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Autor Thema: Vorstellung Sylvie, die Geschichte meiner Mutter  (Gelesen 7335 mal)

Offline Sylvia

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Vorstellung Sylvie, die Geschichte meiner Mutter
« am: 31. Mai 2012, 14:00:12 »
Auszüge aus einem anderen Forum mit meinen Erfahrungen:

04.Januar 2012:

Hallo zusammen,

ich bin  neu hier und wollte mal die Geschichte meiner Mutter niederschreiben, Vorsicht es wird lang...
Letztes Jahr am 30. Oktober kam meine Mutter ins Krankenhaus, am Tag der Taufe meiner Tochter. Sie sollte eigentlich mitkommen, aber als ich sie anrief, ging sie erst sehr spät ans Telefon, und dann war sie, wie mir erst später auffiel, sehr komisch am Telefon. Als ich abends nach der Taufe nach hause kam, rief mich ihre beste Freundin an, sie läge in Bochum im Krankenhaus, Neurochirurgie... Ich solle bitte am besten selber am nächsten Tag anrufen, aber es sähe nicht gut aus. Als ich dann nachmittags am 31. Oktober anrief, bekam ich die Auskunft, dass es ein Hirntumor sei, wie schlimm, wusste ich aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht, das erfuhr ich erst am dann folgenden Mittwoch, ein bösartiger Hirntumor. Sie hatte zwischendurch im Krankenhaus auch Aussetzer, war teilweise neben sich, reagierte nur sehr verzögert. Sie bekam Medikamente, Cortison, um den Druck vom Hirn zu nehmen, um sie später operieren zu können. Die OP war dann am 09. November, der bisher schlimmste Tag für mich, weil, obwohl ihr Freundin sagte, das könne dauern, bin ich ab halb zehn Uhr morgens im KH gewesen und habe dort gewartet. Erst hieß es 11 Uhr, dann 12 Uhr, die Angst wuchs immer mehr, dann um 14 Uhr konnte ich endlich zu ihr, die OP hatte sie gut überstanden. Ich durfte entgegen der Regel kurz in den Aufwachraum, wo sie noch immer in Narkose lag. Das sah so grausam aus mit den ganzen Schläuchen und Apparaten, aber ich hatte ihr zuvor versprochen, ich bin da, wenn sie aufwacht. Mir wurde dann versichert, es geht ihr gut, sie würde dann später auf die operative Intensivstation gebracht, dem war auch so. Denn dort sollte sie dann aus der Narkose geholt werden, das war gegen 15 Uhr ca. Ich weiß nicht, wieviel Angst ich an diesem Tag ausgestanden habe, aber als ihre Geräte dann abgestellt wurden zum Aufwachen, ging es mehr als schnell, hätte nicht gedacht, dass Narkosemittel so schnell den Körper verlässt. Sie kämpfte sofort gegen den Beatmungsschlauch an, und der Blutdruck stieg. Man sagte mir, das wäre normal nach einer Gehirn-OP, weil der Körper dann sehr unter Stress steht. Sie hatte auf einmal einen Blutdruck von über 160 steigend, wo dann der Arzt mich dann aber freundlich und bestimmt gebeten hat zu gehen. Aber sie hatte die Augen kurz offen und ich hatte das Gefühl, sie hat mich erkannt, und sie wusste, dass ich da war als sie aufwachte... Die nächsten 2 Wochen waren dann nicht so schön, sie kam zwar schnell von der operativen Intensivstation runter, aber die Übelkeit und die Kopfschmerzen durch das fehlende Hirnwasser waren Qualen für sie, wo sie auch sich gehen ließ und teilweise aufgab, hatte ich so im Gefühl. Sie brauchte selbst Wasserzufuhr durch den Tropf, weil sie nicht mehr getrunken hat, aber ich war da konsequent und hatte sie immer wieder aufgefordert ihr Wasser zu trinken, was dann auch irgendwann fruchtete. Vor der OP war es auch, dass ihre linke Seite sehr eingeschränkt war, sprich das linke Bein und der linke Arm waren fast gelähmt. Aber die Physiotherapie in Bochum war klasse, auch ich habe immer mit ihr geübt und ihr sogar Knete mit ins Krankenhaus gebracht für die Hand. In der Zeit danach habe ich dann erst erfahren, was meiner Mutter wirklich fehlt. Die Ärztin sagte mir, es ist nach der OP noch ein Teil drin geblieben, der am Nervensystem wohl mithängt. Sie hat einen Glyoblastom Grad 4 hieß es, Lebenserwartung maximal 1 Jahr... Das Ding, was ihr raus operiert worden ist, war 4,4 cm groß, ich habe Aufnahmen vor der OP gesehen, Wahnsinn...
