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Autor Thema: Die Geschichte meines Vaters ( Glio IV)  (Gelesen 5797 mal)

Offline VF96

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Die Geschichte meines Vaters ( Glio IV)
« am: 22. September 2012, 18:57:43 »
Hey, also ich möchte gerne die ganze Geschichte meines Vaters erzählen. Diese hab ich in meinem 1. Beitrag nur grob beschrieben, da es eher um mich ging.

Mein Vater war ein sehr guter Mensch. Ehrlich gesagt war er für mich der Größte! Als ich noch nicht auf der Welt war erkrankte mein Vater an einem gutartigen Hirntumor. Zu der Zeit bestand die Familie nur aus meinem Bruder, der 2 Jahre alt war und meiner Mutter. Was für ein Tumor dieser war, weiß ich leider nicht. Mein Vater wurde operiert und bekam eine Chemo-Therapie. Er hatte alles gut überstanden und lies sich nicht unterkriegen. In diesem Jahr verstarb auch sein Kind und mein Bruder. Trotzdem kämpfte er und siegte auch gegen die Krankheit. 15 Jahre war Ruhe. Kein Tumor, keine Krankheiten mehr. In diesen 15 Jahren kam meine Schwester und ich zur Welt. Wir führten ein schönes Familienleben. Doch 2006 der Rückschlag. Wieder ein Hirntumor  :-[
Das war das erste mal das ich wirklich mit einer Krankheit konfrontiert wurde. Ich wusste nicht wie ich damit umgehen sollte. Mein Vater wurde bestrahlt und es sah gut aus, denn der Tumor war weg. Ich war glücklich und stolz auf meinen Papa. Denn ohne ihn konnte ich es mir nicht vorstellen. Ein Jahr später bekam mein Vater auf einmal Lähmungserscheinungen. Er fiel einfach zur Seite. Dabei zuzusehen war wirklich schrecklich. Jedes mal, wenn ich ihn so gesehen habe musste ich weinen. Natürlich wurde sofort ein MRT gemacht. Dann kam der große Schock: Zwei Hirntumore! Doch wir gaben die Hoffnung nicht auf. Es waren ein gutartiger Tumor (1) und ein bösartiger (3). Die Ärzte entschieden sich, den bösartigen zu operieren. Während der OP dachten die Ärzte sie sehen nicht richtig. Der Hirntumor war viel größer als gedacht. Leider hat man es auf dem MRT nicht gesehen. Er war bis in den Hirnstamm gewachsen, ABER die OP ist trotzdem gut verlaufen. Zu dieser Zeit fehlte ich sehr viel in der Schule, weil ich jeden Tag mit meiner Mutter morgens nach Bonn gefahren bin und spät abends erst zurückkam. Ich wollte einfach bei ihm sein, da war mir die Schule egal. Die Lehrer hatten zum Glück auch Verständnis dafür.
Es war kein schöner Anblick meinen Vater mit einem Schlauch im Kopf zusehen, aber es ging ihm gut. Der andere Tumor wurde bestrahlt und alles war wieder gut. Ich kann nicht oft genug sagen, wie stolz ich auf ihn war. Er vertrug die Chemo sehr, sehr, sehr, sehr gut. Er ging arbeiten, mit meiner Mama auf Feiern. Man hat ihm nicht angesehen das er krank war. Wir lebten wie vorher, als wäre nie was gewesen, denn wir wussten kein Tumor konnte meinem Vater was, da er ihn besiegen würde.
Nach einiger Zeit sind wir dann in unser neues Häuschen gezogen. Wir waren so glücklich wie nie. Mein Vater war jeden Tag dort, um es so hinzubekommen wie wir es haben wollten.  :)
Als wir endlich eingezogen waren, war die nächste Zeit wie ein Horrorfilm. Ich war mit einer Freundin in der Stadt als plötzlich ein Anruf von meiner Tante kam : Vanessa, wir haben deinen Papa bewusstlos im Keller gefunden, komm schnell ins Krankenhaus, er will dich sehen. "
Weinend bin ich sofort zu dem Krankenhaus gelaufen. Da lag er: Im Bett, blass, aber wieder bei Bewusstsein. Ich ging zu ihm und sagte " Papa was machst du denn für Sachen?" Er antwortete " Tut mir Leid wenn ich dich geschockt hab. "
Meine Mutter sagte mir später, dass er einen epileptischen Anfall hatte. Ich wusste natürlich was das hieß. Mein Vater bekam erneut eine Chemo. Trotzdem ging er weiter arbeiten. Nach ein paar Wochen ein erneuter Anruf: " Vanessa, dein Vater wurde bewusstlos in seiner Werkstadt gefunden. " Ich dachte nur 'hört dieser Alptraum denn nie auf'
