HirnTumor-Forum

Autor Thema: Meine Geschichte(20)-Austauch gesucht  (Gelesen 9073 mal)

Sportskanone95

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Meine Geschichte(20)-Austauch gesucht
« am: 29. August 2016, 15:13:56 »
Hallo,
ich bin Selina (20) aus SH und wurde letzten Dienstag zum 2. Mal an meinem Astro operiert.
Mit 19 habe ich im letzten Jahr einen großen Krampfanfall zu Beginn meines Dualen Studiums in der Fachhochschule bekommen und dann ging alles ganz schnell. Krankenwagen, direkt in die Uniklinik und Beginn sämtlicher Untersuchungen. Das MRT hat schnell das gesuchte Ergebnis der Ärzte gezeigt: ein 4cm-großer Tumor im linken Temporallappen. Im Nachhinein habe ich kaum Symptome gespürt, während des Abis fing es ca. mit Déja-vu-Momenten an, die mir irgendwann komisch und beängstigend vorkamen. Ich war für kurze Sekunden "weg", ohne dass es jemand mitbekam, ich aber nicht wusste, was mit mir los ist. Kopfschmerzen u.ä. hatte ich nicht, lediglich selten einen Druck. Ja, meine Mama hat mir sogar erzählt, dass ich irgendwann wie aus Jux und Dollerei zu ihr meinte, ich glaube ich habe einen Tumor im Kopf, mein Kopf platzt fast. Die "harmlosen" Symptome habe ich auf mein Alter, die Umstände durch das Abi und den Beginn einer Ausbildung, Hormone und und und geschoben. Dann diese Diagnose.
Mittwoch eingeliefert und am Montag schon operiert. Der Tumor konnte vollständig entfernt werden und stellte sich als gutartig WHO-Grad 1 heraus.
Ich wollte mich nicht unterkriegen lassen und wäre am liebsten 2 Wochen nach der OP wieder in die FH marschiert. Auch eine Knie-OP stand noch aus, die für den Tag der Kopf-OP geplant war. Zu 4 Wochen habe ich mich überreden lassen und dann fing ich in Wiedereingliederung an wieder zur FH zu gehen. 4 Wochen später die Knie-OP kurz vor Weihnachten und die Schmerzen meines Lebens.
Zum Ende der Wiedereingliederung fing also die Zeit auf Krücken an und im Nachhinein ging ich schon bald am Stock. Mein von mir ignorierter und ausgegrenzter Kopf, das Knie und der Beginn einer zeitintensiven ambulanten Reha für das Knie.
Keine 2 Monate nach Ende der Wiedereingliederung erneuter Zusammenbruch in der FH. Es fühlte sich an wie ein aufkommender Krampfanfall, brach aber nicht durch. Ab in den Krankenwagen und zum MRT. Aussage der Ärzte: alles in Ordnung, nichts vorzufinden. Mein Neuro schickte mich zum Kardiologen (bei dem ich wirklich alle erdenklichen Untersuchungen machen musste), Augenarzt und nannte die Psyche als ausschlaggebenden Grund.
Ich bin sehr sensibel und stimme jedem zu, der sagt, dass es sich auch auf den Körper auswirkt und für einige Leiden zuständig ist. Aber dieser Vorfall fühlte sich nicht rund an, ich setzte mein 1. Ausbildungsjahr aus und begann eine Therapie. Die alt bekannten Auren (Abscencen) waren aber gepaart mit Panikattacken wieder da. Ich wechselte den Neuro und ein Medi-Auf&Ab begann. Diagnose: narbenbedingte Epi. Umstellung hier, Umstellung da. Die NW waren die neue Begründung für die Symptome bzw. die Panik...