Als es ihr dann endlich besser ging und auch sie darüber informiert wurde, was sie letztenendes hat, das haben die Neuroonkologen übernommen, wurde sie nach Gelsenkirchen-Horst ins St. Josef-Hospital überwiesen, auf die Pränatale Station... Nach weiteren MRT und CT wurde dann darüber diskutiert, wie es weiter gehen sollte auf Grund der doch negativen Diagnose... Sie hatte 2 Möglichkeiten, entweder nur Strahlentherapie und danach noch etwas vom Leben, oder aber Strahlentherapie und Chemotherapie mit doch nicht gerade geringen Nebenwirkungen.... Sie hat sich für die erste Variante entschieden, und wenn ich daran denke, war es die absolut richtige Entscheidung... Von Ende November dann bis zum 22. Dezember 2011 bekam sie dann die Strahlentherapie. Die Ärzte waren sich davor aber sicher, sie könne diese von zuhause aus machen, wovon wir erstmal nicht so überzeugt waren. Nichts destotrotz ist sie am 13. Dezember dann entlassen worden und ich bin dann weiterhin täglich mit ihr zur Strahlentherapie gefahren. Da sie Verbot hatte alleine rauszugehen, habe ich das Wäsche waschen und einkaufen auch direkt mit übernommen. Also absolut eingespannt bei meiner Mutter, nebenbei ich habe auch noch eigene Familie, 4 Kinder und einen Mann, wobei meine drei eigenen Kinder nicht bei mir leben...
Weihnachten ist meine Mutter dann erst bei Freunden gewesen und am 2. Weihnachttag war sie bei mir mit meinen Kindern zusammen. Wir haben zusammen Kuchen gegessen, Bescherung gemacht, ich habe noch Fotos gemacht, abends Rotkohl mit Rollbraten und Klößen gegessen und hinterher noch Schokopudding. Sie haben sich sehr gefreut, meine Mutter hat sogar abends noch einen Glühwein mit meinem Mann getrunken, aber nachdem ich dann meine Mutter nach hause gebracht habe, brauchte ich erstmal eine Runde um den Block, es war wohl das letzte Weihnachten mit ihr... Am 28. Dezember ist dann ihre Cousine aus Hamburg für eine Woche bei ihr gewesen, so dass ich auch mal etwas Luft holen konnte, ich habe mir die Betreuung mit der besten Freundin meiner Mutter geteilt.. Aber sie sagte mir, meine Mutter baut jetzt kräftig ab... Sie vergisst sich hinzusetzen beim essen, sie hat absolut kein Zahlengedächnis mehr, sie spielt nur noch mit ihrem Essen rum, sie ist manchmal ganz neben sich, so dass sie sagte, meine Mutter kann nicht mehr alleine in ihrer Wohnung bleiben... Dass sie jetzt so schnell abbauen würde, hätte ich nie gedacht, und es machte mir wahnsinnige Angst vor den nächsten Wochen.... Auch nässte sie sich jetzt durchgehend nachts ein, ich wurde eines morgens noch zu ihr gerufen, das komplette Bett eben zu waschen, Marianne, ihre Cousine, hatte schon alles vorbereitet. Jetzt war es wohl so, dass sie so schnell wie möglich in ein Pflegeheim muss, weil die Gefahr, dass ihr etwas passieren könnte, ist jetzt zu groß.
Vor ihrer Zeit im Krankenhaus hatte ich ein sehr angespanntes Verhältnis zu ihr, aber ich bin jetzt für sie da, täglich. Ich hatte die ganze Zeit vor zu einem Psychotherapeuten zu gehen, um mit der Situation klarzukommen, die nun folgt, aber ich habe es immer wieder aufgeschoben...
Bloss jetzt wo es wohl zu ende geht, musste ich mir mal alles von der Seele zumindest schreiben. Ich hätte eigentlich noch viel mehr zu schreiben, aber das würde das Forum sprengen.
Ich habe jetzt einfach so langsam Angst vor dem was jetzt kommt, weil meine Mutter so langsam vergisst...

