HirnTumor-Forum

Autor Thema: Neu im Forum  (Gelesen 4065 mal)

Offline rapteddy

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Neu im Forum
« am: 15. Juni 2023, 17:03:52 »
Hallo,
ich bin die Veronika(54) und wurde am Freitag, den 13.10.2017 operiert. Da ist so viel und ich weiß gar nicht so recht, womit ich anfangen soll.
Meine Diagnose ist aktuell: Z.n.Clivius-Meningiom(5 cm)-Op. mit Resttumor,Hemiparese re.,Doppelblick li.,Facialisparese li., Hörminderung li.>re., Rollstuhlabhängigkeit (seit Op.), Strahlentherapie des gewachsenen(3,5cm x2 x 2,5cm) Resttumors (02/19), Z.n.Grand mal epilpt.Anfall 01/2023
Also, ich habe drei Söhne(96,02,05) der Älteste ist aus meiner 1. Ehe, bin zum 2. Mal verheiratet und habe noch 2 Stiefkinder aus erster Ehe meines 2. Mannes. Gelernt habe ich Arzthelferin und habe noch spät ein Studium Soziale Arbeit angefangen womit ich aber leider genau in der Mitte aufhören musste wegen der Op. und den Folgen.
Heute bin ich Erwerbsminderungsrentnerin und habe den Pflegegrad 3 und 100% Schwerbehinderung.
Jetzt könnte man ja annehmen, mir geht es total schlecht. Ist aber nicht so. Es gibt genug Fälle, denen es noch schlechter geht. Ich mache jeden Tag irgendwelche Therapien und merke selbst nach 5 Jahren noch Besserungen.

Allerdings möchte ich irgendwas machen, was mich beschäftigt. Ich habe Langeweile…Vielleicht fällt Euch ja was ein.
Und meine Ergotherapeutin hat mir ans Herz gelegt mir mal Gleichgesinnte zu suchen, die verstehen mich besser.

Alles liebe
Veronika

Offline KaSy

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Antw:Neu im Forum
« Antwort #1 am: 15. Juni 2023, 23:07:17 »
Hallo, liebe rapteddy,
egal, womit Du anfängst, Deine Ergotherapeutin hat Recht, hier unter Gleichgesinnten, also eher Gleichbetroffenen, bist Du willkommen und wirst ohne große Erklärungen verstanden.

Ich könnte von mir sagen, dass ich Glück hatte, dass ich keine neurologischen Symptome hatte, als mein erstes und bereits recht großes Meningeom (WHO I/II) im Jahr 1995 diagnostiziert und bald danach entfernt wurde. Da es sich frontal befand, hatte ich die Befürchtung, dass sich meine Persönlichkeit derart verändern könnte, dass ich meine drei Kinder (damals 10; 12; 14) nach der OP nicht erkennen würde oder, schlimmer noch, es nicht merken würde, wie ich mich verändert hätte. Es kam nicht so, also fast nicht. Psychische Veränderungen gab es, die mich auch heute, nach weiteren "mehreren" Folge-OPs und drei Bestrahlungsserien (je 30 x 2 Gy) immer noch und mitunter deutlich mehr als damals belasten. Ich war zu jener Zeit 37, hatte die Kinder allein und machte nach der OP lange genug Pause und konnte wieder arbeiten gehen, auch nach weiteren OPs gelang mir das noch 16 Jahre lang. Nun nicht mehr.

Du fragst, womit Du Dich beschäftigen könntest, da Du Langeweile hast.

Ich war Ma-Ph-Lehrerin und hatte in allen Klassen von 1-10 auch andere Fächer unterrichtet. Ich tat das immer lieber, mit viel Freude und nach und nach bemerkte ich, dass ich gerade zu den Kindern einen immer besseren Zugang fand bzw. sie suchten ihn zu mir, die besonders schwierig sind. Diese Sensibilität hatte sich bei mir durch die eigenen psychischen Besonderheiten so entwickelt. Als ich aufhören musste, tat mir das für diese Kinder besonders weh. Und mir fehlte mein Beruf sehr. Nun hätte ich nach einiger Zeit für sie als Nachhilfelehrer da sein können, aber, so seltsam das klingt, ich konnte und wollte das nicht, es hätte mich überlastet.