Der Tumor war aber zum Glück nicht gewachsen. Mit den epileptischen Anfällen mussten wir leben. Ich war froh das ich so einen Anfall nie miterlebt habe. Bis zu einen bestimmten Zeitpunkt.
Ich lag auf dem Sofa und bin eingeschlafen. Ich hört die ganze zeit ein Klickern, dachte mir aber nichts dabei. Irgendwann wurde es aber immer lauter. Also stand ich auf um zu gucken. Der große Schock. Mein Vater lag krampfend auf dem Bode. Ich rief nur " Mama,Mama komm schnell,Mama" Sie kam direkt angelaufen und gab meinem Vater eine Tablette zum entkrampfen. Ich lief schreiend auf mein Zimmer und schloss mich ein. Es war ein so großer Schock. Es sah schlimm aus ihn hilflos zu sehen. Nach dem Anfall hatte er wieder Lähmungserscheinungen in der linken Seite.
Am nächsten Tag war wieder alles ok, so als wäre nie etwas gewesen. Doch ab diesem Tag wurde alles etwas seltsam. Jeden Tag fragte mich mein Vater, ob ich mit ihm in den Zoo oder spazieren gehen will. Ich lehnte immer ab und dachte mir auch nichts dabei. Wenn man mitten in der Pubertät ist, mag man ja nicht in den Zoo gehen oder sowas ähnliches. Mein Vater verhielt sich immer merkwürdiger. Es war eine richtige Persönlichkeitsveränderung. Irgendwann sagte meine Mutter dann zu mir: " Ich glaube der Tumor ist größer geworden. " Es wurde ein MRT gemacht und tatsächlich, es war so wie meine Mutter befürchtet hatte. Das schlimmste war aber, dass der gutartige Tumor zu einem Glioblastom 4 wurde. Der Arzt sagte, dass so etwas richtig selten ist. Zuftp:// diesem Zeitpunkt wussten wir nicht was auf uns zukommt. Mein Vater bekam eine Chemo von der er inkontinent wurde und es nur noch schaffte ein paar Schritte zu gehen. Das Gute war aber, dass der Tumor nicht weiter wuchs. Es war so schrecklich, denn er hatte eine richtige 'nervige' Art bekommen. Provozieren wurde zu seinem Hobby. Ich wusste, dass es von dem Tumor kam und nahm es ihm nicht übel. Irgendwann schlug diese Chemo leider nicht mehr an und er bekam eine andere, die er dann aber gut vertragen hatte. Ihm ging es besser aber immer noch nicht gut. Wir hatten alle wirklich Angst vor dem nächsten MRT-Termien. Meine Mutter fuhr mit meinem Vater nach Bonn. Als sie zurück kamen, nahm mich meine Mama auf die Seite und sagte mit einer sehr leisen Stimme : Es tut mir leid, aber sie können dem Papa nicht mehr helfen. " Dann fing sie bitterlich an zu weinen. Ich wollte es nicht wahrhaben. Das schlimmste war aber: Sie erzählte mir, dass der Arzt zu ihm gesagt hat " Es tut mir Leid, aber wir können nichts mehr tun. Unternehmen sie schöne Sachen mit ihren Kindern, denn es wird nicht mehr lange dauern." Mein Vater sah den Arzt an und fragte "Wann kann ich denn wieder arbeiten?" Durch die Persönlichkeitsveränderung verstand er nicht mehr was man ihm sagte.
Wir machten alles für ihn und mit ihm. Eines Tages hatte ich mich mit meiner Schwester gestritten. Wir wurden etwas lauter. Zu diesem Zeitpunkt lag mein Vater mit meiner Mutter auf dem Sofa. Als ich zu ihnen ging und mich über meine Schwester aufregte, fing mein Papa an zu weinen. Ich schaute ihn an und konnte es nicht glauben. Mein Vater, der Mann, der so gut wie nie weinte, hatte Tränen in den Augen. Meine Mama erklärte mir, dass es wegen dem Tumor ist. Von da an ging es auch nur noch bergab. Er konnte nicht mehr laufen, weinte sehr oft...