Liebe Grüße

Sylvie


10. Januar 2012
   
Gestern haben wir meine Mutter ins Krankenhaus gebracht, die Inkontinenz nimmt zu ebenso die Verwirrtheit... Sie kam mir immer öfters im Nachthemd entgegen, wollte sich nicht anziehen lassen vom Pflegedienst, hat morgens vergessen ihre Tabletten zu nehmen und zu Frühstücken. Sie vergaß sogar sich beim Essen hinzusetzen und aß im stehen entweder in der Küche an der Anrichte oder im Esszimmer über den Stuhl gebeugt... Manchmal hielt sie mitten in ihrem Handeln inne und machte gar nichts mehr... starrte dann einfach aus dem Fenster... Sie haben ihr gestern Blut abgenommen, um ihre Werte zu überprüfen und haben heute ihrer Freundin das Ergebnis mitgeteilt... Zuvor hatte man Betty (die Freundin meiner Mutter) beim Hausarzt noch gesagt, dass, weil meine Mutter soviel Wasser überall hat trotz Wassertabletten, sie wohl nochmal sowas ähnliches wie eine Lumbalpunktion bekommt, um den Druck vom Gehirn zu nehmen in Verbindung mit der nun doppelten Dosis Cortison, die sie nun bekommt. Heute war alles anders... Die Blutwerte haben sich innerhalb von 4 Wochen zusehends verschlechtert.... Es ging abwärts ungefähr eine Woche nach Ende der Strahlentherapie... Sie wird keine Lumbalpunktion mehr bekommen, und nie wieder nach hause kommen... Betty sucht nun einen guten Platz in einem Hospiz für sie. Die Ärzte sagen, sie können nichts mehr für meine Mutter tun... Morgen hat sie ein Gespräch mit einem neuroonkologischen Psychologen und am Donnerstag wird ihr mit Betty zusammen gesagt, dass sie nie wieder nach hause kommt und in ein Hospiz kommt... Meine Mutter hatte sich so auf die Reha gefreut, wollte endlich wieder Sport machen, wieder fit werden... Das wird ihr nun genommen. Als ich vorhin angerufen wurde und mir man das erzählt hat, prallte es erstmal an mir ab, aber als ich dann auflegte und dem Vater meiner Tochter Bescheid gab, wurde es so langsam bewusst wie schnell sich der Zustand meiner Mutter verschlechtert hat. Und als ich dann nachdachte, dass mit meiner Mutter die letzte meiner Familie sterben wird, wars erstmal vorbei, vor allem als mein Lebensgefährte dann nach hause kam
Ich war so wütend, hätte schreien können beim Weinen, so verzweifelt und hilflos... Aber ich habe mir eins geschworen... Die Kinder muss ich nach und nach aus der Situation rausziehen, ABER ich werde den Weg mit ihr gehen bis zum Ende, werde sie mit begleiten, jeden Tag bei ihr sein und wenn es nur ein paar Stunden sind. So lange sie noch im Krankenhaus ist, frühstücke ich jeden Tag mit ihr, und wenn sie dann im Hospiz ist, werde ich auch da täglich Zeit verbringen. Ob ich Angst habe meine Mutter loszulassen??? JA definitiv, und so lange es geht werde ich bei ihr sein. Man ist so hilflos... und jetzt werde ich verdammt viel Kraft brauchen...