Nun sollte das Wiederholen meines 1. Jahres losgehen und kurz vor dem Auszug von Zuhaus stand ein Kontroll-MRT an.
Es hat mich nicht wirklich überrascht, dass etwas nachgewachsen ist. Das letzte MRT nach dem letzten Zusammenbruch hatte kleine Gewebsveränderungen aufgezeigt, die mehrheitlich als Narbengewebe gewertet wurden. Meine Auren nahmen ja aber zu und nun bestätigte sich mein eigener Verdacht, dass dort wieder etwas ist.
OP, Bestrahlung oder Warten und dass 4 Tage vor dem Auszug. Ich entschied mich für eine erneute OP. Mein Tumor sitzt so gut, dass er perfekt operiert werden kann und auch keine Gefahr für neurologische Ausfälle darstellt.

Jetzt heißt es Zittern um das Ergebnis. Ich hoffe es stark, aber es würde mich positiv wundern, wenn ein Astro 1, gilt man doch in meinem Alter nach vollständiger Entfernung als geheilt, innerhalb von 10 Monaten wieder auftritt. Prognostiziert wurde, dass ich keine Probleme mehr damit haben werde, wenn überhaupt erst im hohen Alter.
Also abwarten! Hoffentlich nicht schon ein 2er.

Hat jemand Erfahrungen mit einem Astro 1-Rezidiv?
Sind hier Leute in meinem Alter unterwegs? Wie versteht ihr das Thema Epi im Zusammenhang mit Hirntumor?
Wie geht ihr mit der Panik vor weiteren Anfällen um und wie könnt ihr die Umstände akzeptieren?
Wie geht ihr psychisch mit eurer Erkrankung um? Habt ihr auch Angst vor weiteren Rezidiven?
Wie seid ihr wieder in die Arbeitswelt bzw. den Alltag eingestiegen?

Ich saß ja die letzten 6 Monate Zuhause und merke nun, dass es mir einfach nicht mehr gut tut, so viele Pause zu haben. Ich brauche Aufgaben und mich bestimmen Gedanken wie Sinn des Lebens, warum Krankheiten, warum medizinisch eingreifen und die Suche nach Erklärungen. Die Frage: Warum ich? stelle ich mir nicht, aber die Frage Warum? und so lange ich keine Lösung finde, halte ich fest und werde verrückt. Ich verstehe nicht, warum wir Menschen krank werden, alle so unterschiedlich und zu anderen Zeitpunkten und Angst zu sterben, kommt nun natürlich auch dazu.

Ich möchte so gerne einfach 20 sein und jung sein, Spaß haben und mein Leben genießen. Anstattdessen sitze ich krank rum und denke über die fehlenden Erklärungen für alles nach.

So, ich wollte mich kurzfassen, das ist mir aber nicht gelungen.  ;D Wenn sich jemand bei mir meldet, freue ich mich sehr und auch eure Geschichten interessieren mich.

Liebe Grüße, Selina

Und ganz wichtig könnt ihr mir eine Rehaklinik empfehlen? Z. B. in SH?

Offline Matlock

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Antw:Meine Geschichte(20)-Austauch gesucht
« Antwort #1 am: 02. Oktober 2016, 21:44:03 »
Hallo Selina,

herzlich willkommen im Astrozytom-Forum, auch wenn der Anlass kein schöner ist.

Was ist denn bei der Untersuchung des Rezidivs herausgekommen? Ist es immer noch Grad 1? Von einem Astrozytom Grad 1 hatte ich bisher noch nicht gehört, eher ab Grad 2.

Sorry dass keiner aus der Gruppe Dir bisher geantwortet hat. Es ist in letzter Zeit ziemlich still hier geworden, was vermutlich daran liegt dass wir über einen längeren Zeitraum keinen Ärger mit unserer Krankheit hatten. Das ist zumindest bei mir der Fall. Also keine Angst vor Grad 2, wenn der Tumor "vollständig" entfernt werden kann, dann kann er auch über viele Jahre hinweg ruhig sein. Von "geheilt" spricht man dann aber nicht mehr. Ich bin im April 2012 operiert worden und seitdem hatte ich nur die Nachuntersuchungen.

Auf Deine Fragen: Die meisten im Forum sind älter als Du, in der Regel kriegt man die Krankheit so mit 35+.

Epilepsie kommt bei vielen mit HT vor, ich hatte das aber nie.