Wir beantragten einen Rollstuhl. Dann wurden wir zu einer Kommunion eingeladen. Meine Mutter, mein Vater und ich gingen hin. Das war das erste Mal, das ich meinen eigenen Vater im Rollstuhl schob. Ich sagte meiner Mutter, dass sie mal kurz übernehmen soll, weil ich aufs Klo muss. Dort musste ich dann weinen, weil mein Vater immer mein Aufpasser war und es war ein seltsames Gefühl, dass ich jetzt seine Aufpasserin bin. Als sich sein Zustand immer mehr verschlechtere, rieten uns die Ärzte ihn in ein Hospitz zu überweisen. Uns blieb keine andere Wahl, da wir finanziell sehr schlecht dran waren und meine Mutter deswegen arbeiten gehen musste. Als er im Hospitz lag, sagte er zu meiner Mutter " Du hast mich in die Sterbehöhle gebracht " Sie hatte wahnsinnige Gewissensbisse, aber wusste, dass es nicht anders ging. Wir besuchten ihn jeden Tag, bis ich wegen meiner Leberentzündung ins Krankenhaus musste. In diesen 5 Tagen weinte mein Vater sehr oft. Zum Glück wurde ich am Vatertag entlassen. Meine Mutter holte mich ab und fuhr mich nach hause weil ich mich noch ausruhen sollte. Dann fuhr sie zu meinem Papa. Doch ich konnte mich nicht ausruhen ich hatte in immerhin 5 Tage nicht gesehen. Also backte ich ein paar Muffins und setzte mich in den Zug um zu ihm zu fahren. Als ich mit den Muffins angekommen war, freute er sich so sehr, dass er wieder weinen musste. Es war ein schönes Gefühl, weil ich wusste, dass er glücklich war. Leider wurde ich dann krank und konnte nicht zu ihm. Meine Mutter berichtete mir immer, wie es ihm geht. Als ich die Grippe auskuriert hatte, fuhren wir alle zu ihm. Wir sahen ihm im Bett liegen, schwer atmend, die Augen geschlossen. Man hatte uns nicht angerufen und gesagt, wie schlecht es ihm ging.
Ich wusste, dass ich an seinem Sterbebett saß. Es war ein schreckliches Gefühl. Um 15 Uhr kamen nach und nach viele Leute die ihn verabschieden wollten. Um 17 Uhr bat ich meine Familie mich kurz mit ihm allein zu lassen. Ich hielt seine Hand ganz fest. Er bekam oft epileptische Anfälle. Ich sagte ihm " Papa danke für die schöne Zeit. Du bist und bleibst für mich immer der Allerbeste. Es tut mir Leid, dass ich manchmal so böse mit dir war, aber ich liebe dich! " Er öffnete kurz seine Augen, sah mich an und versuchte zu lächeln. Um 19 Uhr konnte ich nicht mehr. Ich wollte meinen Vater nicht so in Erinnerung haben. Sein Hirnwasser ist in seinen Hals gelaufen. Er sah so schrecklich aus. Also entschloss ich mich nach hause zu fahren. Ich nahm nochmal seine Hand, sagte das ich ihn lieb hab und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Ich fing bitterlich an zu weinen und wollte sein Hand nicht mehr loslassen. Meine Mama sagte " Du weißt das du nicht gehen musste. " Ich musste aber, sonst würde ich mich die ganze Zeit an dieses Bild erinnern. Als ich zuhause war konnte ich das alles gar nicht glauben. Ein Freund kam vorbei, weil meine Schwester nicht wollte das ich allein war. Meine Mutter kam um 2 Uhr nachts kurz nach hause um nach mir zu gucken. Ich habe geweint, deswegen wollte sie kurz mit mir reden. Dann kam ein Anruf: "Kommen sie schnell, ihrer Tochter (meiner Schwester) geht es nicht gut. " Meine Mutter fuhr sofort ins Hospitz. Meine Schwester saß weinend mit ihrem Freund auf dem Boden.
Mein Vater war tot.
Sie erzählte meiner Mutter, dass sie bei ihm am Bett saß und den Kopf auf seine Brust gelegt hatte. Sie streichelte ihm über die Hände und Arme. Nach einigen Minuten machte mein Vater die Augen auf, sah sie an und hörte auf zu atmen. Meine Schwester rüttelte ihn und schrie " Papa nein. "
Er hatte bis zur letzten Sekunde gekämpft und doch verloren.

Die Zeit danach wurde sehr schwer. Doch wir wuchsen als Familie noch mehr zusammen und sind heute ein richtiges Team. Natürlich denken wir jeden Tag an ihm.

Für mich ist mein Papa immer noch der Beste und es ist schön zu wissen, was für ein toller Mensch er war

10.06.2011, wir werden dich nie vergessen!

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« Letzte Änderung: 22. September 2012, 19:41:23 von fips2 »

 



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