05.April 2012

Es ist längere Zeit ins Land gestrichen und NOCH lebt meine Mutter, mehr oder weniger... Aber von Anfang. Seit dem Krankenhaus ist wieder viel passiert... Am 23. Januar kam meine Mutter ins Hospiz, nach Herne, ein SEHR schönes Haus, aber dafür hatte ich an dem Tag eh wenig Augen...Ich bin mit meiner Mutter mitgefahren mit dem Krankentransport. Am Morgen war sie sehr durch den Wind, wollte sich nicht fertig machen lassen von den Schwestern im Krankenhaus, das komplette Bett war nass wegen ihrer Inkontinenz trotz dicker Vorlage... All das habe ich dann übernommen, und um halb elf sollte dann der Transport kommen, war aber schon um viertel nach 10 da. Und was sie alles auf einmal für Sachen angesammelt hatte... Wahnsinn, Taschen weise hatte die Freundin meiner Mutter zuvor schon in ihr Auto geladen, ich hatte ja noch keinen Führerschein und konnte dementsprechend auch nichts einladen. Die Fahrt über war komisch für mich, meine Mutter aber relativ entspannt, sie freute sich nahezu ins Hospiz zu kommen, was man ihr auch erst ein paar Tage vor Antritt gesagt hatte, um sie nicht noch mehr durcheinander zu bringen. Die hatten im Transporter einen Navi mit einem Slang sprecher, wir haben herzlich darüber gelacht. Dann kamen wir im Hospiz an, und ihre Freundin und der Fahrer haben meine Mutter ins Zimmer gebracht. Das war zuviel für mich, ich bin erstmal zusammen gebrochen, es waren SOFORT Leute da, die mich einfach nur in den Arm genommen haben und ich mich ausweinen durfte. Die Freundin meiner Mutter aber hatte mich erstmal zusammen geschissen, dass ich mich doch gefälligst zusammen reißen solle für meine Mutter... Es war verdammt schwer... Aber es ging dann irgendwie meine Gefühle zu unterdrücken.... Die Tage im Hospiz zogen dann soweit ins Land, ich habe jeden Samstag mit meiner Mutter gekocht, meine früheren Laibspeisen und meine Mutter hat es genossen, was mit mir zu machen.... Vor allem da ich im Krankenhaus zuvor erst den WAHREN Grund für den Tod meines Bruders erfahren hatte, wohlgemerkt nach 18 Jahren... Man hatte mir immer erzählt, dass er einfach so gestorben wäre, so wie ein Kindstod, dem war aber nicht so... Es war eine Überdosis... Das hat mir meine Mutter im Beisein einer Psychotherapeutin erzählt, das war zuviel für mich, in dem Moment wurde mir der Boden unter den Füssen weggezogen, und an dem Tag war ich erstmal sauer auf meine Mutter, wieso sie so lange Jahre darüber geschwiegen hat, aber ich hab es nicht gesagt... und am nächsten Tag war die Wut verflogen, weil ich so endlich so einige Reaktionen verstand all die Jahre... aber egal, auf jeden Fall war dann auch eine Zeit im Hospiz, wo meine kleine 6jährige Tocher mit dabei war, meine anderen Söhne wollten nicht, nachdem sie erfahren haben, was ein Hospiz ist. Ich wollte sie auch zu nichts zwingen. Aber meine Mutter lebte auf im Hospiz im Beisein meiner Tochter, sie wurde wieder fitter, war mit ihrer Freundin sogar einen Tag im Museum, irgendeine Jugendstilausstellung