So suchte ich nach anderen Möglichkeiten, bei denen ich zu nichts verpflichtet war, das ich aber doch gern tat. Ich hatte wenige Jahre lang Geschichten geschrieben und das brachte mich auf den Gedanken, in einem Seniorenheim für eine Gruppe älterer Menschen vorzulesen. Ich bereitete mich darauf genauso vor wie auf die Schulklassen voller Kinder - und vermisste die bunte Aktivität. Erst nach und nach lernte ich die kaum spürbaren Reaktionen kennen. Das Vorlesen brachte mich dazu, gut betont, sehr deutlich und mit verschiedenen Stimmlagen zu sprechen. Ich genoss es genauso wie mich die alten Damen liebten.

Wenige Jahre später fand ich im eigenen Ort, fußläufig entfernt, eine kleine Gruppe von intelligenten Menschen, die sich für die Geschichte unserer (jetzt) erst 130-jährigen Gemeinde interessierten und für unser Heimatarchiv forschten. Mit ihnen konnte ich kluge Gespräche führen und das ergänzte die Einseitigkeit des Vorlesens auf beste Weise. Alle paar Jahre veröffentlichten wir eine sorgfältig recherchierte Broschüre in A5-Größe mit etwa 70 Seiten zu bestimmten Themen, die bei unseren Einwohnern und Ehemaligen Bürgern interessiert gelesen wurden.

Beides machte mir viel Spaß, bis ich erst das Vorlesen nicht mehr schaffte und dann auch die Ortschronisten wehmütig aufgeben musste.

Aber, als ich im Alter von erst 54 Jahren zu Hause bleiben musste, bescherten mir meine Kinder fast jedes Jahr ein Enkelkind. So wie meine Kinder damals meine Motivation zum Weiterleben waren, sind es jetzt die drei Familien mit den fünf Enkeln, die jetzt 6 bis 11 Jahre jung sind. Sie alle geben mir immer wieder Lebensmut, obwohl sie nicht in meiner Nähe leben. Sie haben in 25 km, 60 km und 600 km Entfernung ihre Arbeit und ihre Lebensmittelpunkte gefunden. Zum Glück wurde das Handy erfunden und kann so einiges mehr als der Computer. Damit können wir Entfernungen überbrücken. Das ist wunderbar!

Mittlerweile habe ich den Schwerbehindertengrad 90 und den Pflegegrad 2, versorge mich selbst, aber nutze Hilfen für das Haus und den Garten. Für meine Psyche kommt eine Ergotherapeutin wöchentlich zu mir nach Hause oder wir telefonieren und wir wurden in den letzten 6,5 Jahren zu sehr guten Freundinnen.

Aber auch die Hirntumorbetroffenen liegen mir sehr am Herzen. Nach derart langer Zeit mit vielfältigen Erfahrungen kann ich ihnen auf ihre Fragen fachlich verständlich und emotional gut antworten und tue das, was von Zuhause aus und mit dem Smartphone von überall möglich ist, sehr gern. Es erfüllt mein Leben, denn diese seltene und oft "Tabu-Krankheit" braucht Menschen wie mich so wie früher meine Schüler.

Daraus entstanden auch einige gute Freundschaften über hunderte Kilometer hinweg, mit denen ich dann reden kann, wenn ich Gleichbetroffene brauche oder einfach mal nur schwatzen will.

Ich glaube, Du findest dies und jenes zum Ausprobieren, denn Langeweile solltest Du wirklich nicht haben. Schau Dich um und suche zauberhafte Glückspünktchen! Sie liegen überall herum, Du musst sie nur finden, sie aufheben und aus ihnen Ideen schöpfen.

