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Autor Thema: Parasagittales atypisches Meningeom in Südafrika – Tagebuch  (Gelesen 7732 mal)

antonial

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Prolog:

Ich erzähle hier die Geschichte meiner  Erkrankung und meiner Genesung  in Südafrika. Ich habe keinerlei medizische Erfahrungen oder Kenntnisse, daher bitte ich jeden vorab um Nachsicht, wenn ich die falschen medizinischen Ausdrücke gebrauche.
Ich würde mich freuen, wenn dieses Tagebuch anderen Menschen in ähnlicher Situation eine Entscheidungshilfe geben würde.
Zu meiner Person:
Ich bin eine 55 Jahre alte Deutsch-Ungarin, von Beruf Chemikerin und  gehöre zu den wahrscheinlich selten glücklichen Menschen, die bis dato niemals ernstlich krank waren, nicht einmal im Leben Grippe bekommen hatten.  Die Krankenkassen konnten sich freuen.
Vor 3 Jahren wanderte ich von Ungarn aus Liebe zu einem Deutsch-Südafrikaner nach Südafrika, in die Nähe von Durban aus.

Tagebuch meiner Krankengeschichte:

15. Juli 2010:
Ich merke, dass mein linker Fuss viel schwächer ist als der rechte. Ich kann nicht mehr so einfach in Schlappen oder Schuhe hineinschlüpfen, doch ich mache mir nicht viel Gedanken darum.

15. Juli – 10. August 2010:
Ich stehe  mehrfach an Kreuzungen und kann mein Auto kurzzeitig nicht mehr schalten. Ich mache das Getriebe dafür verantwortlich und bitte Uli, meinen Lebensgefährten, das Fahrzeug in die Werkstatt zu fahren. Er probiert das Fahrzeug aus, stellt aber keinen Fehler an der Schaltung fest.

10. August 2010:  
Mein Zustand verschlimmert sich plötzlich, mein Bein wird mehrmals am Tag für einige Sekunden unbeweglich und auch mein linker Arm beginnt zu schwächeln. Ich frage nach einem Termin bei meinem Hausarzt.

15. August 2010:
Mein Hausarzt sendet mich zuerst zur Blutuntersuchung, dann zum Röntgen, anschliessend zu einem Neurologen nach Durban.

16. August 2010:  
Der Neurologe sendet mich zur Kernspintomographie. Das Ergebnis ist niederschmetternd. Mir wird erklärt, ich hätte höchst wahrscheinlich ein Benignes parasagitales atypisches Meningeom  von etwa 3,5 x 4,5cm Grösse, welches herausoperiert werden müsste.  Ich müsse aber glücklich sein, es sei wahrscheinlich gutartig. Ich bekomme Epilepsie-Tabletten und Kortison verschrieben und werde sogleich zu einem Neurochirurgen, namentlich zu Mr. Mike Du Trevou, welcher sich in speziell in Hirnchirurgie in Südafrika einen grossen Namen gemacht hatte, weitergereicht.

16. August 2010:
Mr. Du Trevou ist Leiter der Neurochirurgischen Abteilung des Entabeni  Hospitals in Durban. Er empfängt uns am folgenden Morgen, sieht sich die mitgebrachten Aufnahmen an, und klärt uns über alle Gefahren, die mit dieser OP einhergehen würden, auf.  Dieses Aufklärungsgespräch führte dazu, dass meine Schreckensbilder bezüglich einer solchen OP sich noch verschlimmerten.  Wir fragten ihn nach alternativen Behandlungsmethoden und wurden an Dr. Rory Callaghan, Leiter des Onkologie-Zentrums in Durban verwiesen .

17. August 2010:
Als wir Dr. Callaghan im Onkologie-Zentrum  aufsuchen, beginne ich bereits leicht zu hinken. Dieser macht uns detailliert mit allen Behandlungsmöglichkeiten der ihnen zur Verfügung stehenden Strahlentherapien bekannt.  Er geht auch auf die Möglichkeit ein, das Gamma-Knife-Verfahren einzusetzen, empfiehlt es in meinem Fall aber nicht, da er der Meinung ist, aufgrund der Lage des Tumors auch gesundes Gewebe verletzen zu können. Daher entscheiden wir uns für die herkömmliche 6-wöchige Bestrahlung, obwohl das bedeut, täglich 40km hin und her zu fahren. Die Anpassung der Maske sollte am 24.08.2010 erfolgen.