und danach Waffeln mit Kirschen essen. Wir sind auch in der Zeit viel spazieren gegangen, und meine Mutter hatte einen sehr flotten Schritt drauf, muss ich ehrlich sagen, und wir haben uns viel unterhalten, soweit es ging... Das war alles in der letzten Woche im Hospiz, es ging ihr blendend, meine Tochter war zuvor 2 Wochen jeden 2ten Tag mit bei ihrer Omi... Das ging alles so gut, dass die im Hospiz gesagt haben, es geht ihr so gut, dass sie erstmal in die Kurzzeitpflege kommen kann, so geschehen am 20. Februar dann. Ich freute mich mit ihr, wir haben vor Freude beide geweint, es ging ihr den Umständen entsprechend super. Am Tag des Umzuges dann war sie sehr durch den Wind, aber sie war wieder in ihrer Heimatstadt und somit näher an mir dran, ich konnte und kann jederzeit zu ihr hin... Nach ein paar Tagen hatte sie sich eingelebt und es wurden so langsam die Vorbereitungen zur Langzeitpflege besprochen. Was sie alles aber nicht mehr mitbekommen hat, waren die Schwierigkeiten um den Verkauf ihrer Wohnung, damit sie wieder Geld hatte, und das war auch gut so, weil meine Mutter hatte Schulden, auch dank diesem Tumors, der sie dazu verleitete, bei QVC alles zu kaufen, was nicht niet und nagelfest war, Küchengeräte, und Cremes soweit das Auge reicht... Sie wohnt in der Nähe unseres Stadtwaldes, wo wir des öfteren mit ihr spazieren gegangen sind, zum Schloss einen Kaffee trinken, und wieder zurück. Am liebsten ist mir der Tag, wo wir alle zusammen im Wald waren und dort dann zum Spielplatz gegangen sind... Mein Mann und sein Sohn, meine Tochter und mein Sohn waren mit, der Mittlere zumindest, der Große hatte sie seit dem Krankenhaus im November nicht mehr gesehen, aber meine Mutter hat mit meiner Hilfe am 14. Februar zu seinem Geburtstag da angerufen. Es war ein verkrampftes Gespräch, ich musste teilweise Sachen vorsagen... Aber ich komme vom Thema ab. Wir sind dann an einem Samstag schön spazieren gegangen, alle zusammen, haben viel gelacht mit den Kindern, und auch beim Spielplatz, auch wenn meine Mutter zufuß nicht mehr ganz so gut zurecht war, lief sie gut mit, langsam aber es klappte. Auf dem Spielplatz war es an dem Tag leider sehr frisch, sodass ich mit meiner Mutter dann mal eine Runde Kaffee trinken war in unserem Kaffee im Schloss. Als wir wiederkamen, waren mein Mann und die Kinder immer noch beschäftigt, aber wir wollten dann so langsam zurück gehen.. Am Ende des Spielplatzes war eine Fußwippe, wo man sich draufstellt und seitlich wippen kann, mit einer Möglichkeit, sich festzuhalten wohlgemerkt. Auf einmal sagte meine Mutter, da will ich auch mal drauf. ich war baff. Sie stellte sich drauf und schaukelte rechts und links und lachte, es war herrlich ihr zuzuschauen, wir haben Tränen gelacht. Das war der schönste Tag bisher in der Kurzzeitpflege und sollte wohl leider auch der letzte gewesen sein... Ich habe mittlerweile meinen Führerschein bestanden und ihr das auch immer stolz erzählt, wenn ich bei ihr war, habe ein Praktikum als