich bin mir sicher, dass Du das schaffst!
(Ich hatte auch nach dieser mir so sehr lange erschienenen Zeit die Angst, meine Arbeit nicht mehr zu können, aber - es ging!)

Alles Gute!
KaSy
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

Offline Löwenzahn

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Antw:Wiedereingliederung
« Antwort #2 am: 25. November 2017, 12:50:32 »
Hallo Sim 73,
Ich habe gerade deinen Beitrag und die Fragen zur Wiedereingliederung gelesen und es hat mich sehr an meine Zeit 2009 und jetzt auch wo ich unmittelbar wieder vor einer Wiedereingliederung stehe erinnert.
Ich wurde mit einem großen Menigeom im Mai 2009 operiert und bin heute noch dankbar, dass mich mein derzeitiger Neurologe, obwohl ich heulend vor ihm saß und meinte arbeiten wäre besser als alles andere und zuhause rumzusitzen, vor meiner Arbeitswut beschützte.
Das hat schon viel mit Krankheitsverarbeitung und depressiven Verstimmungen zu tun und man muss irgendwie auch die derzeitigen Leistungsgrenzen akzeptieren lernen, was nicht heißt dass dies so bleibt.
Ich habe dann im Dezember 2009 eine relativ schnelle Wiedereingliederung über 4 Wochen gemacht auf 100%.
Das war definitiv nicht gut für mich, aber ich musste es selbst erleben, dass es nicht mehr funktioniert. Ich bin dann ab Januar mit den Prozenten runter auf 80% mit einem relativ guten Dienstplan meiner Chefin und viel Verständnis vom Team für meinen unberechenbaren Kopf.
Meine Erfahrungen habe ich verschriftlicht in einem Bericht: Löwenzahn oder Diagnose Hirntumor. Das hat mir sehr geholfen, mich durch zu sortieren.
In den letzten 7 Jahren gings mal auf 90% dann wieder runter und letztes Jahr bekam ich dann richtig Probleme mit Lärmverarbeitung. (Ich arbeite im Kindergarten) und wieder hats mich aus den Latschen gehauen. Gerüstet mit Gehörschutz gegen die Hyperakusis die ich entwickelt habe und jetzt mal mit 75% die ich langsam versuche aufzubauen geht's am Montag wieder los.
Inzwischen denke ich, mal sehen wie es klappt, man kann es einfach nicht gut vorhersagen, aber was mir immer gut geholfen hat war eine begleitende Psychotherapie zum besprechen und verarbeiten der neuen Situation.
Fazit: Höre auf deine Ärzte vor allem wenn sie so rücksichtsvoll mit deiner Erkrankung umgehen, was nicht immer so ist. Und vor allem höre auf deine innere Stimme, die dir sagt, was sich richtig und gut anfühlt und was nicht.
Ich wünsche Dir gute Entscheidungen für Dich und rücksichtsvolle Menschen um Dich herum. Sei milde und geduldig mit Dir.
Löwenzahn

 



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