17. August 2010:
Zu diesem Zeitpunkt bin ich nicht mehr in der Lage mein schaltgetriebenes Auto zu fahren. In einem Land, in der öffentliche Verkehrsmittel kaum vorhanden sind und das „kurz Mal einkaufen gehen“ häufig bedeutet 20 km unterwegs zu sein, d. h. wo Mobilität unerlässlich ist, war ich plötzlich zu Hause angebunden und auf Hilfe angewiesen.
Da wir uns für die Bestrahlung entschieden haben und uns mitgeteilt wurde, dass mit der Rückbildung des Tumors erst nach einem halben Jahr zu rechnen sei, entscheiden wir uns kurzfristig für mich ein Fahrzeug  mit Automatik zu erwerben.

20. August 2010:
Es ist natürlich Wochenende, als mein linkes Bein plötzlich fast nicht mehr zu bewegen ist.  Uli wählt die Notrufnummer des Onkologie-Zentrums, spricht da mit einer Ärztin und bekommt die Empfehlung,  ich soll die Kortison-Dosis von 2 auf 8 mg erhöhen.

21. August 2010:
Ich leide am linken Bein an kompletter Monoparese und mein linker Arm ist ebenfalls viel schwächer geworden. Uli und ich sind wie traumatisiert und ich denke heimlich an Selbstmord.

24. August 2010:
Anpassung der Maske im Onkologie-Zentrum. Ich kann Dr. Callaghan nicht konsultieren, da er sich gerade in einer mehrtägigen Fortbildungsveranstaltung befindet.

26. August 2010:
Besuch bei Dr. Callaghan im Rollstuhl. Er ist absolut schockiert mich so zu sehen und sendet mich sofort wieder zum Neurochirurgen Mr Du Trevou ins Entabeni Hospital.

26. August 2010:
Mr. Mike Du Trevou holt sich die Meinung von Röntgenärzten und Neurochirurgen ein, denn er ist der Meinung, mein rapid verschlechterter Zustand sei absolut untypisch für ein beningnes Menigneom sei und weist mich sofort in die Klinik ein.

27. August 2010:
Der  OP-Termin wird für Dienstag, den 31.08.2010 angesetzt und es wird eine Embolisation durchgeführt.

29. August 2010:
Ich bekomme einen halben Tag Ausgang und Uli bringt mich nach Hause. Es ist schon ein unangenehmes Gefühl im Rollstuhl herumzusitzen, doch ich versuche die Zeit am PC zu nutzen um Rechnungen zu überweisen und Mails zu schreiben. Uli holt Sushi aus einem thailändischen Restaurant, welches wir herzhaft verputzen ehe es wieder zuück in die Klinik geht.

30. August 2010:
Es wird eine weitere CT und MRT angefertigt. Ich sehe zwischenzeitlich von den Kortisongaben stark aufgedunsen aus, meine Augenlider hängen regelrecht herunter. Ich fühle mich absolut hässlich, und mein einziger Wunsch ist, das die OP bald vorüber ist. Wir werden dahingehend aufgeklärt, dass die OP etwa 6 Stunden dauern und ich anschliessend für einen Tag in künstlichem Koma gehalten werden würde. Es sei auch ein Aufenthalt von 2 Tagen in der Intensivstation vorgesehen.

31. August 2010:
Der grosse OP-Termin ist endlich angekommen. Ich bekomme um 5 Uhr Morgens zusammen mit den anderen Medikamenten offensichtlich  ein Mittel, welches mich augenblicklich ausser Gefecht setzt. Ich bekomme daher nicht mehr mit, als ich in den OP-Saal gefahren werde.

31. August 2010:
Ich werde vom Anästhesisten geweckt, der mich nach meinem Namen und meinem Wohnort fragt. Er erklärt mir, es sei  11 Uhr Vormittags desselben Tages, die OP sei sehr gut verlaufen, hätte nur  4 Stunden in Anspruch genommen, es hätte keine Blutungen gegeben, der Tumor sei vollständig entfernt worden und sei benignes gewesen. Ich glaubte ihm nicht. Das widersprach dem, was uns mein Arzt am Vortag gesagt hatte.  Um meine eigenen Zweifel zu bestätigen, versuche ich mein Bein anzuwinkeln  und meine Zehen zu bewegen, doch ohne Erfolg. Ich war sicher, dass etwas total schief gelaufen war.
Mr. Mike Du Trevou besucht mich 2 Stunden später und erklärt ebenfalls den Erfolg der Operation.
Am Nachmittag kann ich mein Knie plötzlich wenige Zentimeter anheben, und ich schöpfe Hoffnung.