Altenpflegehelferin erstmal für 4 Wochen absolviert und auch von dort konnte ich ihr immer berichten, ich bin nach wie vor, jeden 2-3 Tag bei ihr. Jetzt ist auch die Wohnung endlich verkauft, aber jetzt ist es an mir leider eine 109qm große Wohnung auf den Kopf zu stellen, die Sachen, die ja eigentlich meiner Mutter gehören zu durchstöbern, was man behält, und was man leider wegschmeißen MUSS. Sie hat von meinem Bruder alles aufbewahrt.. Es ist verdammt schwer. Und jetzt geht es leider auch so langsam mit meiner Mutter zu ende. So auf die Art, meine Tochter hat ihr Leben im Griff, hat ihren Führerschein, meine Wohnung ist in guten Händen, jetzt kann ich gehen... Sie hatte am 30. März nochmal ein MRT, davor ein paar Tage ging es leider schon abwärts, desorientiert, kann teilweise kaum laufen, rührt stundenlang in ihrem Kaffee... Wir wollten einfach nur wissen, wie es in ihrem Kopf aussieht... Faustgroß beidseitig mit linksseitiger Belastung... Dieser scheiß Tumor, verzeiht den Ausdruck, ist so schnell gewachsen... Er hatte leider Platz.. Einen Tag vor dem MRT hatte meine Mutter nicht nur Inkontinenz Probleme, sondern auch der Stuhlgang ging vorher nicht, man hatte ihr 4(!!!) mal täglich Laxo(sowieso) , also ein Abführmittel verschrieben. Das ist auch für einen normalgesunden Mensch definitiv zuviel, es wurde an dem Abend dann auch direkt abgesetzt. Es lief wie Suppe, aber dank des Praktikums und weil die Pflegerin so lange auf das Klingeln nicht reagierte, habe ich das erste Mal sie dann gesäubert, was aber leider nicht viel brachte... Die Pflegerin musste sie danach nochmal säubern... Und ich weiß nicht, ob es an dem Abführmittel lag oder an der Aufregung, weil sie zum MRT fuhr, hat sie an diesem Tag auch noch erbrochen... Aber danach war alles zum Glück einigermaßen ok wieder... So geht es aber meine Mutter heute: Sie kann kaum mehr laufen, sitzt meist nur noch im Rollstuhl, wenn sie mal etwas rauskommt, das Essen muss angereicht werden, Gespräche sind größtenteils Monologe, wo meine Mutter höchstens noch mit ja oder nein antwortet, wenn sie sich nicht sogar nur auf nicken und kopfschütteln beschränkt... es ist nicht mehr meine Mutter in dem Sinne, sie reagiert kaum mehr, wie mir heute die Freundin, mit der ich mich täglich abwechsle, berichtete, es brauchte eine halbe Stunde, bis sie überhaupt bemerkt wurde... Und es geht jetzt so verdammt schnell... Ich habe verdammte Angst vor dem Tag X, der nicht mehr weit entfernt scheint, weil an ein nochmaliges Aufbäumen gesundheitlich ihrerseits glaube ich nicht mehr... Es ist so unfair, jetzt haben meine Mutter und ich uns noch aussprechen können, haben noch alles klären können, haben noch Zeit miteinander verbringen können, und das soll es jetzt gewesen sein... sie ist doch erst 65...
Entschuldigt meine Gedankensprünge zwischendurch, aber das musste einfach mal geschrieben werden, es geht zwar nicht unbedingt besser, aber so habe ich alles zusammen, was mich zur zeit belastet und beschäftigt..

