HirnTumor-Forum

Autor Thema: Nun müssen wir uns verabschieden.  (Gelesen 12303 mal)

Liara

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Nun müssen wir uns verabschieden.
« am: 09. Februar 2012, 21:18:42 »
Hallo,

ich möchte die Gelegenheit nutzen um hier nochmal die Krankengeschichte meines Vaters nieder zu schreiben und die letzte Zeit fest zu halten.

Im September 2009 wurde bei meinem Vater ein Glioblastom Grad IV festgestellt. Im Oktober folgte die Op und danach begannen Bestrahlung und Chemo mit Temodal. Der Tumor sitzt in der rechten Gehirnhälfte und mein Vater hatte anfangs starke Problem mit dem Sprechen.

Im Januar 2010 wurde die Chemo aufgrund schlechter Blutwerte abgesetzt und man stieg kurz darauf um auf Avastin. Avastin vertrug er lange sehr gut und es wirkte. Der Tumor wuchs nicht weiter.

Im Januar 2011 stellte man beim MRT leider fest, dass der Tumor wieder wuchs. Es folgte eine zweite Bestrahlung. Diese schlug super an. Der Tumor verkleinerte sich und man beschloss drei Monate auszusetzen. Leider wuchs der Tumor wieder und man begann mit einer anderen Chemo im August 2011. Ich kann leider nicht sagen, welche das war. Es sei eine stärkere als Temodal.

Im Oktober zeigte das MRT trotz Chemo weiterhin Wachstum. Also wurde umgestellt auf Temodal. Die letzte Hoffnung.

Am 30. Januar 2012 ging ich gemeinsam mit meinen Eltern zum MRT. Ich hatte die Chance, alleine mit dem Arzt zu reden. Wir wussten schon vom letzten Mal, dass es, falls die Chemo nicht anschlägt, keine weitere Behandlung mehr gibt. Und nun sitzt man da, hört es und es ist auf einmal so real. Wir müssen uns nun endgültig verabschieden.

Der Tumor hat eine Länge von 6cm, ca. 2-3cm breit und die Höhe weiß ich nicht.

Ich bin unheimlich dankbar für die Lange Zeit, die wir noch gemeinsam mit meinem Vater erleben durften. Und ich bin dankbar, dass es ihm all die Zeit noch so gut ging und er keine Schmerzen hatte.

Nun weiß ich nicht, was auf uns zukommen wird. Alle paar Tage kommen neue Dinge. Probleme mit einem Auge, er spricht immer schlechter, vergisst vieles, bekommt Probleme mit Besteck umzugehen, hat einen Rechtsdrall beim laufen...

Ich weiß nicht was noch auf uns zukommt, aber wir sind stark genug, dass durch zu stehen. Wir haben noch alles gemacht, was wir machen wollten und nun ist es Zeit ihn gehen zu lassen.

Vielleicht gibt es den ein oder anderen hier, der mir sagen kann, was nun auf uns zukommt.

Viele Grüße
Tini

Offline Eva

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Re:Nun müssen wir uns verabschieden.
« Antwort #1 am: 09. Februar 2012, 23:14:58 »
Hallo Tini,

es ist bewundernswert, dass Du in dieser schweren Zeit an das Forum denkst und uns über den Verlauf informierst. Danke dafür.

Zu Deiner Frage kann ich Dir leider nichts sagen. Ich glaube aber, dass es ganz wichtig ist, sich nicht an den Betroffenen zu klammern und ihm zu sagen, dass er in Ruhe gehen kann und seine Leidenszeit nicht unnötig verlängert wird. Ich wünsche Dir und Deiner Familie viel Kraft für den schweren Weg.

LG Eva
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Liara

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Re:Nun müssen wir uns verabschieden.
« Antwort #2 am: 10. Februar 2012, 12:47:43 »
Danke eva.

Auch wenn ich darüber sehr traurig bin, dass mein Vater bald nicht mehr bei uns sein wird, möchte ich hier für andere als Beispiel stehen. Meine Familie und ich haben gelernt mit der Krankheit umzugehen, sie anzunehmen und trotzdem dankbar zu sein für die positive Zeit, die wir noch hatten. Man wächst einfach intensiver zusammen und erlebt die Zeit ganz anders.

Ich bin nicht nur traurig. Ich kann auch zurückblicken und mich freuen. Mein Vater konnte noch mehr miterleben, als wir am Anfang immer gedacht haben. Nun steht uns die schwerste Zeit bevor, aber auch die werden wir meistern.