1.September 2010:  
Ich bitte meinen Arzt die Intensivstation verlassen zu dürfen und mir Physiotherapie zu verschreiben. Da keine Komplikationen auftraten, gibt er mir nach. Ich verzichte auch auf weitere Schmerzmitteldosen, denn den Umständen entsprechend fühle ich mich gut, sogar euphorisch.
Uli hat heute Geburtstag und ich rufe ihn an um ihm mitzuteilen, dass ich mein  Kniegelenk bereits um die 10 cm anheben könne, und dass ich bald wieder die „Alte“ sei. Er freut sich riesig und erklärt, daiese Nachricht sei sein grösstes Geburtstagsgeschenk.
Am Nachmittag erhalte ich bereits meine erste Physiotherapie im Bett.

2. September 2010:
Beim Visit am Morgen  bitte ich meinen Arzt, alle Schläuche, Tuben und Infusionen aus mir entfernen zu lassen. Der Kopfverband wird mir ebenfalls entfernt und ich kann mich das erste Mal bewundern. Mein Kopf steckt voller Klammern und meine Haare kleben am Kopf fest. Doch zu meinem Erstaunen waren sie noch überwiegend da, nur um die OP-Fläche herum waren jeweils ca 1-2 cm abrasiert worden.
Ich frage, ob ich nicht baden und Haare waschen könne, und zu meinem Erstaunen wird es mir erlaubt.

Ich kann zwischenzeitlich mein Bein recht gut bewegen und auch mein Fussgelenk und meine Zehen sind wieder etwas lebendiger geworden.
Meine Physiotherapeutin kommt am Nachmittag  und ich bitte sie, mit mir spazieren zu gehen. Wir wandeln die gesamte Station entlang, die Treppe zur Entbindungsstation hinunter, dort die Station entlang und auf der anderen Seite die Treppe wieder hoch. Was für ein unglaublicher Sieg!

3. September 2010:
Es ist Freitag und ich bekome langsam einen Klinikkoller. Mit zunehmender Bewegungsfreiheit hält mich nichts mehr im Krankenhaus. Beim Visit frage ich meinen Arzt, wann ich nach Hause gehen könne. Er lacht mich aus (oder an??) und sagt mir, ich solle am Montag danach fragen. Doch ich gebe nicht auf.

4. September 2010:
Es ist Samstag und ich möchte raus hier! Ich beginne beim Ärztevisit zu feilschen und gewinne diesmal!
Uli holt mich überglücklich in meinem neuen, gebrauchten Jeep Cherokee mit Automatik Getriebe ab und ich bin begeistert. Wir fahren als erstes in ein Bekleidungsgeschäft und kaufen für mich einen Safari-Schlapphut um die Wunde auf meinem Kopf zu bedecken.
Anschliessend suchen wir ein Restaurant auf, wo wir gemütlich auf der Terasse unser Mittagessen verzehren.

Epilog:

Am Sonntag, dem 05. September, also am 6. Tag nach meiner OP,  machte ich bereits meine erste 1-stündige Probefahrt mit dem neuen Auto und fahre seitdem regelmässig.
Die OP habe ich sehr schnell und gut  überstanden, und seitdem die Klammern aus meinem Kopf entfernt worden sind, bin ich auch dazu fähig, die Narben mit den übrigen Haaren einigermassen zu überdecken. Ich habe noch einen leichten ungleichmässigen Gang, das aber nur denen auffällt, die mich kennen.
Ich leide noch ein wenig an Übergewicht und Aufschwemmung durch die hohen Kortisongaben  und ermüde sehr leicht, doch ich brauche keine Medikamente mehr zu nehmen und ob eine zusätzliche Bestrahlung noch erforderlich ist, wird ein MRT in 3 Monaten entscheiden. Allerdings war sich mein Arzt sicher, den gesamten Tumor entfernt zu haben.
Um uns von den traumatischen Erlebnissen zu Erholen, machten wir zwei Wochen nach meiner Entlassung einen Wochenendausflug in das etwa 350 km entfernte Wildpark in Huhluwe. Da versuchte ich mich auch das erste Mal wieder mit Off-Road-Fahren und fühlte mich anschliessend wieder voll "die Alte".
« Letzte Änderung: 15. Oktober 2010, 10:33:52 von Bluebird »

Offline Bluebird

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Re: Parasagittales atypisches Meningeom in Südafrika – Tagebuch
« Antwort #1 am: 15. Oktober 2010, 10:41:07 »


Danke Antional für diesen bewegenden Krankheitsbericht.
Anders als in Südafrika, hätte Dir ein Arzt in Deutschland aufgrund der neurologischen Ausfälle und epileptischen fokalen Anfälle nahegelegt, das Auto stehen zu lassen.