Die Angst vor Rezidiven ist immer da und wird (bei mir) wohl auch nie weggehen. Unsere Krankheit ist psychisch sehr belastend, was ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt ist. Es ist schwer die Balance zu finden, auf der einen Seite musst Du das irgendwie verdaut kriegen. Auf der anderen Seite sollst Du mit 20 das Leben wirklich noch genießen.

Für mich war die Rückkehr in die Arbeitswelt nicht einfach. Ich bin viel zu früh (7 Wochen nach der OP) zurückgegangen weil ich nicht mehr nur "krank" und "Patient" sein wollte sondern mein Leben zurückhaben wollte. Ich war aber noch nicht in der Lage, wieder volle Leistung zu bringen, und meine damalige Firma wusste mit der Situation auch nicht so richtig umzugehen.

Wenn ich damals gewusst hätte was ich heute weiß, wäre ich vermutlich auch eher 6 Monate zuhause geblieben.

Das "warum" kann Dir leider keiner beantworten. Vielleicht gibt es Ursachen die die Krankheit bei Dir und bei uns ausgelöst haben. Die Ursachen kennt aber keiner, HT sind dafür zu wenig erforscht. Zu viel Handy-Nutzung scheint es ja bekanntlich nicht zu sein. Und metaphysisch: manchmal "erwischt" es kleine Babys, manchmal Menschen in Deinem Alter. Es ist halt einfach sehr unfair.

Bist Du bei der Suche nach einer Reha-Klinik fündig geworden? In welchem Krankenhaus bist Du operiert worden?

Viele Grüße

Carsten


P.S. @Sandra/Chris: Euren Eintrag hatte ich noch gar nicht gelesen, Euch alles Gute!
« Letzte Änderung: 02. Oktober 2016, 21:50:14 von Matlock »

Offline sm332

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Antw:Meine Geschichte(20)-Austauch gesucht
« Antwort #2 am: 29. November 2017, 20:45:07 »
Moin,

"Ich möchte so gerne einfach 20 sein und jung sein, Spaß haben und mein Leben genießen. Anstattdessen sitze ich krank rum und denke über die fehlenden Erklärungen für alles nach."

Willkommen in meinem Leben.

Ich hatte ein Astrozytom am Stammhirn.. Das wurde entfernt, da war ich 12. Konnte allerdingss nicht ganz entfernt werden. Der Rest wurde in einer späteren OP entfernt, mit erheblichen Kolateralschäden. Ich hab schon ne ganze Menge durch. Von dem 1. Astro, über einen dadurch entstandenen Hydrocephalus, Zystenvildungen, Resttumor, Blutgerinsel im Hirn, körperliche-, sowie psychische Erkrankungen, shunt-systeme... die Liste ist lang. Trotzderm habe ich immer versucht den Kopf über Wasser zu halten. Von Fachhochschule über eine IT-Ausbildung bis zum derzeitigen Studium habe ich alles gemeistert. Klar werfen alle möglichen Leute immer wieder scheinbar unüberwindbare Felsen in deinen Weg. Einfach weiter machen. Nicht auf die Ignoranz, Intolleranz oder die schiere Dummheit der Leute achten. Meine Situation können nur die wenigsten nachvollziehen. Warum tue ich die Dinge, wie ich sie tue; Hmm, wahrscheinlich weil ich nicht besser zu tun vermag.

Nun bin ich schon ein paar Tage älter und ich stelle gerade fest, dass ich doch ziemlkich abgestumpft bin, was das angeht. Ich nehme das Leben einfach so, wie es kommt. Das ist hammer schwer für mich aber was tun? Entweder ich gebe auf oder ich mache weiter.  Das ist alternativlos, jedenfalls sehe ich das so.  Wenn ich das so lese, dann liest sich das ziemlich selbstbewusst. Aber der Schein trügt manchmal. Ich gebe zu ich bin evht ziemlich oft mit den Nerven am Ende, nahe des Zusammenbruchs und alle sagen immer so schlimm/schwer ist das doch gar nicht. Doch, für mich ist es verdammt hart.