Beste Grüße
KaSy
« Letzte Änderung: 16. Dezember 2023, 17:34:14 von KaSy »
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

Offline rapteddy

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Antw:Neu im Forum
« Antwort #2 am: 19. Juni 2023, 17:07:09 »

Erst mal schönen Dank an KaSy für die liebe Reaktion!
Lange habe ich gezögert, mich hier zu melden. Dann würde ich mich ja der Realität stellen. Und in meiner ersten Nachricht liest sich ja alles so einfach. Ist es aber gar nicht.
Nach meiner 10stündigen OP, lag ich 4 Wochen im künstl. Koma, habe eine PEG, einen Katheder, eine Windel und ein Tracheostoma bekommen. Dann ging es 5 Monate in die Frühreha. Eigentlich konnte ich nur liegen, kaum bewegen. Die lange Zeit war wahrscheinlich der Grund, weshalb mich erst einmal keiner aufklärte über meine momentane Behinderung. Wahrscheinlich dachten alle, das wäre schon passiert und reden konnte ich ja nicht. So dachte ich lange, lange Zeit, alles kommt irgendwann wieder, ich muss nur Geduld haben und regelmäßig tranieren.
Heute weiß ich, es hilft wirklich.  Aber anders wäre natürlich schöner gewesen.
Auch wenn lange nicht alles wieder kommt. Aber ein paar Wochen nach der Frühreha hab ich in der Kurzzeitpflege geübt alleine zur Toilette zu fahren. Ich kann Euch gar nicht sagen, was das für ein tolles Gefühl von Selbstständigkeit ist. Nach gut einem Jahr!!!
Jetzt war ich angefixt und höre einfach nicht mehr auf.
Was ich vergessen habe zu schreiben, mit meinem zweiten Mann habe ich noch 2 Söhne. Also haben wir gemeinsam 5 Kinder. Die geben mir natürlich den Antrieb immer etwas mehr zu machen. Und wenn es etwas Neues gibt, zeige ich das gleich. So habe ich wenigstens die kleine Aufgabe ihnen beizubringen nicht aufzugeben.
2 Söhne leben noch bei uns.
Die freuen sich immer sehr.
Anfang des Jahres hatte ich ja meinen ersten epileptischen Anfall und seitdem auch mehr Bedenken. Die Ärzte taten alle so, als wäre das bei meiner Vordiagnose völlig normal! Ist es auch, weiß ich aber jetzt erst.
Mein Neurologe, darauf angesprochen, meinte nur, so hätte ich ca.5 1/2 Jahre keine Angst gehabt. Hat er natürlich auch Recht.
So, jetzt hab ich keine Lust mehr zu schreiben. Sehr anstrengend.
Ach so, alles was ich bekam ist wieder weg.

Offline KaSy

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Antw:Neu im Forum
« Antwort #3 am: 25. Juni 2023, 14:09:30 »
Liebe Rapteddy,
Deine Entwicklung seit der OP mit den doch recht dramatischen Folgen klingt mühsam, aber nach und nach sehr erfolgreich. Das freut mich sehr!

Du hattest vor einem halben Jahr einen Grand-Mal-Anfall, der Dich auch jetzt noch in Angst versetzt. Das kann ich gut verstehen, allerdings nicht aus eigener Erfahrung nachvollziehen.

Ich hatte jahrelang nach meiner ersten OP für mich nicht definierbare eigenartige Erscheinungen im Kopf. Das war wie eine Blitz, der schräg durch den Kopf lief und ich glaubte, umzufallen und hielt mich irgendwo fest. Ich fiel nicht um, lernte diesen Ablauf, den ich immer bemerkte, kennen und bemerkte, dass ich dabei sogar weiterreden konnte. Ich schrieb mir diese Erscheinungen stets mit Datum, Uhrzeit Zeitdauer und was ich zuvor getan hatte, auf, fand aber keine Ursache und keinerlei Regelmäßigkeit. Irgendwann fragte ich einen Neurochirurgen danach und er meinte, das könnten fokale epileptische Anfälle sein. Meiner Neurologin sagte ich es auch und sie schrieb ein EEG, sah nur die OP-Folgen, aber keinen Anhalt für epileptische Anfälle. Nach meiner Schilderung der gleichartigen Abläufe verschrieb sie auch keine Medikamente und ich kam um das 1-jährige Fahrverbot (von dem ich hier gelesen hatte) drum herum.   