Liebe Grüße

Sylvie



6. April 2012

Kraft werde ich brauchen, vor allem, weil ich beim Durchsehen der Sachen bei meiner Mutter auch die Vergangenheit bewältigen muss, den Tod meines Bruders nochmal, die Umstände, die dazu führten, meine Oma, die direkt an meinem Geburtstag gestorben ist und die ich Jahre vor ihrem Tod das letzte Mal gesehen hatte... Heute war ich wieder bei meiner Mutter, da war sie den Umständen entsprechend gut drauf, sie konnte auf der Bettkante sitzen und essen und Trinken ohne Anreichen. Man musste zwar immer wieder sie darauf hinweisen, was sie zu tun hatte, aber das klappte ganz prima. Und nach dem Kaffee trinken habe ich sie dann angezogen und in einen Rollstuhl gesetzt und bin mit ihr rausgegangen zum spazieren gehen, mit einer schön warmen Decke über den Beinen. Wenn es auch nicht lange war, weil es doch relativ kalt heute war, hauptsache frische Luft und ein wenig raus. Aber was ich ganz toll finde ist, dass ich auf jedes "hab dich lieb" immer eine Antwort bekomme mit "ich dich auch" das ist sehr wichtig für mich geworden... Auch wenn man sie wichtige Dinge fragt, gibt sie noch relativ klare JA und NEIN Antworten, also sie ist klarer, als ich manchmal dachte, sie kann bloß nicht mehr so antworten wie sie will. Ich werde wohl jetzt öfters schreiben, wo es jetzt immer schwieriger wird mit meiner Mutter...

Bis dahin, und für Euch wenigstens geruhsame Feiertage

Sylvie


26. April 2012
Der Ednspurt steht an, und es tut so weh... Seit letzte Woche Montag isst und trinkt meine Mutter nicht mehr, schläft nur noch. Nur manchmal hat sie die Augen geöffnet gehabt und mich angeschaut und meine Hand gedrückt, aber das ist nun auch vorbei. Sie hatte Krämpfe gehabt, bekam dann über mehrere Tage Diazepam. Wurde danach wieder abgesetzt und dann machte sie auch die Augen teilweise wieder auf... Gestern war es ganz schlimm, das war der Tag wo ich sie nun habe ziehen lassen, losgelassen habe, was tierisch weh tut. Sie machte nach der Pflege die Augen auf, sperrangelweit und schaute ins Leere... Reagierte auf nichts, das war so grausam... Dazu war dann auch noch der Mund verzogen... Dann wanderte ihr Blick zur Seite, wo die eine Pflegekraft stand. Ich hab mich dann dahin gestellt, und sie schaute mich an... atmete ganz flach und der Mund war dazu verzogen, das hat mir fast das Herz herausgerissen.... Ich sagte ihr dann sie kann loslassen, und zu meinem Bruder und meiner Oma gehen, die warten schon, ich lasse sie ziehen, aber ich habe dabei bitterlichst geweint. So Schmerzen habe ich zuvor noch nicht erlebt... Ich habe dann wieder sie im Gesicht gestreichelt und gewartet, bis sich ihre Augen geschlossen haben. Habe ihr, wie jeden Tag mit einem kalten Waschlappen das Gesicht abgewischt, dann mit einem Wattestäbchen den Mund etwas feucht gemacht und die Augen gesäubert, damit sie die Augen nicht verklebt hat. Jetzt hat sie ein Pflaster mittlerweile mit Morphin 50... Nachdem ich ihr noch die Kerzen (elektrische) angemacht habe und eine CD mit Musik, bin ich fast fluchtartig aus dem Raum, und saß erstmal im Auto... Man ist so hilflos, mitanzusehen, wie sie dahin vegetiert... Mittlerweile ist ihre Wohnung komplett leer geräumt, heute haben wir Unmengen von Büchern noch entsorgt, einfach ein Leben weggeschmissen... Einige Möbel stehen jetzt bei mir, auch habe ich bei den Anziehsachen vorher noch welche zu mir rüber geholt... Und natürlich die ganzen persönlichen Sachen, angefangen bei Fotos, Zeichnungen, Dinge aus meinem Kinderleben etc... Der Trauerprozeß ist so grausam, ich habe Angst, ich schaffe das nicht...

