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Autor Thema: Beitrag: Gliazellen - was tun die?  (Gelesen 27632 mal)

Johanna Teig

  • Gast
Beitrag: Gliazellen - was tun die?
« am: 22. Mai 2004, 22:31:54 »
Hier etwas Hintergrundwissen über die Gehirnzellen, die bei Gliomen betroffen sind: die Gliazellen.

Glia ist das griechische Wort für Leim oder Kitt. Die Gliazellen heissen so, weil sie an den Neuronen (das sind die Informationsträger, die eigentlichen Gehirnzellen sozusagen) kleben. Zuerst dachte man, sie dienen nur als Stützgewebe. Sie tun aber noch viel mehr: Sie füttern die Neurone, fressen sie aber manchmal auch auf. Bei Verletzungen des Nervengewebes fangen sie an, sich zu teilen, um Lücken auszufüllen. Neuronen können sich dagegen nicht teilen.
Noch mehr einleitende Worte...

Von diesen Gliazellen gibt es verschiedene Arten:

- Oligodendrozyten:
Sie bilden die Myelinscheiden des zentralen Nervensystems, vor allem in der weissen Substanz (die "kleinen grauen Zellen", also die graue Substanz speichert die Information, die weisse Substanz besteht aus "Leitungen" ). Da die Information im Gehirn elektrisch übermittelt wird, müssen auch diese winzigen "Kabel" isoliert sein. Diese Isolierungen rund um die Nervenleiter sind die Myelinscheiden.

Myelin besteht hauptsächlich aus "Fett", da dieses ja im Gegensatz zu Wasser keinen Strom leitet und so als Isolator wirken kann. Das macht die Oligodendrozyten empfindlich gegen freie Radikale (oxidativer Stress).
Mehr Infos dazu hier.


- Astrozyten:
Sie sind für Stoffwechsel und Ernährung der Neuronen zuständig. Aber mittlerweile weiss man, dass sie noch viel mehr können:
Sie ermöglichen erst die Kommunikation der Neuronen untereinander.


Die wichtigsten Funktionen der Astrozyten sind:
(1) Die Versorgung von Neuronen mit Sauerstoff und Nährstoffen (Transport von den Endothelzellen der Hirnkapillaren zu den Neuronen
(2) Die Nährstoffspeicherung (Glycogen)
(3) Die Nährstoffkonversion (Glucose => Lactat => Neuronen)
(4) Der Abtransport von neuronalen Stoffwechselprodukten (CO2 )
(5) Der Abtransport überschüssiger Ionen (K+, Ca++)
(6) Die Aufnahme und Abbau überschüssiger Neurotransmitter an den Synapsen (Glutamat => GS, Dopamin => MAO-B)

Astrozyten ernähren die Nervenzellen nicht nur, sondern sie kontrollieren auch deren Wachstum, indem sie Wachstumshormone bilden. Im normalen Gehirn ist deren Expressionsrate allerdings vergleichsweise niedrig. Sie nimmt vor allem während astrogliärer Aktivierung im Verlauf von Läsionsbedingten Erkrankungen stark zu.

Neben den Wachstumsfaktoren i.e.S. werden im geschädigten Nervensystem auch verschiedene Cytokine von Astrocyten freigesetzt.

So z.B. verschiedene Interferone (IFNalpha, IFNbeta, IFNgamma), Interleukine (IL-1, IL-6, IL-8 ) und Mitglieder der Gruppe der Tumornekrose Faktoren (TNFalpha, TNFbeta). TGF-beta1 und 2 werden ebenfalls freigesetzt. Die Expression all dieser Faktoren dient der Steuerung derjenigen Prozesse die der Wiederherstellung des geschädigten Hirnareals bzw. wenn das nicht erreicht werden kann doch zumindest der Schadensbegrenzung dienen.

Die Astrozyten geben nicht nur Botenstoffe ab, sondern reagieren auch auf diese. So reagieren sie z.B. für die "Entzündungshormone" vom Typ der Eikosanoide und Prostaglandine. Siehe dazu auch hier.


Genauere Informationen finden sich hier.

- Ependymzellen:
Sie bilden die Wand, die die mit Gehirnwasser (Liquor) ausgekleideteten Ventrikel und den Rückenmarkskanal auskleiden.

- Schwann-Zellen:
Sie umgeben die Nerven und gehören zum peripheren Nervensystem, während die Astro- und Oligoendrozyten zum zentralen Nervensystem gehören.

- Mikrogliozyten:
Sie bilden das Immunsystem des Gehirns.

Quelle: Rohen, Funktionelle Neuroanatomie, 6. Auflage.

« Letzte Änderung: 14. Februar 2010, 22:18:07 von Bluebird »

Ulrich

  • Gast
Re:Gliazellen - was tun die?
« Antwort #1 am: 13. Februar 2005, 12:37:04 »
Diese Meldung wurde von pressetext.austria ausgedruckt und ist unter http://www.pressetext.at/pte.mc?pte=050211029 abrufbar.