Für uns Menschen ist es leider so selbstverständlich geworden, dass es uns gut geht. Dabei gehören Krankheit und Leiden ebenfalls zu unserem Leben dazu. Wir müssen annehmen was kommt, egal wie schwer es manchmal ist.

Ein Spruch, der mir zur Zeit viel bedeutet:

Vielleicht bedeutet Liebe auch zu lernen,
jemanden gehen zu lassen,
wissen, wann es Abschied nehmen heisst,
nicht zulassen, dass unsere Gefühle dem im Wege stehen,
was am Ende wahrscheinlich besser ist für die,
die wir lieben.

Offline krimi

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Re:Nun müssen wir uns verabschieden.
« Antwort #3 am: 10. Februar 2012, 16:14:25 »
Liebe Liara,

das hast du sehr liebevoll geschrieben. Die Gefühle und die Sichtweise auf die positiven Momente seit Diagnosestellung gelenkt.

Diese schönen Momente werden leider unter dem Schmerz, Druck und Unausweichlichem verschüttet.
Wer so wie du es bescheibst fühlen kann, der kann einem geliebten Menschen den letzten Weg erleichtern.
Ich weiß es. Mein Vater starb vor einigen Jahren an Lungenkrebs und es war sehr schwer die letzten Wochen so hilflos mitansehen zu müssen.

Du bist stark und wirst diese Stärke gut gebrauchen können.

LG krimi
Wer einen Platz im Herzen eines Menschen hat, ist nie allein.
______________

http://www.hirntumor.de/forum/index.php/topic,6956.msg50233.html#msg50233

Liara

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Re:Nun müssen wir uns verabschieden.
« Antwort #4 am: 25. Februar 2012, 22:54:58 »
Danke krimi.


Es geht weiter bergab. Seit einigen Tagen lähmt seine rechte Seite. Von Tag zu Tag wird es schlimmer. Er kippt um und hat Probleme beim Laufen. Ausserdem vergisst er jetzt immer mehr; weiss nicht mehr, wo er seine Sachen hinlegt.

Nun steht die Überlegung im Raum, ob das Wohnzimmer zum Krankenzimmer umfunktioniert werden soll. Das Schlafzimmer meiner Eltern ist im 1. Stock und mein Vater wird irgendwann da nicht mehr hochkommen.

Ich fühle mich stark genug das durchzustehen. Trotzdem habe ich immer wieder Momente, wo ich das Gefühl habe, ich packe das nicht. Es tut verdammt weh.

Liara

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Re:Nun müssen wir uns verabschieden.
« Antwort #5 am: 09. April 2012, 20:55:14 »
Neuer Stand

In den letzten Wochen ging es schleppend bergab mit meinem Vater.

An dem Geburtstag meines kleinen Sohnes war er das letzte Mal bei uns zu Hause. Deutliche Verschlechterung konnte man an der Motorik erkennen. Vorallem das rechte Bein begann taub zu werden und oft musste er beim Laufen schon gestützt werden oder fiel einfach hin, weil er sein Bein nicht mehr spürte.

Die Demenz schreitet auch voran. Am Geburtstag wusch er sich mit der Hand hinten ab und wusch sich so eine Weile. Ich musste das Gästebad grundreinigen. Es war echt hart und ist vorallem für meine Mutter eine große Zumutung.

Nach dem Geburtstag sah ich ihn nicht mehr. Bis vorgestern. Zwischenzeitlich war er zweimal im Krankenhaus. Einmal eine Woche, weil meine Mutter mit den Nerven am Ende war und beim zweiten Mal, weil er auf der Straße bewusstlos wurde. Vom zweiten Aufenthalt kam er direkt in die Kurzzeitpflege.

Meine Mutter bereitete die Ankunft zu Hause vor. Das Pflegebett stand bereits. Für sie war klar, sie pflegt ihn bis zum Schluss. Aber sie hat doch erkannt, dass sie nervlich nicht in der Lage ist das zu schaffen. Als kurz vor Ostern ein Platz im Pflegeheim frei wurde ergriff sie die Chance und meldete ihn ganz an.

Vorgestern besuchte ich ihn dort gemeinsam mit meiner Schwester. Er kann inzwischen gar nicht mehr laufen und sitzt im Rollstuhl. Auch trägt er Windeln, weil er sonst alles mit seinem Kot vollschmiert oder alles einnässt. Das Kortison hat ihn stark aufschwellen lassen. Schmerzen hat er keine. Aber ein CT hat gezeigt, dass der Tumor stark gewachsen ist und nun kreisrund in seiner linken Gehirnhälft liegt. Er nimmt fast komplett die linke Seite ein.