Das ist gerade deshalb so schwer, weil ich ich das "normale" Leben kenne. Ich weiß, wozu ich früher in der Lage gewesen wäre. Ich war Fußballer, der nahezu beste in meiner Klasse auf dem Gymnasiom, ich hatte Freunde...

Warum? Es gint keine Aentwort auf diese Frage. Lass sie liegen.
Warum allerdings sowas entsteht? Evolution. Manvhe Menschen haben keine Weißheitszähne mehr. Evolution. Möglicherweise ist die ganze Tumorsache ein Versuch den Menschen besser zu machen bzw anzupassen. Zwar fehlgeschlagen aber ein Versuch.

Oh, über die sogenannte soziale Marktwirtschaft könnte ich ein Buch schreiben. Als Mensch mit gewissen Handicaps irgentwo Fuß zu fassen, ist kaum möglich. Die haben einfach keinen Bedarf an bis zum Erbrechen ausgebildete Typen, wie mich. Da stecken die verstaubten Sesselfurzenden Safties noch echt in den Kinderschuhen. Eigentlich zählt doch nur: was kannst du? und nicht: wer bist du? und genau da liegt der Hund begraben. Die Menschen allgemein sind einfach viel zu borniert und oberflächlich.

Ich mache lieber Schluss, sonst rege ich mich wieder hammer doll auf. Lohnt nicht...

Offline Charlygirl

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Antw:Meine Geschichte(20)-Austauch gesucht
« Antwort #3 am: 11. Januar 2018, 21:11:11 »
Hallo,

ich habe zwar keinen Tumor, aber habe seit meinem 4. Lebensjahr aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung eine schwere Epilepsie. Ich habe tägliche kleine Anfälle und ca. alle 8 Wochen einen Grand Mal Anfall bei dem ich stark krampfe. Häufig schlafe ich nach den großen Anfällen ca. 2 Stunden und habe dannach starke Kopfschmerzen. Der Muskelkater durch das Krampfen hält zwei Wochen an.
Ich habe mich schon oft verletzt bei den Anfällen, jedoch ist es wichtig zu lernen damit umzugehen. Wenn man in ständiger Angst vor Anfällen lebt, verliert man sehr stark an Lebensqualität.
Ich habe schon so ziemlich alle Antiepileptika ausprobiert. Bei Überdosierung bekomme ich starke Gleichgewichtsstörungen und kann kaum laufen. Ansonsten machen mich die Medikamente recht müde und zittrig. Aber ich bin das auch gewohnt, da es schon immer so war. Nimmst Du Antiepileptika? Wenn ja, welches denn? Ich nehme zur Zeit nur Lamotrigin, da die hochdosierten Kombinationen bei mir auch nicht besser helfen.
Ich bin am linken Schläfenlappen operiert, habe vor allem Probleme mit dem Gedächtnis und Wortfindungsstörungen. Wenn ich nicht Linkshänder wäre und das Sprachzentrum rechts hätte, wäre ich wohl nie opriert worden. Leider hat mir die Op nicht geholfen, im Gegenteil. Manchmal bereue ich die Op etwas, weil seitdem die großen Anfälle auftreten und die Op ja im Gegensatz zu Hirntumorpatienten eine "Kann-Operation" war, bei der man gehofft hatte die Epi zu bessern bzw. sagte man ich hätte eine 80 prozentige Chance auf Anfallsfreiheit.
Ich (weiblich 35 Jahre) studiere Sozialpädagogik und wohne bei meinen Eltern, würde so gern ein eigenständiges Leben führen. Ich wollte wieder studieren, um wieder ins normale Leben zu finden und versuche positiv in die Zukunft zu sehen, auch wenn ich durch meine Epilepsie einen hohen Schwerbehinderungsgrad habe und immer empfohlen wird ich soll eine Pflegestufe beantragen.  Ich wünsche Dir, dass es Dir bald besser geht.
Wenn Du Fragen zum Thema Epilepsie oder irgendetwas hast, kannst Du sie gern stellen. Ich freue mich über einen Austausch von Erfahrungen.

Liebe Grüße

 



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