Zitat:
Gliazellen bei der Bildung von Synapsen entscheidend
Erkenntnisse sollen bessere Epilepsie-Behandlung ermöglichen


Stanford (0, 11. Feb 2005 13:25) - Wissenschafter der Stanford University School of Medicine http://med.stanford.edu haben entdeckt, dass auch Gliazellen eine entscheidende Rolle bei der Bildung von Synapsen während des Entwicklungsprozesses direkt nach der Geburt spielen. Bisher war nur bekannt, dass diese Zellen die Funktion der Neuronen im erwachsenen Gehirn unterstützen. Die neuen Einblicke in den normalen Vorgang der Bildung von Synapsen sollen eine verbesserte Behandlung von Drogenabhängigkeit und Epilepsie ermöglichen. Dabei handelt es sich um Krankheiten, die teilweise durch das Vorhandensein von zu vielen Synapsen gekennzeichnet sind. Die Kommunikation im Gehirn findet von einer Nervenzelle zur anderen über Synapsen statt. Diese Neuronenverbindungen bilden sich früh in der Gehirnentwicklung. Es wurde angenommen, dass ihre Bildung von den Nervenzellen selbst gelenkt wird. Die Ergebnisse der Studie wurden in dem Fachmagazin Cell http://www.cell.com veröffentlicht.

Gliazellen machen rund 90 Prozent der Zellen im Gehirn von Säugetieren aus. Bis vor kurzem konzentrierte sich die Wissenschaft auf ihre unterstützende Rolle. Das Team um Ben Barres entwickelte ein neues Verfahren zur Züchtung von Neuronen im Labor, das ohne Gliazellen auskommt. Die Forscher isolierten Proteine, die von den Gliazellen produziert wurden. Sie untersuchten in der Folge, was passiert, wenn diese Proteine einer Neuronenkultur hinzugefügt werden. Zwei der Proteine, Thrombospondin 1 und 2, führten zur Bildung von Synapsen. Diese Synapsen erwiesen sich allerdings als nicht voll funktionsfähig. Sie konnten Signale übertragen, aber waren nicht in der Lage sie zu empfangen.

Das Neuron, das das Signal überträgt, kann einen Neurotransmitter bilden. Das benachbarte Neuron, das das Signal empfängt, ist jedoch nicht in der Lage das Vorhandensein eines Neurotransmitters zu erkennen. Vollständig funktionsfähige Synapsen erfordern das Vorhandensein von Gliazellen. Laut Barres ist bekannt, dass die Gliazellen zumindest ein weiteres entscheidendes Protein produzieren, das man derzeit noch nicht identifiziert habe. Dieses unbekannte Protein ermöglicht dem empfangenden Neuron den Neurotransmitter zu entdecken, der von dem Neuron ausgeschickt wird, das bei der Bildung von Synapsen Signale überträgt.

In einem nächsten Schritt entwickelten die Wissenschafter einen Mäusestamm, dem die Fähigkeit Thrombospondin 1 und 2 zu bilden, fehlte. Die Gehirne diese Tiere wiesen 40 Prozent weniger Synapsen auf als jene normaler Mäuse. Gliazellen sondern diese Thrombospondine nur in den frühen Phasen der Gehirnentwicklung gleichzeitig mit der Bildung von Synapsen ab. Diese Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass die relativ geringe Fähigkeit des erwachsenen Gehirns neue Synapsen zu bilden, auf das Vorhandensein von nur geringen Mengen dieser Thrombospondine zurückzuführen sein könnte.
« Letzte Änderung: 18. August 2008, 14:47:44 von Ulrich »

Offline regilu

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Re:Gliazellen - was tun die?
« Antwort #2 am: 18. August 2008, 14:31:14 »
An Alle, die sich für neue Erkenntnisse über Gliazellen und Astrozyten interessieren:

In der neuen Zeitschrift: "Bild der Wissenschaft" von September 2008

ist ein grosser Artikel von Ulrich Kraft über die neuesten Erkenntnisse, wie unser Gehirn "funktioniert."

Da die gesamten Artikel 16 Seiten umfassen, ist es fast unmöglich, alles hier einzusetzen.

Die Zeitschrift kostet € 7,30,
Wenn ich sie augelesen und studiert habe, kann ich ja verschenken.

Eure regilu
Auch die dunkelsten Wolken haben,  der Sonne zugekehrt,  ihre lichten Seiten!
Friedrich Herter

Ulrich

  • Gast
Re:Gliazellen - was tun die?
« Antwort #3 am: 18. August 2008, 14:51:00 »
Danke, Regilu,

Hier kann man schon einmal die Vorschau anschauen: http://bdw.wissenschaft.de/bdw/vorschau.html

Und im September dann hier Informationen über das aktuelle Heft: http://www.bdw.de/bdw/heft/liste.html

(Im Moment ist noch der August dran)

Ulrich

  • Gast

 



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