Sylvie..
29. April 2012 03:43 Uhr

Sie ist aschfahl im Gesicht, grau... Das Gesicht mittlerweile eingefallen, da sie 2 Wochen nichts mehr gegessen hat und getrunken..., So dünn im Gesicht... Die Mundwinkel nach unten gezogen... Die Augenhöhlen nach hinten versetzt. Zum Glück blieben die Augen heute zu... Die Atmung wird nun sehr schwer... Gestern morgen hat sie schon braune Brocken gehabt... Wohl vom Magen, hab es zum Glück nicht gesehen... Ich habe mein Ritual vollzogen, wie jeden Tag... Mit einem kalten Waschlappen durchs Gesicht wischen, die Augen befreien, damit es nicht zu anstrengend ist, falls sie sie nochmal öffnen sollte... Den Mund mit einem Stäbchen befeuchtet, aber seit gestern will sie das nicht mehr, kneift die Lippen zusammen, und atmet so schwer... Und ihr durchs Gesicht streicheln, und ihr sagen, sie kann gehen, sie kann loslassen in ein besseres Leben... Ich halte ihre Hand und erzähle etwas von meinem Tag... Keine Reaktion außer Stöhnen heute... Laut der Pflegerin hat sich der Zustand von Morgens zu Mittag verschlechtert... Es ist so grausam... Ich hoffe, sie schließt nun bald die Augen für immer, so weh das auch tut, aber DAS Leben wünsche ich keinem Menschen... Geh zu Deiner Mutter und Deinem Sohn, sie erwarten Dich... Dann musst Du nicht mehr leiden, und dahin vegetieren...


29: April 2012 13:17

Heute morgen um 10:18 tat sie ihre letzten Atemzüge in meinem Beisein, sie hat dafür extra noch auf mich gewartet. Sie ist erlöst und hat keine Qualen mehr. RUHE IN FRIEDEN....


Dienstag der 08.05.2012... Der Tag der Beerdigung... Ich habe tierische Angst davor...
Lebe Dein Leben, Du hast nur eins

Offline Sylvia

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Re:Vorstellung Sylvie, die Geschichte meiner Mutter
« Antwort #1 am: 31. Mai 2012, 14:01:35 »
Das alles nochmal durchzulesen war mehr als schwer für mich, aber wenn ich schon bei Euch im Forum bin, wollte ich wenigstens meine Geschichte Euch mitteilen...

LG Sylvie
Lebe Dein Leben, Du hast nur eins

Offline leonidas

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Re:Vorstellung Sylvie, die Geschichte meiner Mutter
« Antwort #2 am: 31. Mai 2012, 16:22:48 »
Mein herzliches Beileid Sylvie,
ich schicke dir ein großes Kraftpaket.
Hoffentlich scheint für Dich auch wieder die Sonne.
Du bist so stark, kämpfe weiter.

LG
Leonidas

Offline Sylvia

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Re:Vorstellung Sylvie, die Geschichte meiner Mutter
« Antwort #3 am: 31. Mai 2012, 19:49:58 »
Danke Dir Leonidas, aber ich bin nicht stark...
Ich kann den Tod meiner Mutter nicht akzeptieren... Das erste Mal, dass ich soviel organisieren musste, mit Beerdigung etc. Das war natürlich neu für mich, aber zum Glück habe ich einen sehr netten Bestatter, der sehr viel mir abgenommen hat... Auch hat meine Mutter eine Testamentsvollstreckerin eingesetzt, die eine gute Freundin meiner Mutter ist. Auch sie nimmt mir viel ab. Es war jetzt eine Woche, wo ich mal keine Briefe bekam, wo drinstand "herzliches Beileid, anbei unsere Anteilnahme, usw." Da kam es mir die ganze Zeit so vor, als wenn meine Mutter nur in einem ihrer vielen Urlaube war, aber jetzt wo die Briefe wieder flattern, ist es wieder verdammt schwer für mich. Sie kann doch nicht einfach gehen, und mich alleine lassen... Sie hatte noch soviel vor und auch ich wollte nun sehr viel noch machen, vielleicht auch mal in den Urlaub mit ihr fahren... Aber das geht nie wieder... Sie ist einfach weg...
Lebe Dein Leben, Du hast nur eins

 



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