2016 war es damit vorbei. Nach der Teil-OP des fünften Meningeoms bekam ich vier Wochen später einen Anfall, den ich selbst gar nicht bemerkte. Ich war wegen Wundheilungsstörungen wieder in der Klinik und ging zu den Schwestern an den Tresen, weil ich irgendetwas (was, habe ich vergessen) von ihnen wollte und konnte nichts sagen. Blöde Situation. Die Schwester gab mir ein Blatt und einen Stift und meinte, ich solle es aufschreiben. Es ging nicht. Ich ging ins Zimmer zurück, setzte mich an den Bettrand und konnte nichts aufschreiben. Ich legte mich hin. Etwas später kam die Schwester, schaute auf den Zettel und sagte, ich hätte ja noch nichts aufgeschrieben. Antworten konnte ich nicht. Und dann ging es ganz schnell. Ein Neurochirurg kam, fragte mich irgendwas, ich konnte nicht reden, aber mit dem Kopf nicken oder ihn schütteln. Ich wurde ins CT geschickt, wo nichts zu sehen war. Da war diese Sprech- und Schreib-Blockade "schon" wieder vorbei. Der Neurochirurg erklärte mir, dass es ein fokaler epileptischer Anfall gewesen sei. Er gab mir Levetiracetam sofort in der 1000mg-1000mg-Dosis, da ich ja in der Klinik war, zu Hause hätte es aufdosiert werden müssen. Mir war klar, dass das nach diesen mehr als fünf Kopf-OPs an verschiedenen Hirnregionen zu erwarten war und dass ich dauerhaft diese Medikamente nehmen muss. Das einjährige Fahrverbot konnte ich mühsam überbrücken. Ich vertrage dieses Medikament gut, was nicht alle von sich sagen können. (Immerhin hatte ich mehr als 20 Jahre nach der 1. OP keine gravierenden Anfälle.)

Du bist sicher auch auf ein "Antikonvulsivum" eingestellt worden, das die Anfallsschwelle erhöht, damit die Anfälle sich nicht mehr auf das gesamte Gehirn ausbreiten können (Grand Mal) und am besten gar nicht mehr bemerkt werden. Welches Medikament nimmst Du und wie verträgst Du es? Hattest Du einen weiteren Anfall?

Hast Du eigentlich mittlerweile Ideen, um Deine "Langweile" zu besiegen?

Beste Grüße
KaSy
« Letzte Änderung: 16. Dezember 2023, 17:37:28 von KaSy »
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

Offline rapteddy

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Antw:Neu im Forum
« Antwort #4 am: 26. Juni 2023, 18:25:00 »
Hallo KaSy,

ja ich nehme seit meinem Anfall morgens und abends 750mg Levetiracetam jeweils. Seitdem mache ich auch regelmäßig einen Mittagsschlaf, da sie mich etwas müde machen. Die anfänglichen Persönlichkeitsstörungen haben sich zum Glück wieder gelegt. Aber das leichte genervt sein hätte auch viele andere Gründe haben können.🤪 Ich mach ja gerade die W chseljahre mit, da ist ja auch alles möglich.🤭
Nein, einen erneuten Anfall hatte ich bisher nicht.
Brauch ich auch nicht mehr.🫣
Des weiteren male ich, mach Kreuzworträtsel,trainiere viel und versuche vieles alleine(was sehr viel Zeit kostet) und ich hb mich endlich hier angemeldet. Ich war bis zu meinem Anfall in der Tagespflege hier, hauptsächlich wegen einer festen Tagesstruktur, aber das Leben kann so schnell vorbei sein.

Ich schaue gerade nach einem anderen Rollstuhl, der hätte dickere Reifen und ich hoffe auf mehr Sicherheit. Damit würde ich selbständiger raus-und rumfahren. Aber es wären erst noch andere Sachen zu klären. Eigentlich wünschte ich mir hier ne Gruppe, die sich regelmäßig trifft zum quatschen und so, aber da wir 2019 von Gelsenkirchen ins Münsterland gezogen sind, ist das nicht ganz so einfach. Aber ich bleib dran.

Ich habe Deine Geschichte gelesen und natürlich hat sie mich auch beschäftigt und für mich festgestellt, einfach ist anders. Einfach haben wir es bestimmt nicht.

Alles liebe,
Vroni

 



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