Er war vorgestern in einer guten Verfassung. Gestern sind wir dann als Familie hin. Meine Mutter hat einen Raum gemietet. Dort im Heim. Wir haben Kuchen mitgebracht und Kaffee getrunken. Mein Vater wurde gestern auch in sein neues Zimmer verlegt. Leider war er in einer sehr schlechten psychischen Verfassung. Er will nicht mehr leben. Er leidet sehr unter seinem Zustand und versteht nicht, warum er das ertragen muss. Er hat nur geweint und gejammert. Meine Mutter hat ihn dann hoch gebracht.

Später bin ich mit meiner Mutter hoch und sie hat mir das neue Zimmer gezeigt. Auf einmal kamen, sehr aufgeregt, meine Schwester und eine Pflegerin rein. Mein Vater wollte auf eine Couch. Die Pflegerinnen haben ihn dort hin gesetzt und sind gegangen. Sie wussten nicht, dass mein Vater sich oft bewusst fallen lässt wenn er depressiv ist. Als er alleine war, hat er sich von der Couch auf den Bauch am Boden fallen lassen. Die Pflegerinnen kamen sofort beigeeilt. Er wollte bewusst nicht mehr reagieren, hat auch nicht mit ihnen gesprochen. Die eine sagte dann zu ihm: Wir holen ihre Frau. Da hatte er wohl die Augen auf gemacht und gleich wieder zu.

Sie trugen ihn dann auf einem Laken zu fünft in sein Bett. Dort fing er wieder an zu jammern. Wir sollen sein Leben beenden, er hält das nicht mehr aus, er kann nicht mehr, er will nicht mehr leben.

Es tat mir so weh ihn so leiden zu sehen und ich musste mich sehr zusammen reissen nicht los zu weinen. Es ist so hart, ich kann ihn so gut verstehen. Er leidet und er soll erlöst werden! Aber wie lange wird das noch dauern? Ich möchte inzwischen, dass er schnell stirbt. Es ist doch eine viel größere Belastung einen geliebten Menschen so leiden zu sehen.

Aber trotz dieser großen Größe des Tumors sieht er immer noch recht fit aus und nicht wie ein Sterbender. Der Tumor ist nun seit August letzten Jahres durchgehend gewachsen. Therapieabbruch war im Januar. Es bleibt ihm nicht mehr viel Zeit, aber es soll schnell gehen. Wir alle leiden mit ihm...

Offline Eva

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Re:Nun müssen wir uns verabschieden.
« Antwort #6 am: 09. April 2012, 23:58:14 »
Liebe Liara,

mir fehlen die Worte. Ich kann euch nur wünschen, dass das Leiden schnell zu Ende geht und dein Vater erlöst wird. Viel Kraft wünscht dir und deiner Familie

Eva
Der Gesunde weiß nicht, wie reich er ist.

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Liara

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Re:Nun müssen wir uns verabschieden.
« Antwort #7 am: 10. April 2012, 10:28:46 »
Danke Eva! Das ist lieb von dir!

Offline Sunflower

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Re:Nun müssen wir uns verabschieden.
« Antwort #8 am: 18. April 2012, 12:30:29 »
Liebe Liara

Ich habe deine Einträge erst jetzt gesehen und gelesen. Ich sitze da und weine, weil ich dieser Leidensweg den du beschreibst, so traurig finde.

Hoffentlich darf dein Vater bald, sehr bald, gehen.
Viel Kraft auf eurem schweren Weg
Sunflower

Offline mines

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Re:Nun müssen wir uns verabschieden.
« Antwort #9 am: 09. Mai 2012, 00:24:38 »
hallo,
ich habe es hier nicht leicht in diesem forum
jetzt versuche ich mir hier so einige themén anzulesen..ich bin so hilflos, bin so am weinen, weil mich das so einnimmt...

unsere 21j  tochter hat auch einen gehirntumor aber ein Lymphom, ein non-Hodgkin Lymphom...bösartig und so wie die ärzte sagen, nicht mehr zu helfen-jedenfalls die in maastricht nicht....

meine geschichte steht unter lymphome....

ich versuche mit zu erleben,was andere beteiligte hier so kennen lernen, erleben, durchmachen...daß ist sooo ungerecht...

WARUM....??
ich weine so sehr,ich kann mich ganz ganz gut in eure lag versetzen und habe angst,weil ich weiß, daß auch auf uns so etwas wohl zukommen wird...

was macht dein papa jetzt?
wie geht es ihm? ist er noch im heim? wie ist sein zustand?

lg mines

 



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