Es ist bemerkenswert, dass sich Dein Zustand nach der Untersuchungsodyssee durch die OP so drastisch verbessert hat.
Zum pathologischen Befund: es wird sich um ein Meningeom WHO II handeln, deshalb auch der engmaschige Kontrollzeitraum von 3 Monaten.

Ich hoffe, dass es für Dich weiterhin bergauf geht und Du zukünftig gesundheitlich stabil bleibst.


Bitte ausschließlich Aufnahmen/Bildmaterial  einstellen in direktem Zusammenhang mit dem Tumorgeschehen.
Danke.


LG
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antonial

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Re: Parasagittales atypisches Meningeom in Südafrika – Tagebuch
« Antwort #2 am: 15. Oktober 2010, 11:01:32 »
Ich danke Dir für Deine lieben Worte! Allerdings muss ich ergänzen, dass ich keine epileptischen Anfälle hatte. Das Medikament wurde mir nur zur Vorbeugung in einer kleinen Dosis noch vor der OP verschrieben. Herzliche Grüsse an Alle im Forum.

Offline Bluebird

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Re: Parasagittales atypisches Meningeom in Südafrika – Tagebuch
« Antwort #3 am: 15. Oktober 2010, 11:14:52 »
Hallo!

So soll es bleiben. ;) Weiterhin nur gute Befunde. Du kannst Dich gern mal wieder melden.

LG
Bluebird
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antonial

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Re: Parasagittales atypisches Meningeom in Südafrika – Tagebuch
« Antwort #4 am: 31. Januar 2011, 08:04:51 »
Hallo Leute!

Zu meinem Tagebuch möchte ich ergänzen, dass ich am 06.01. erneut ein MRI hatte. Mein Arzt war sehr zufrieden, der Tumor scheint völlig entfernt worden zu sein. Ich fühle mich auch zu 95% wiederhergestellt.

Dennoch habe ich einige Probleme, für die ich Eueren Rat benötige:

1. Ich habe in letzter Zeit sehr starken Haarausfall. Überall sind grosse lichte Stellen zu sehen. Ich hatte 4 MRI-s innerhalb von 5 Monaten, aber keine herkömmliche Bestrahlung. Meine Frage: Kann MRI zu Haarausfall führen oder ist da ein anderer Grund zu sehen? Zwischenzeitlich befürchte ich in Kürze kahl zu werden.

2. Ich nehme seit der OP ständig zu. Nahezu 4kg in 4 Monaten, obwohl ich sehr wenig esse. Ich musste sogar meine Ringe um 2 Grössen vergrössern lassen. Kortison habe ich zuletzt 2 Wochen nach meiner OP eingenommen. Frage: Ist das eine Nachwirkung vom Kortison?

Bitte helft mir!

Liebe Grüsse aus Südafrika

Antonia

fips2

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Re: Parasagittales atypisches Meningeom in Südafrika – Tagebuch
« Antwort #5 am: 31. Januar 2011, 08:35:51 »
Nach so langer Zeit dürften eigentlich direkte Nebenwirkungen vom Kortison (Crushing-Syndrom) ausgeschlossen sein.

Wurden deine Nierenfunktionen und Herzleistung geprüft?
Das klingt für mich eher nach Wassereinlagerungen im Körper.

Der Haarausfall könnte ein Hormonproblem sein.
Wenn ich das ja richtig verstanden habe, ist es ja zu einer Bestrahlung gar nicht mehr gekommen, oder? Ansonsten könnten es Bestrahlungsnebenwirkungen sein.

Egal wie dem auch sei. Konsultiere dazu unbedingt einen Arzt/Internisten.

Gruß Fips2
« Letzte Änderung: 31. Januar 2011, 09:51:37 von fips2 »

antonial

  • Gast
Re: Parasagittales atypisches Meningeom in Südafrika – Tagebuch
« Antwort #6 am: 31. Januar 2011, 11:59:24 »
Gewichtszunahme: Nein, weder Nieren- noch Herzfunktionen wurden überprüft. Aber Du hast recht, ich werde mich dahingehend untersuchen lassen.

Bezüglich meines Haarausfalls: Ich bekam keine Bestrahlung, daher habe ich keine Ahnung was die Ursache des wirklich massiven Haarausfalls sein könnte. Ich hatte noch vor einem halben Jahr sehr dichte dicke Haare, jetzt sind sie absolut schütter und überall ist meine Kopfhaut zu sehen.




 



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